Buy now pay later – Verlockung mit rechtlichen Fallstricken - Dr Thomas Schulte

Buy now pay later – Verlockung mit rechtlichen Fallstricken

Buy now pay later im juristischen Fokus: Zwischen wachsender Beliebtheit, Milliardenumsätzen im E-Commerce und der Gefahr der Überschuldung – wie weit reicht die Verantwortung von Anbietern und welche rechtlichen Instrumente sind nötig, um Verbraucher wirksam zu schützen?

Ein rechtlicher Blick von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt aus Berlin

„Jetzt kaufen, später bezahlen“ – was klingt wie die perfekte Symbiose aus Konsumfreiheit und Flexibilität, entwickelt sich zunehmend zum juristischen Brennpunkt. Das Modell Buy now pay later (BNPL) boomt: Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung McKinsey nutzten im Jahr 2024 bereits über 360 Millionen Menschen weltweit BNPL-Dienste – ein Anstieg um mehr als 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Deutschland zeigt eine Bitkom-Umfrage, dass jeder dritte Online-Shopper diese Option mindestens einmal verwendet hat. Für Verbraucher bedeutet dies vermeintlich mehr Freiheit beim Einkauf, für Anbieter höhere Umsätze. Doch hinter der glitzernden Fassade steckt ein Netz aus rechtlichen Fallstricken: von Verschuldungsgefahren über Transparenzpflichten bis hin zu regulatorischen Lücken.

Die zentrale Frage: Ist BNPL ein Fortschritt für die Konsumgesellschaft oder ein juristisch unterschätztes Risiko, das langfristig zur Schuldenfalle werden kann?

Auch die BaFin macht deutlich, dass „Buy now pay later“ (BNPL) nicht nur eine praktische Bezahlmethode ist, sondern rechtlich als Kreditgeschäft gilt – mit allen damit verbundenen Risiken. Besonders kritisch ist, dass für kleinere Beträge unter 200 Euro oder Rückzahlungen innerhalb von drei Monaten keine gesetzlich vorgeschriebene Bonitätsprüfung erfolgen muss. Genau hier liegt die Gefahr: Verbraucher können unbemerkt mehrere BNPL-Verträge abschließen, ohne dass ihre tatsächliche finanzielle Belastung geprüft wird. Überschuldung und hohe Zusatzkosten durch Zinsen oder Mahngebühren sind die Folge. Die BaFin warnt daher eindringlich, BNPL nicht als harmlose Ratenzahlung zu betrachten, sondern als Kreditform mit Fallstricken, die bewusste Aufmerksamkeit und kritische Prüfung durch die Verbraucher erfordert.

Die Illusion des sofortigen Glücks

Was „Buy now pay later“ so attraktiv macht, ist das Versprechen: Konsum sofort, Zahlung später – oft ohne ersichtliche Zinsen oder zusätzliche Kosten. Der Kaufprozess scheint mühelos. Mit wenigen Klicks bestätigen Verbraucher die Bestellung und erhalten die Ware, ohne dass das eigene Konto direkt belastet wird.

„Diese Form des Bezahlens erfüllt den Wunsch nach sofortiger Bedürfnisbefriedigung, ohne dass ein direkter finanzieller Gegenwert erbracht wird. Aus juristischer Sicht ist das nichts anderes als ein Darlehen“, erklärt Dr. Thomas Schulte. Und das ist entscheidend. Denn rechtlich handelt es sich bei „Buy now pay later“ um nichts Geringeres als ein kreditbasiertes Finanzierungsprodukt – mit allen rechtlichen Implikationen eines solchen Geschäfts.

Verbraucherdarlehen – was steht dahinter?

Wird ein Produkt gekauft, aber nicht sofort gezahlt, greift § 491 BGB – die zentrale Norm für Verbraucherdarlehen. Dort heißt es: „Verbraucherdarlehensverträge sind Verträge, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher ein Darlehen in Form eines Zahlungsaufschubs oder einer sonstigen Finanzierungshilfe gewährt.“ Genau dies ist beim „Buy now pay later“-Modell der Fall, auch wenn es oft nicht den Anschein hat.

Besonders brisant wird es, wenn Kreditwürdigkeitsprüfungen unterbleiben. Diese Prüfungen sind im Regelfall vorgeschrieben, um Verbraucher vor Überschuldung zu schützen. Artikel 8 der EU-Verbraucherkreditrichtlinie verpflichtet den Kreditgeber, die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers zu prüfen, bevor er einen Kreditvertrag abschließt. Doch für sogenannte Kleindarlehen unterhalb von 200 Euro sowie für kurzfristige Vertragslaufzeiten bis 90 Tage sieht der Gesetzgeber aktuell Ausnahmen vor.

„Das ist ein gefährlicher Freiraum für Anbieter, der ein Einfallstor für Überschuldung werden kann“, so Dr. Schulte. In der Praxis bedeutet dies, dass Verbraucher ohne eingehende Prüfung Kredite erhalten können, die sie sich langfristig nicht leisten können. Die fehlende Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung birgt also nicht nur finanzielle Risiken, sondern auch rechtliche Konsequenzen.

Vom Kleinkredit zur Schuldenfalle

Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt

Der psychologische Effekt niedriger Raten und scheinbar kostenfreier Zahlpausen darf nicht unterschätzt werden. Viele Verbraucher nutzen die Option mehrfach – ohne eine umfassende Übersicht über die Gesamtsumme ihrer offenen Verpflichtungen zu haben. Dies kann zur sogenannten Schuldenfalle führen.

„Jeder einzelne Ratenkauf wirkt für sich genommen harmlos. Doch in der Summe können mehrere kleine Verpflichtungen zu einer finanziellen Überforderung führen“, warnt Dr. Thomas Schulte. Das erweckt die Dringlichkeit gesetzgeberischen Handelns: Zum Schutz der Verbraucher wurde die EU-Verbraucherkreditrichtlinie im Jahr 2023 überarbeitet, um auch Kleinkredite und kurzfristige Finanzierungshilfen transparenter und sicherer zu machen. Bis 2026 sollen diese neuen Normen in deutsches Recht umgesetzt werden.

Rechtliche Verantwortung der Zahlungsdienstleister

Ein weiterer zentraler Akteur beim „Buy now pay later“-Modell ist der Zahlungsdienstleister – ein Dritter, der zwischen Käufer und Verkäufer tritt. Diese Anbieter übernehmen die Abwicklung des Zahlungsprozesses, nicht selten, ohne dass der Verbraucher sich der Tragweite darüber bewusst ist, mit wem er nun einen Vertrag abschließt.

„Hier liegt ein enormer Aufklärungsbedarf. Viele Verbraucher glauben, weiterhin im Vertragsverhältnis mit dem Shop zu stehen, in Wirklichkeit agiert aber ein externer Finanzdienstleister – meist völlig autonom“, erläutert Dr. Schulte. Für die Rechtspraxis bedeutet das: Ein direkter Anspruch gegenüber dem Verkäufer besteht nicht hinsichtlich der Finanzierung. Es gelten die AGB des Zahlungsdienstleisters sowie die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere das Darlehensrecht nach § 491 ff. BGB.

Informationspflichten und Widerrufsrecht

Ein wichtiger verbraucherschützender Aspekt ist das Widerrufsrecht. Auch bei Buy-now-pay-later-Verträgen besteht grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht, sowohl für den Kaufvertrag als auch für den Kreditvertrag – sofern sie verbundene Verträge darstellen. Dies ist häufig der Fall.

§ 358 BGB bestimmt: „Widerruft der Verbraucher seine auf den Abschluss eines verbundenen Vertrages gerichtete Willenserklärung, so ist er auch an den anderen Vertrag nicht mehr gebunden.“ Das bedeutet konkret: Widerruft ein Käufer den Kauf, erlischt auch die Zahlungspflicht gegenüber dem Zahlungsdienstleister.

„Der besondere Schutzmechanismus des deutschen Verbraucherschutzrechts darf nicht durch veränderte Geschäftsmodelle wie Buy now pay later unterminiert werden“, sagt Dr. Schulte dazu. Vielmehr sei es wichtig, die rechtlichen Grundlagen zu kennen und zu nutzen, um seine Position als Verbraucher zu stärken.

Transparenz über tatsächliche Kosten

Ein weiteres kritisches Thema ist die intransparente Preisgestaltung. Oft werden kostenfreie Ratenmodelle beworben, doch das Kleingedruckte enthält Hinweise auf versteckte Zins- oder Servicegebühren. Es gilt, sich stets den „effektiven Jahreszins“, der nach § 6 Abs. 2 PAngV verpflichtend angegeben werden muss, genau anzuschauen.

Der effektive Jahreszins ist der ehrliche Preis eines Kredits. Gerade bei kurzen Laufzeiten und kleinen Beträgen wirkt ein scheinbar niedriger Zins schnell hochgerechnet kostspielig“, betont Dr. Thomas Schulte. Wer mehrere „günstige“ Angebote vergleicht, kann schnell feststellen, dass klassische Konsumentenkredite bei bekannten Banken häufig günstiger, transparenter und rechtlich sicherer ausgestaltet sind.

Rechtliche Perspektiven in der Zukunft

Die angesprochene Überarbeitung der EU-Verbraucherkreditrichtlinie wird bis spätestens 2026 national umgesetzt. Dies bringt weitreichende Veränderungen für „Buy now pay later“-Anbieter, die dann auch bei Kleindarlehen unter strengen Informations- und Prüfungspflichten stehen werden.

„Rechtlich ist es konsequent, diese Lücken zu schließen. Kein Konsumentenkredit – gleich welcher Höhe – darf außerhalb des gesetzlichen Schutzrahmens gewährt werden“, prognostiziert Dr. Schulte. Es sei zu erwarten, dass Anbieter bereits in den kommenden Jahren ihre Geschäftsmodelle nachschärfen, um den neuen Regulierungen gerecht zu werden. Dabei werden nicht nur der transparente Umgang mit finanziellen Bedingungen, sondern auch die technische Dokumentation und rechtssichere Kommunikation eine zentrale Rolle spielen.

Fazit: Moderne Bequemlichkeit braucht rechtliches Korrektiv

Das „Buy now pay later“-Modell ist Ausdruck digitaler Transformation. Es ermöglicht konsumorientiertes Verhalten mit vermeintlich geringen Eintrittshürden. Doch juristisch betrachtet stellt es eine neue Form von Dauerschuldverhältnissen dar, deren Risiken häufig unterschätzt werden.

„Als Jurist sehe ich es als unsere Aufgabe, moderne Phänomene rechtlich zu durchdringen und Verbraucher fundiert zu beraten“, so das abschließende Urteil von Dr. Thomas Schulte. Der Konsum im Internet braucht klare Regeln – verständlich, transparent und rechtlich einwandfrei. Nur so kann verhindert werden, dass Komfort in Rechtlosigkeit und Bequemlichkeit in Überschuldung umschlagen.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 11805 vom 20. September 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich