Sammelklagen oder Musterklagen in Deutschland nicht vorgesehen

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

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Fraude à l'investissement sur finanzexp.de / Pixabay

Immer häufiger werden die Rechtsanwälte von Anfragern dahingehend kontaktiert, ob nicht in den großen Verbraucherschutzverfahren in denen eine Vielzahl von Geschädigten sich gegen Dritten richten (so z.B. gegen den Staat in Bezug auf die Schäden der Berufssoldaten wegen Röntgenstrahlung) oder auf Schäden in Bezug auf fehlgeschlagene Kapitalanlagen Sammelklagen oder Musterverfahren möglich sind.

 
Hierzu ist und bleibt festzuhalten, dass nach dem geltenden Deutschen Recht ein Musterprozess in der Regel nicht möglich ist. Dies bedeutet, dass nur diejenige Partei, die selber prozessiert die Möglichkeit hat sich dem Gegner gegenüber auf das Urteil zu berufen. Ein klassischer Irrtum ist z.B. die Vorstellung innerhalb des rechtsuchenden Publikums, dass ein Musterurteil gegen eine Sparkasse ergangen ist und dass es nun selbstverständlich ist,  dass sämtliche Sparkassen sich bei identischer Rechtspraxis und dem identischen Sachverhalt an dieses Urteil halten würden. Dies ist in der Regel nicht der Fall, sollte allerdings in einem funktionierenden Rechtsstaat im Grunde selbstverständlich sein.

Merke: Ein Urteil hilft nur demjenigen, der selber geklagt hat!

Beispiel: Der Bundesgerichtshof hat in einer sensationellen Entscheidung die Verzinsungspraxis für Sparverträge für rechtswidrig erklärt. BGH XI ZR 140/03; siehe unser Beitrag https://www.dr-schulte.de/zinswillkuer.htm. Trotzdem haben die betroffenen Banken und Versicherungen in der Regel nicht freiwillig die Abrechnungspraxis korrigiert. Selbst Anlegern, die sich auf das Urteil berufen, können nicht sicher sein, dass die Banken oder Sparkassen auf Aufforderung freiwillig handeln, sondern ggf. muss erneut geklagt werden.
Sammelklagen sind nur insofern möglich, als dass ganz kleine spezielle Rechtsgebiete betroffen sind, für die der Gesetzgeber ab dem 01.01.2005 das Kapitalanlagen-Sammelklagen/- Musterklagen-Gesetz erlassen hat bzw. wird. Dies betrifft insbesondere so genannte Prospekthaftungsansprüche siehe http://www.bmj.bund.de/media/archive/758.pdf
Dies ist allerdings nur ein kleinster Teil der möglichen Fallkonstellationen, bei denen eine Fülle von Geschädigten mit gleichartigem Sachverhalt einem Dritten gegenüber steht.

Darüber hinaus ist es allenfalls möglich, dass Personen zusammen eine Klagegemeinschaft bilden, d.h. dass Klageverfahren verbunden werden. Diese Verbindung im Rahmen einer so genannten subjektiven Klagehäufung ist jedoch häufig mit organisatorischen und technischen Schwierigkeiten verbunden, ohne dass dieser Verbindung größere Vorteile gegenüberstehen. Die Kosten werden allenfalls etwas geringer. Hierzu hat im übrigen inzwischen ein Gericht entschieden, dass ein rechtsschutzversicherter Mandant nicht gezwungen werden kann sich diesen Klagen anzuschließen, um so für die Rechtsschutzversicherung ein paar Prozente Kosten zu sparen (Landgericht Coburg Urteil vom 30.07.2004).

Merke: Interessenverbände sind häufig gefährlich

Darüber hinaus warnen die Rechtsanwälte weiterhin vor Interessenverbänden, die von undurchsichtigen Personen aus undurchsichtigen Motivationen in Leben  werden gerufen werden.. Inzwischen ist es sozusagen gute Tradition, dass bei jedem Ereignis (Pleite eines Unternehmens, Flugzeugabsturz, etc.) sich sofort Interessenvertretungen bilden, die gegenüber dem Betroffenen so auftreten, als sei es ihre selbst gestellte Aufgabe uneigennützig zu helfen.

Hinter diesen Interessenverbänden stecken häufig Tätergruppen, die versuchen durch die Sammlung der Betroffenen das Verhalten der Geschädigten in Ihrem Sinne zu beeinflussen und von sich abzulenken. Über diese Ereignisse hatten wir insbesondere mit der Pleite der BkmU Bank in Berlin ausführlich berichtet. Dieselbe Effekte zeigten sich nach der Insolvenz der Real Direkt AG. Auch hier meldeten sich sofort Interessenverbände, die erstaunlich gut organisiert waren. Es war kein Wunder, da häufig aus dem Kreis der Schädiger die Datensätze (Name, Vorname und Adresse der Opfer) bekannt waren. Darüber hinaus werden Interessenverbände häufig gegründet, damit Geschädigte gesammelt Rechtsanwälten zugeführt werden können.
Ein jüngster Fall wurde in Bezug auf die Frankonia aufgedeckt. Hier meldete sich ein angeblich uneigennütziger Rentner bei den Betroffenen und behauptete, er sei im eigenen Interesse dabei Informationen und Geschädigte zu bündeln, für eine eventuelle Sammelklage/ Musterklage. Zu der Möglichkeit der Sammel- und Musterklage gilt das oben genannte. Nachdem sich die Betroffenen bei dem armen, lieben Rentner gemeldet hatten, trat sofort eine Rechtsanwaltskanzlei an die Betroffenen heran und buhlte um Mandate.

Merke: Uneigennützige Hilfe ist durch Interessenverbände, die mit nicht möglichen Massenklagen werben, nicht zu erwarten

Entweder soll von dem Täter abgelenkt werden oder es soll mit dem Schicksal der Opfer ein weiteres mal Geld verdient werden. Selbstverständlich ist ein Informationsaustausch zwischen Geschädigten sinnvoll; zugleich auf die Bündelung der Interessen der Beteiligten. Der Ratsuchende sollte sich erst in Ruhe informieren und dann entscheiden, welche Schritte zu unternehmen sind.

Dr. Thomas Schulte

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Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 423 vom 25. November 2004 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

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