"Mach doch auf Macke" - Über Ausmusterungsberater

Medizinproduktegesetz und Zahnersatz – wenn der Beipackzettel fehlt, muss der Zahnersatz nicht bezahlt werden

Die Haare liegen und die Zähne strahlen

Medizinproduktegesetz und die Anforderungen an Zahnersatz

Formalien können manchmal entscheidend sein, insbesondere Zahnlabore müssen nicht nur vernünftige Leistungen liefern, sondern auch der Beipackzettel darf nicht fehlen. Ansonsten kann es sein, dass die Leistungen nicht bezahlt werden müssen. Dieser Grundsatz zeigt sich in einem aktuellen Fall, in dem Zahnersatzleistungen als mangelhaft eingestuft wurden, weil sie nicht den Anforderungen des Medizinproduktegesetzes (MPG) entsprachen. So entschied erstinstanzlich nunmehr das Landgericht Berlin, Aktenzeichen 6 O 208/21. Das Gericht war angerufen worden, weil Zahnersatz und dessen Bezahlung im Streit war.

Das Werk ist mangelhaft, weil der Beipackzettel fehlt: die Voraussetzung für das Recht zur Minderung

Das Werk – hier in Form der streitgegenständlichen Zahnersatzleistungen – ist mangelhaft. Wie die übrigen Mängelrechte des § 634 BGB im Rahmen eines Werkvertrages setzt das Recht zur Minderung zunächst die Mangelhaftigkeit des Werkes voraus. Dabei sind Sach- und Rechtsmängel erfasst. Wegen des Werkmangels kann der Besteller die Vergütung gemäß § 638 Abs. 1 BGB mindern „statt zurückzutreten“.

Zahnersatz und das Medizinproduktegesetz

Die streitgegenständlichen Zahnersatzleistungen sind mängelbehaftet, denn sie waren und sind nicht verkehrsfähig, da sie nach dem bis zum 25.05.2021 geltenden Medizinproduktegesetz (MPG) nicht in Verkehr gebracht werden durften. Hieraus ergibt sich ein Mangel im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. BGB.

Zahnersatz als Medizinprodukt: Die rechtliche Einordnung

Das MPG ist auf Zahnersatz anwendbar. Bei Zahnprothesen handelt es sich um Medizinprodukte. Nach der Definition für Medizinprodukte in Art. 1 Abs. 2 iVm Abs. 5 der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (im Folgenden Medizinprodukte-RL), die bis zum 25.05.2021 galt, handelt es sich bei Zahnersatz um ein Medizinprodukt zum Zwecke der Linderung von Krankheiten und auch um ein Medizinprodukt zur Linderung von Verletzungen und Behinderungen.

Verstoß gegen das MPG: die grundlegenden Anforderungen

Das Zahnlabor hat mit dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Zahnersatzes gegen das MPG verstoßen, da sie die grundlegenden Anforderungen nach Anhang I der Medizinprodukte-RL nicht erfüllt hat.

Sonderanfertigungen und das MPG: CE-Kennzeichnung und grundlegende Anforderungen

Bei Zahnersatz ist eine CE-Kennzeichnung nicht erforderlich, da es sich um eine Sonderanfertigung handelt, es müssen aber dennoch die in Anhang I Medizinprodukte-RL genannten grundlegenden Anforderungen erfüllt sein.

Fehlende Informationen und Kennzeichnung: Verstoß gegen das MPG

Diese grundlegenden Anforderungen hat das Zahnlabor nicht eingehalten. Weder waren dem Zahnersatz die Informationen nach M5 13.1. beigefügt, noch enthielt die Kennzeichnung die Angaben nach M5 13.3 des Anhangs I der Medizinprodukte-RL.

Konsequenzen und rechtliche Einordnung

In diesem Verstoß gegen das MPG und der daraus folgenden mangelnden Verkehrsfähigkeit liegt ein Mangel im Sinne § 633 Abs. 2 BGB, denn bei einem Medizinprodukt gehört die MPG-Konformität zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung (§ 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB), zumindest aber zur Eignung für die gewöhnliche Verwendung und zur üblichen zu erwartenden Beschaffenheit (§ 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB; vgl. zur mangelnden Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels als Sachmangel Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 9. Dezember 2003 – 6 U 27/03 –, Rn. 22, juris).

Fazit: Die Bedeutung des Medizinproduktegesetzes für Zahnersatz

Der Besteller oder Erwerber eines Medizinprodukts darf und wird regelmäßig erwarten, dass das Medizinprodukt auch zulässig in den Verkehr gebracht wurde. Dies gilt im Verhältnis Zahnarzt – Zahntechniker umso mehr, als die Verkehrsfähigkeit zumindest bei arzneimittelähnlichen Medizinprodukten Voraussetzung der Verordnungsfähigkeit ist und damit auch der Leistung der Krankenversicherung.

Dieser Fall verdeutlicht die Bedeutung des Medizinproduktegesetzes für Zahnersatzleistungen und wie die Nichteinhaltung der gesetzlichen Anforderungen zu erheblichen Konsequenzen führen kann. Die Einhaltung der Formalitäten und Anforderungen des MPG ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern auch im Interesse der Patientensicherheit und der Qualität der medizinischen Versorgung von großer Bedeutung. Zahnlaboratorien und Hersteller von Zahnersatz sollten daher sicherstellen, dass ihre Produkte den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, um rechtliche Probleme und finanzielle Verluste zu vermeiden.

Problemlösung

Das Team rund um Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte hilft Menschen, rechtliche Herausforderungen schnell und effizient zu lösen. Dr. Schulte wurde bereits 2007 in einem Titelbeitrag des Magazins „Capital“ als Rechtsanwalt mit großer Prozesserfahrung erwähnt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 8901 vom 15. September 2023 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich