Investment fraud via finanzexp.de / Pixabay

Geldweiterleitung an unseriöse Kapitalanlagegesellschaften – Haftungsfallen für Rechtsanwälte – Interview mit Dr. Thomas Schulte – von Dr. Erik Kraatz

Die Rechtsordnung nimmt die Rechtsanwälte stärker in die Haftung für Fragen der Beteiligung an unseriösen Geldanlagemodellen. Seit Jahren warnen die Rechtsanwälte Dr. Schulte und sein Team vor dieser Art der Beteiligung durch Treuhandkonten.

Grund genug ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts München – OLG München, Urt. v. 8.10.2014 – 7 U 850/14 – zu problematisieren.

Dr. Kraatz: Wie ist der Grundtenor?

Dr. Thomas Schulte: Typischer Fall. Junger Anwalt wird angesprochen von einer Kapitalsammelstelle. Immer heißt nur: Der Anwalt muss wenig arbeiten, sondern nur Geldweiterleiten. Jetzt ist entschieden, nimmt ein Rechtsanwalt Anlagegelder für ein auswärtiges Unternehmen entgegen und leitet er dieses Geld weiter, nimmt er gegenüber dem Anleger be-sonderes Vertrauen für sich in Anspruch. Das führt zu einem Schadenersatzanspruch.

Dr. Kraatz: Warum muss der Anwalt dann Schadenersatz zahlen?

Dr. Thomas Schulte: Der Rechtsanwalt haftet weil er besondere Achtung genießt. Dort heißt es im Urteil. Hat der Rechtsanwalt die näheren Umstände der beabsichtigten Geschäfte nicht geprüft, verletzt gegenüber dem Anleger gemäß § 311 Abs. 3 BGB obliegenden Fürsorgepflichten.

Dr. Kraatz: Folge ist dann, dass er dem Anleger bei Verlust des Einzahlungsbetrags zum Schadensersatz verpflichtet ist. Was gilt, wenn der Anleger sozusagen blind und taub war?

Dr. Thomas Schulte: Das Gericht hat entschieden, wenn der Anleger Mitverschulden hat wegen völlig unrealistischer Zinsen pro Jahr, bekommt er nur die Hälfte erstattet.

Dr. Kraatz: Warum ist das Urteil besonders wichtig?

Dr. Thomas Schulte: Das Besondere an diesem Fall ist, dass zwischen dem Anleger und dem Rechtsanwalt überhaupt kein Vertrag bestand. Der Anwalt hatte nur sein Konto zur Verfügung gestellt.

Die Allianz-Versicherung berichtet über den Fall wie folgt:

„Der Kläger hatte mehrere Finanzanlagen bei einer in der Schweiz ansässigen Gesellschaft gezeichnet. Die Einzahlung erfolgte über ein Konto des beklagten Anwalts in Deutschland. Dieser hatte auf Bitte des Initiators der Anlagegeschäfte G., einem alten Mandanten, hierfür sein Konto zur Verfügung gestellt und leitete die eingehenden Beträge an G. weiter. Die Anlagebeträge gingen wegen Insolvenz verloren. Der Kläger nimmt den Anwalt deswegen auf Schadensersatz in Anspruch.“ Das Oberlandesgericht München verurteilte den Rechtsanwalt zum Schadenersatz.

Dr. Kraatz: Wie ist die rechtliche Begründung?

Dr. Thomas Schulte: Der Anleger benutzt quasi nur das Konto des Anwalts. Das genügt dem Gericht, weil zwischen dem Anleger, dessen Geld später verloren ging und dem Rechtsanwalt der Gegenseite ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden hat.

Dr. Schulte weiter: Zwischen dem Anleger und dem Anwalt ist ein unabhängiges Schuldverhältnis eigener Art gem. §311 Abs. 3 BGB mit Fürsorge- und Rücksichtnahme-Pflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB zustande gekommen.

Dr. Kraatz: Also besteht kein Vertrag sondern ein konstruiertes Vertrauensverhältnis aufgrund der Zurverfügungstellung des Kontos. Hinzu kam, dass das Modell nicht glaubwürdig war.

Dr. Schulte: Welche weiteren Haftungsansätze gegen Anwälte bestehen?

Dr. Kraatz: Der Bundesgerichtshof hatte bereits durch Entscheidung vom 10.02.2015 zu VI ZR 569/13 erläutert, dass Haftungsansprüche bestehen, weil Geschäftsbesorgungsverträgen, d.h. wenn jemand mit einem Rechtsanwalt einen Vertrag abschließt z.B. eine Lebensversicherung zu kündigen, das Geld dann auf dem Konto des Anwalts liegt und er es weiterleitet an eine Firma. Wenn dann die Firma insolvent geht, kann der Rechtsanwalt haften. Außerdem gibt es den Haftungstatbestand des § 1 Abs. 1 a Satz 2 Kreditwesengesetz, wenn das Geld in das Ausland geht (Drittstaateneinlagenverordnung).

Dr. Schulte: Problematisch ist aber, ob der Rechtsanwalt gegen Schadenersatzansprüche dieser Art überhaupt versichert ist. Jedenfalls muss man als Anwalt aufpassen nicht in eine Haftungsfalle zu rutschen.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 1635 vom 27. Juni 2015 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest