Reputationsrecht – Arztbewertungsportal muss keinen LÜGENGESCHICHTEN nachgehen

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Inhaltsverzeichnis

„Die Gesetze zur Regelung des Internets passen bekanntlich auf einen Bierdeckel“, sagt Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt aus Berlin. Im Gespräch führt Dr. Thomas Schulte aus, warum riesige Schutzlücken entstanden sind, als US Konzerne den Markt übernahmen und sich auch heute noch gebärden wie betrunkene Cowboys in der Prärie…, Gesetzeslücken überall, Opfer von Betrügereien und Fehldarstellungen aller Art. Eine Klarnamenspflicht im Internet gibt es nicht.

Was tun bei ungerechten Bewertungen durch Dritte, unsere Fragen an Dr. Thomas Schulte. Gerichte helfen auch nicht immer. Das Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil 5 U 117/21, vom 9. September 2022 hat mit einer „ungerechten“ Bewertung eines Patienten über einen Arzt zu tun. Der Arzt kämpfte sich durch alle Instanzen, denn die Ehre ist wichtiger als der Tod.

Keine Überprüfungspflichten des Arztbewertungsportals, wenn der Bewertete ein Behandlungsverhältnis fälschlich bestreitet

Dr. Schulte hierzu: Das Problem des Arztes: Der Mensch (Patient) denkt nicht gerne selber, sondern verlässt sich auf andere. Als Lemming folgt er der Meinung anderer. Bei schwierigen Fragen wie lebensbedrohlichen Erkrankungen wird gegoogelt und dem Ergebnis vertraut. Dabei machen Patienten die Qualität einer Behandlung häufig an Ersatzindikatoren fest. Ersatzindikatoren? Ja. War die Arzthelferin freundlich? Gab es Parkplätze und so weiter…. Jedenfalls empfinden Ärzte die Arztbewertungsportale wie Google oder jameda.de als ungerecht und problematisch. Wer schlecht bewertet wird, dessen Patientenstrom wird umgelenkt zum Kollegen. Also wird bei falschen Aussagen gekämpft bis um Umfallen.

Was also tun gegen Fakepatienten?

Dr. Schulte: Dazu hat das Landgericht München (LG München I, Urt. v. 03.03.2017, Az. 25 O 1870/15) geurteilt, das Bewertungsportal muss die Echtheit des Patienten beweisen. Zusammenfassend gesagt bedeutet dies, dass Kritik erlaubt und erwünscht ist. Es ist aber unzulässig sich zu verstecken. Wenn der Arzt die Bewertung hinterfragt, muss das Bewertungsportal das Gericht von der Richtigkeit der Bewertung überzeugen und notfalls doch den unzufriedenen Patienten als Zeugen laden. Dies ist im Artikel „Schlechte Arzt Bewertung durch Fake Patienten“ nachzulesen.

Wie gestalten sich die rechtlichen Regeln des Internets im Grundsatz?

Dr. Schulte: Deutsche Richter übertragen einfach das Recht der normalen Welt in das Internet, ungefähr so wie anfänglich Fragen der Eisenbahn mit dem guten alten Pferderecht gelöst wurden. Umfassende Gesetze fehlen bitterlich. Grundsätzlich gilt auch im Internet: wer handelt haftet und Technik ist unschuldig. Wer gibt als Hilfe bei Cybermobbing? Also hat die Rechtsprechung eine Unterscheidung definiert in Contentprovider, Hostprovider und Internetprovider. Für alle drei gelten unterschiedliche Regeln. Beispiele: Ein Contentprovider ist jemand, der eine Internetseite selber betreibt und dafür verantwortlich ist (auch im rechtlichen Sinne). Diese Seite www.dr-schulte.de ist von dem Autor als Contentprovider betrieben. Hostprovider sind zum Beispiel Arztbewertungsportale oder Youtube, weil dort Fremde Inhalte hochladen dürfen. Internetprovider sind einfach technische Dienstleister, die nur Technik für das Internet zur Verfügung stellen.

Vertiefend hierzu.

Warum ist das Recht der Hostprovider höchst umstritten?

Dr. Schulte: Für Arztbewertungsportale gibt es eine Fülle von Urteilen. Selbst Insider können sich hier verirren. Grundsätzlich muss das Bewertungsportal die Bewertung nicht vor der Veröffentlichtung prüfen. Wenn sich der Arzt aber beschwert, muss geprüft werden, ob es den Patienten, der schlecht bewertete überhaupt gab. Wenn der Arzt aber lügt, muss nicht geprüft werden. Für den Portalbetreiber entstehen keine Überprüfungspflichten, wenn eine bewertete Person ein Behandlungsverhältnis mit dem Bewertenden auf einem Arztbewertungsportal fälschlicherweise bestreitet. Selbst wenn jemand absichtlich eine falsche Angabe macht, kann das eine rechtswidrige Bewertung nicht entschuldigen. Zu diesem Ergebnis kam das Oberlandesgericht Saarbrücken.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Zahnarzt erhielt im Dezember des Jahres 2020 auf einer Online-Bewertungsseite für Ärzte eine Patientenbewertung, die einen negativen Eindruck bei ihm hinterließ. Nach Analyse der Kundentransaktionen behauptete er, dass es keinen Zusammenhang mit der Bewertung gebe und forderte den Portalbetreiber auf, diese zu entfernen. Die Reaktion des Patienten auf die Untersuchung lieferte Belege für einen kausalen Zusammenhang mit der Therapie. Der Portalbetreiber ergriff jedoch keine weiteren Maßnahmen. Der Arzt leugnete weiterhin einen Behandlungszusammenhang und forderte den Portalbetreiber auf, sich zu vergewissern. Daraufhin reichte er Klage ein. Die Klage wurde vom Landgericht Saarbrücken abgewiesen. Dieses Urteil wurde von dem Arzt angefochten.

Besteht bei offenkundig falschen Behauptungen eine Verpflichtung zu weiteren Ermittlungen?

Dr. Schulte: Das Oberlandesgericht Saarbrücken entschied gegen den lügenden Arzt. Falsche Tatsachenbehauptungen in einer Beschwerde gegen einen Host-Provider führen nicht zu einer Untersuchung durch den Host-Provider. Denn die Berufung auf falsche Behauptungen, um die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Bewertung zu erklären, sei eine schlechte Wahl. Der Arzt hatte hier behauptet, er wisse nicht, wer die Bewertung geschrieben habe. Er wollte den Anschein erwecken, dass er und der Bewerter kein besonderes Verhältnis zueinander hatten. Der Portalbetreiber ging noch einen Schritt weiter, indem er sich eine Kopie der Stellungnahme besorgte.

Tipps und Tricks?

Dr. Schulte: Auf jeden Fall regelmäßig das Internet prüfen und feststellen, ob und wie bewertet und reagiert wird. Wer öffentlich tätig ist muss sich um seinen Ruf selber kümmern! Zudem den Barbra Streisand Effekt beachten! Bei Cyber Mobbing muss genau überlegt werden, was zu tun ist. Ansonsten führt die Reaktion zur einer Vertiefung des Schadens. Unablässig ist es einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Geht es um eine Kungelei oder ist an der Kritik etwas dran. Radikale Lösungen wie hier mit einer Lüge „kenne den Patienten nicht“ sind nicht sinnvoll.

Vielen Dank für die Diskussion.

 

 

 

 

Dr. Thomas Schulte

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Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 8486 vom 11. November 2022 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

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