Gibt eine Bank Informationen über die finanzielle Lage eines Kunden an Dritte weiter und verletzt ihre Verschwiegenheitspflicht, kann der Kunde Schadenersatzansprüche geltend machen.
von
Dr. Schulte
Elena Philipp
Karin Henke
Rolf Breuer, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank, stellte im Februar 2002 ganz nebenbei in einem Interview die Kreditwürdigkeit der KirchGruppe in Frage. Seine Aussage war ein Auslöser für die größte Firmenpleite nach dem Zweiten Weltkrieg: Zwei Monate nach dem Interview bei Bloomberg TV meldete KirchMedia, wichtigstes Unternehmen der KirchGruppe, Insolvenz an, weil alte Kredite nicht verlängert worden waren. 5.000 von 11.000 Mitarbeitern der KirchGruppe wurden entlassen, der Unternehmer Leo Kirch war um seinen Ruf gebracht.
Kirch war überzeugt, dass Breuer mit seiner unbedachten Äußerung zum Zusammenbruch des Medienkonzerns entscheidend beigetragen habe. Ja, es habe sich sogar um eine gezielte Zerschlagung seines Konzerns gehandelt. Kirch verklagte Breuer und die Deutsche Bank im Mai 2002 wegen Verletzung des Bankgeheimnisses.
Im Februar 2003 verurteilte das Amtsgericht München Breuer zu Schadenersatz. Der ging in Berufung, doch das Urteil des Oberlandesgerichtes München von Dezember 2003 (Az. 21 U 2392/03) wurde im Januar 2006 durch den Bundesgerichtshof (BGH) in der sogenannten „Kirch-Entscheidung“ bestätigt (Az. XI ZR 384/03): Die Deutsche Bank und Breuer seien grundsätzlich für Schäden haftbar, die der Kirch-Tochtergesellschaft PrintBeteiligungs GmbH, Kundin der Deutschen Bank, wegen Breuers Interview entstanden seien.
Dies ist nur einer, wenn auch sicher der berühmteste Fall, in dem ein Kunde aufgrund der Weitergabe von Informationen durch die Bank Schadenersatzansprüche geltend machen konnte. Insgesamt lassen sich drei wesentliche Fallgruppen bei der widerrechtlichen Datenweitergabe durch Banken unterscheiden.
Erster Fall: Öffentliche Angaben über die Bonität des Kunden
Der Vertrag, den man bei Aufnahme eines Darlehens eingeht, verpflichtet die Bank zur Vertraulichkeit. Die Bank darf sich in der Öffentlichkeit nicht über die Bonität des Kunden äußern, soweit sie diese Informationen im Zuge ihrer Banktätigkeit gewonnen hat. Weder die Firmenpleite noch der Lottogewinn dürfen ohne Wissen und Zustimmung des Kunden an Dritte vermeldet werden.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH im Fall Kirch gilt: „Aus einem Darlehensvertrag ergibt sich für die kreditgebende Bank die Nebenpflicht, die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers weder durch Tatsachenbehauptungen, auch wenn sie wahr sind, noch durch Werturteile oder Meinungsäußerungen zu gefährden.“
Eine Klage gegen die Bank zu führen, das ist nicht nur Wirtschaftsgiganten wie Leo Kirch möglich. Auch Privatkunden werden geschützt: Wenn die Bank ungerechtfertigt Informationen über die Solvenz eines Kunden weitergibt, wirkt das rufschädigend. Beim nächsten Autokauf wird dem Betroffenen womöglich kein Kredit mehr zugestanden, weil die Hausbank des Autohauses den Kunden für zahlungsunfähig hält.
Dem Bankkunden entsteht einklagbarer Schaden, weil andere Banken oder Geschäftspartner den Informationen über seine Zahlungsunfähigkeit Glauben schenkten und ihm keine Kredite mehr gewähren. Hier ist grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegeben, denn letztlich kann der Verlust der Kreditwürdigkeit ein gesamtes Leben in Schieflage bringen. Wie Leo Kirch muss im schlimmsten Fall auch ein Privathaushalt Insolvenz anmelden.
Zweiter Fall: Verlust der beruflichen Stellung durch Suchanzeige
Der Mediziner Arne W. stand kurz davor, zum Chefarzt einer Bielefelder Klinik ernannt zu werden. Zu diesem Zeitpunkt erschien in der lokalen Zeitung eine Suchanzeige seiner Bank, die Forderungen gegen ihn geltend machen wollte. Sein Karrieretraum zerplatzte: Die Klinikleitung befand ihn als ungeeignet für den Chefarzt-Posten, der mit einer hohen Vertrauensstellung verbunden sei.
Auch die Bewerbung bei andern Kliniken gestaltete sich schwierig. Arne W. stand nun in dem Ruf eines unzuverlässigen, da verschuldeten Menschen. Seine berufliche Laufbahn brach unerwartet ein – und dabei hatte die Bank die korrekten Personendaten des Arztes vorliegen und hätte sich mit ihrer Forderung direkt an ihn wenden können!
Mit einer Schadensersatzklage ist in einem derartigen Zusammenhang dennoch Vorsicht geboten. Anders als etwa im Fall Kirch, in dem das Breuer-Interview im Fernsehen gesendet wurde, hatte die Bank von Arne W. nur eine Anzeige in einer Zeitung mit kleiner Auflage geschaltet. Es wusste nicht „die ganze Welt“ von den Schulden des Arztes.
Arne W. hatte daher eine Schadensminderungspflicht: Er selbst musste in zumutbarer Weise den Schaden gering halten und versuchen, eine andere Position als Chefarzt zu finden und einen Verdienstausfall zu vermeiden. Erst als er nachweisen konnte, dass er trotz gewisser Anstrengungen keine vergleichbare Position gefunden hatte, konnte er den entstandenen finanziellen Schaden einklagen.
In seinem Fall hatte die Fachwelt auch durch die „kleine Zeitung“ umfänglich Wissen über seine finanzielle Lage erhalten und es fiel Arne W. sehr schwer, überhaupt eine neue, geschweige denn eine vergleichbare Stelle zu finden.
In praktisch jeder Berufsgruppe ist ein ähnlicher Vorfall denkbar. Ein Sicherheitsunternehmen könnte einen angestellten Geldtransporteur entlassen, weil es durch die Bank von dessen enorm hohen Schulden gehört hat und nun befürchtet, dass er sich an dem ihm anvertrautem Geld vergreifen könnte. Wenn der ehemalige Geldtransporteur keine neue Anstellung findet, ist auch hier ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Bank denkbar.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen die Bank sich an die Öffentlichkeit wenden und die Finanzsituation des Kunden offen legen darf. Gibt ein Kunde etwa eine falsche Adresse an, um ein ausstehendes Darlehen nicht zurückzahlen zu müssen, und ist für die Bank nicht mehr zu erreichen, kann die Bank ihn auch unter Zuhilfenahme der Öffentlichkeit aufzufinden suchen und etwa eine Anzeige schalten. Im Falle Arne W. traf das nicht zu – er hatte einen Anspruch auf Schadensersatz.
Dritter Fall: Unrichtige Übermittlung von Daten an die Schufa
In einem anderen Fall hatte die darlehensgebende Bank falsche Daten an die Schufa übermittelt (OLG Frankfurt 17 U 35/87, 17 U 203/87). Der Kunde hatte einen Kredit aufgenommen und als Sicherheit seine künftigen Gehaltsansprüche abgetreten. Als noch ungefähr 7.000 Euro zur Rückzahlung ausstanden, konnte er den Forderungen nicht mehr nachkommen. Die Bank kündigte darauf den Kredit und stellte ihn fällig. Sodann teilte sie der Schufa mit, dass sie gegen den Kunden einen Mahnbescheid beantragt hätte. Ein Vollstreckungsbescheid sowie ein gerichtlicher Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses lägen bereits vor. Tatsächlich aber hatte die Bank den Mahnbescheid später als angegeben beantragt und – entscheidend – der Kunde hatte dagegen fristgerecht Widerspruch eingelegt. Weder ein Vollstreckungsbescheid noch die Zwangsvollstreckung konnten so ergehen.
In einem derartigen Fall hat der Kunde grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz. Er kann zum einen die Kosten zurück verlangen, die die Einschaltung eines Anwaltes zur Wahrung seiner Rechte verursachte. Zum anderen kann der Kunde grundsätzlich gemäß § 824 BGB fordern, dass ihm die Schäden, die aus der Kreditgefährdung entstanden sind, ersetzt werden: Aufgrund des Schufaeintrages könnte es beispielsweise dazu kommen, dass andere Banken dem Kunden keine Kredite mehr einräumen oder ein Mobilfunkanbieter einen Vertrag verweigern. Auch für diese Schäden kann die Bank herangezogen werden.
So sahen es auch die Frankfurter Richter. In der Urteilbegründung heißt es sinngemäß: „Werden der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) durch ein Kreditinstitut vorsätzlich unrichtige negative Angaben über ein Kreditverhältnis mitgeteilt, so hat der Kreditnehmer gemäß § 824 BGB auf Löschung der bei der Schufa gespeicherten unrichtigen Daten und auf Ersatz des materiellen Schadens einen Anspruch. Ein Schmerzensgeld wegen Ehrverletzung oder Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann der Kreditnehmer jedoch nicht beanspruchen.“
Das Gericht sah in der Handlung der Bank ein vorsätzliches Verhalten. Die an die Schufa übermittelten Daten waren objektiv falsch: Es bestand gerade kein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Kunden, seine finanzielle Lage war also besser als behauptet. Aufgrund des fehlerhaften Schufa-Eintrags aber verweigerte ein zweites Kreditinstitut dem Kunden ein Darlehen. Die Bank, die die falschen Daten an die Schufa übermittelt hatte, musste daher nach den Ausführungen des Gerichts bei der Schufa auf eine Korrektur der Angaben hinwirken.
Ein Schmerzensgeldanspruch wurde in diesem Fall vom Gericht jedoch verneint. Die Ehre des Kunden sei nicht im ausreichend hohem Maße geschädigt, da ihm „nur“ Schulden in Höhe von 7.000 Euro nachgesagt wurden. Anders kann der Fall liegen, wenn die Bank einem Kunden zu Unrecht sittenwidrige Wechselreiterei vorwirft. Dann ist unter Umständen auch Schmerzensgeld eine Option.
Fazit
Gibt eine Bank ungerechtfertigt Daten von Kunden an Dritte weiter, lohnt es sich für den Betroffenen in den meisten Fällen, entsprechende Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Der Geschädigte kann Anwaltskosten zurückfordern und Schäden einklagen, die etwa dadurch entstehen, dass Dritte aufgrund der vermeintlichen Solvenzprobleme des Kunden diesem keinen Kredit mehr gewähren oder den Abschluss eines Vertrages verweigern. Bei triftigen Ehrverletzungen sind sogar Ansprüche auf Schmerzensgeld denkbar.
Im Fall Kirch stehen Schadenersatzzahlungen bis heute aus und sind laut den Anwälten der gut versicherten Deutschen Bank auch höchst unwahrscheinlich. Doch dass nicht nur die Karriere des Kunden einen Knick erleiden kann, wenn eine Bank ungerechtfertigt Informationen preisgibt, zeigt das Beispiel Kirch recht deutlich: Rolf Breuer trat auch in Folge des Kirch-Prozesses im Jahr 2005 zunächst von seinem Amt als Bankenpräsident und 2006 dann auch als Aufsichtsrat der Deutschen Bank zurück. Hätte Breuer geschwiegen, wie es seine Pflicht gewesen wäre, dann wäre mit dem Kirch-Konzern nicht auch sein Stern gesunken.
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Bildmaterial: Frau Antje König (Bürovorsteherin), e-Mail: .antje.koenig@dr-schulte.deDiese E-Mail-Adresse ist gegen Spam-Bots geschützt, Sie müssen Javascript aktivieren, damit Sie es sehen können.
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