SEPA-Überweisungen und Empfängerprüfung im E-Commerce - Dr. Thomas Schulte

SEPA-Überweisungen und Empfängerprüfung im E-Commerce

SEPA – mehr als nur langweilige Banktechnik? Warum selbst die kleinste Zahlendreher-Komödie zur juristischen Tragödie werden kann – und was das für Verbraucher, Banken und den E-Commerce bedeutet.

Man stelle sich vor: Ein Klick im Online-Banking, IBAN kopiert, Name eingetragen – und schon ist das Geld unterwegs. Klingt simpel, oder? Doch die vermeintlich trockene Welt der SEPA-Überweisungen ist in Wahrheit ein faszinierendes Spannungsfeld aus Technik, Regulierung und knallharten Rechtsfragen. Denn was passiert, wenn aus „DE89“ plötzlich „DE98“ wird? Wer trägt die Verantwortung, wenn Zahlungsdienstleister blitzschnell auslösen, aber der Empfänger gar nicht existiert?

Gerade im E-Commerce zeigt sich, dass SEPA alles andere als langweilig ist: Hier treten Payment Initiation Service Provider (PISP) auf den Plan, die Zahlungen mit einem Klick ermöglichen – und gleichzeitig den Juristen Kopfzerbrechen bereiten. Denn hinter jeder vermeintlich reibungslosen Transaktion lauern Fragen nach Haftung, Informationspflichten und Verbraucherschutz.

Die entscheidende Frage lautet also: Ist SEPA wirklich der große Harmonisierungstraum Europas – oder nur ein weiterer juristischer Stolperstein, bei dem Humor schnell in Kosten und Klagen umschlägt?

Rechtliche Grundlagen des SEPA-Zahlungsverkehrs

SEPA, das Kürzel für „Single Euro Payments Area“, wurde eingeführt, um den Zahlungsverkehr innerhalb der Europäischen Union und einiger angrenzender Länder zu harmonisieren. Die zugrunde liegende SEPA-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 260/2012) legt technische und geschäftliche Anforderungen fest, nach denen Überweisungen und Lastschriften in EUR innerhalb dieses Raumes durchgeführt werden sollen.

Ein entscheidender Aspekt bei jeder Überweisung ist, dass die Angaben zum Zahlungsempfänger korrekt sind – insbesondere Name und IBAN. Dabei obliegt es grundsätzlich dem zahlenden Kunden bzw. dessen Dienstleister, diese Informationen korrekt zu erfassen.

Zahlungsauslösedienstleister und ihre Rolle

Mit der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2), die 2018 wirksam wurde, rückte eine neue Art von Dienstleistern in den Mittelpunkt: die Zahlungsauslösedienstleister. Sie ermöglichen es, Zahlungen im Auftrag des Kunden direkt vom Bankkonto auszulösen, ohne dass der Kunde selbst das Online-Banking seines kontoführenden Instituts bemühen muss. Diese Dienstleister bieten enorme Vorteile hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit und Schnelligkeit, insbesondere bei Onlinekäufen. Doch sie bringen auch neue rechtliche Komplexitäten mit sich.

Der Zahlungsauslösedienstleister ist in der Pflicht, die Daten, die er an das kontoführende Institut übermittelt, korrekt und vollständig bereitzustellen. Das heißt, er muss sicherstellen, dass der Name des Zahlungsempfängers und dessen IBAN exakt sind. Der Empfängerabgleich hat nach allgemeinen Grundsätzen kein zwingendes Erfordernis bei SEPA-Überweisungen – dennoch war dies bisher regelmäßig Bestandteil interner Prüfmechanismen bei vielen Banken. Die Einführung von Drittanbietern im Zahlungsverkehr ändert dieses Verhältnis grundlegend.

Artikel 5c Absatz 2 der SEPA-Verordnung: Eine bedeutende Ausnahme

Ein neuralgischer Punkt in der aktuellen Rechtsauslegung ist Artikel 5c Absatz 2 der SEPA-Verordnung. Dieser normiert eine Sonderregelung für den Fall, dass ein Zahlungsauslösedienstleister sowohl den Namen des Zahlungsempfängers als auch dessen IBAN selbst bereitstellt. Typischerweise geschieht dies bei Zahlungen im Rahmen des E-Commerce, etwa beim Kauf von Produkten auf Onlineplattformen, die Payment-Anbieter wie Klarna oder Sofortüberweisung einsetzen.

Die rechtliche Konsequenz dieser Regelung ist beträchtlich: Der kontoführende Zahlungsdienstleister – mithin die Bank – darf keine eigene Empfängerüberprüfung vornehmen. „Das ist ein Paradigmenwechsel. Die Verantwortung für korrekte Angaben liegt vollständig beim Zahlungsauslösedienstleister“, erklärt Dr. Thomas Schulte. Diese veränderte Verantwortung bringt sowohl Chancen als auch Risiken insbesondere im Hinblick auf Haftungsfragen mit sich.

Haftung und Verantwortlichkeit – wer trägt das Risiko?

Juristisch betrachtet stellt sich nun die Frage: Was passiert, wenn eine Überweisung aufgrund fehlerhafter Angaben fehlgeleitet wird? In traditionellen Überweisungsverfahren war oftmals das kontoführende Institut der letzte Prüfpfeiler, bevor eine Transaktion durchgeführt wurde. Fällt dieser Schritt weg, liegt die vollständige Verantwortung beim Payment-Anbieter.

„Für den geschädigten Verbraucher ist dies kein unerhebliches Risiko“, erläutert Dr. Schulte. „Vor allem, wenn in der Kette der Verantwortung unklar ist, wo genau der Fehler liegt oder wie dieser nachvollzogen werden kann.“ Die Entlastung der kontoführenden Banken ist aus regulatorischer Sicht nachvollziehbar, stellt aber an die Zahlungsauslösedienstleister hohe rechtliche Anforderungen.

Eine mögliche Konsequenz könnte in der Notwendigkeit bestehen, umfassendere vertragliche Regelungen zwischen Händlern und Payment-Anbietern zu treffen. Diese müssten klar differenzieren, wie mit fehlerhaften Zahlungsempfängerdaten umzugehen ist, wer für den Ausfall haftet und wie Ersatzansprüche geltend gemacht werden können.

Verbraucherschutz im digitalen Zahlungsverkehr

Der europäische Gesetzgeber hat im Blick, dass sich durch die Digitalisierung neue Schutzlücken für Verbraucher auftun. Die Richtlinie (EU) 2015/2366 (PSD2) sowie deren nationale Umsetzungen, wie § 675c ff. BGB, verpflichten Zahlungsdienstleister zu einer angemessenen Aufklärungspflicht und Fehlervermeidung. Die zivilrechtliche Haftung ist dabei nicht auf die Bank beschränkt – sie trifft auch Drittanbieter, einschließlich der Zahlungsauslösedienstleister.

Doch wie sehr ist dem Kunden tatsächlich bewusst, wer der Leistungserbringer im Hintergrund einer Zahlung ist? Dass ein Verbraucher ohne Weiteres durchblickt, ob Klarna oder giropay agiert oder die Hausbank den Zahlungsvorgang betreut, ist oftmals nicht gegeben. Daraus ergibt sich ein dringender Aufklärungs- und Informationsbedarf über die Akteure im Zahlungsprozess.

Technik ersetzt kein Rechtsbewusstsein

Ein zunehmend automatisierter Zahlungsverkehr vermittelt häufig eine trügerische Sicherheit. Die Eingabe eines Empfängernamens und einer IBAN läuft über technisch saubere Schnittstellen – trotzdem kann es zu Fehlern oder gar zu betrügerischem Verhalten kommen. Die rechtlichen Spielräume, die Artikel 5c Absatz 2 der Verordnung eröffnet, dürfen nicht als Einladung zum Kontrollverlust interpretiert werden.

Dr. Thomas Schulte betont: „Rechtskonformität ist kein Selbstläufer – auch moderne Zahlungssysteme brauchen juristische Kontrolle.“ Die Automatisierung sollte rechtliche Prüfung nicht ersetzen, sondern von ihr flankiert werden. Insbesondere wenn Zahlungsflüsse länderübergreifend verlaufen, sind klare vertragliche Regelungen und technische Sicherungsmechanismen der einzig gangbare Weg.

Der Fall aus der Praxis

Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt aus Berlin
Rechtsanwalt aus Berlin, Dr. Thomas Schulte

Ein Mandant von Dr. Schulte berichtete, was auf den ersten Blick wie ein banaler Online-Einkauf aussah und sich schnell als juristisches Minenfeld entpuppte: „Ich habe über Klarna bezahlt, die Abbuchung ist sofort erfolgt, aber die Ware kam nie an. Meine Bank erklärte, sie sei nicht zuständig, und Klarna verwies lapidar auf einen angeblichen Systemfehler.“ Für den Betroffenen bedeutete das: kein Geld, keine Ware – und niemand fühlte sich verantwortlich.

Dieser Fall ist keineswegs exotisch, sondern spiegelt ein wachsendes Problem im digitalen Zahlungsverkehr wider. Insbesondere im E-Commerce laufen Zahlungen oft über zwischengeschaltete Dienstleister wie Payment Initiation Service Provider (PISP), die Transaktionen technisch sicher und blitzschnell abwickeln sollen. Doch sobald eine Störung auftritt – sei es ein technischer Fehler, eine falsche Datenverarbeitung oder schlicht ein betrügerischer Händler – wird die Verantwortung wie eine heiße Kartoffel zwischen Bank, Zahlungsdienstleister und Händler hin- und hergeschoben.

Für Juristen ergibt sich daraus eine ganze Reihe ungelöster Fragen: Wer trägt das Risiko, wenn der Zahlungsfluss zwar technisch korrekt, die Gegenleistung aber nicht erbracht wird? Genügt es, dass Banken auf ihre Rolle als „Durchleiter“ verweisen? Und kann sich ein Zahlungsdienstleister wie Klarna auf interne Systemfehler berufen, wenn der Verbraucher im guten Glauben seine Daten korrekt eingegeben hat?

Die Rechtsdurchsetzung in solchen Konstellationen ist erfahrungsgemäß langwierig und für Verbraucher oft frustrierend. Ohne klare Haftungsregeln drohen Prozesse, die sich über Monate oder gar Jahre ziehen können. Informationspflichten – etwa über den genauen Stand einer Transaktion – und Beweiserleichterungen zugunsten der Verbraucher wären hier zentrale Bausteine, um den Schutz im digitalen Zahlungsverkehr zu stärken.

Der Fall zeigt plastisch: So komfortabel SEPA-Überweisungen und moderne Payment-Dienstleister den Alltag auch machen – rechtlich betrachtet befinden wir uns in einem Spannungsfeld, in dem Verantwortung häufig im Dunkeln bleibt. Und genau hier stellt sich die juristisch entscheidende Frage: Wer schützt den Verbraucher, wenn Technik versagt, Systeme ausfallen oder Anbieter die Verantwortung schlicht verweigern?

Fazit – ein System im Wandel

Was auf den ersten Blick wie trockene Paragrafenreiterei wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als spannendes Spiegelbild unserer Zeit: Der Zahlungsverkehr ist längst digital, global und blitzschnell – doch das Recht hinkt ihm oft noch in klassischen Schritten hinterher. Die Ausnahmevorschrift in Artikel 5c Absatz 2 macht deutlich, dass es nicht mehr genügt, SEPA nur als technisches System zu begreifen. Vielmehr geht es um ein rechtspolitisches Großprojekt, das zwischen Verbraucherschutz, Bankenaufsicht und wirtschaftlicher Realität balanciert.

Dr. Thomas Schulte fasst die Herausforderung pointiert zusammen: „Die Zukunft des Zahlungsverkehrs ist digital – aber sie muss auch rechtsfest sein.“ Und genau hier wird es spannend: Wer trägt die Verantwortung, wenn Bits und Bytes den falschen Weg nehmen? Kann ein Klick im Online-Shop wirklich ganze Haftungsketten ins Wanken bringen? Oder braucht es schlicht mehr Mut, das Recht so anzupassen, dass auch im digitalen Raum Verlässlichkeit herrscht?

Für Verbraucher bedeutet das: Nicht jeder reibungslose Zahlungsablauf ist automatisch rechtssicher. Für Banken und Payment-Anbieter gilt: Wer Transparenz und klare Zuständigkeiten scheut, riskiert Vertrauen – und Vertrauen ist nun einmal die härteste Währung im Finanzsystem.

Natürlich könnte man augenzwinkernd sagen: Wäre SEPA ein Mensch, dann wäre es wohl der penible Buchhalter mit Krawatte, der alles korrekt und ordentlich machen will – aber manchmal schlicht vergisst, dass draußen das Leben tobt. Die Aufgabe von Politik und Rechtsprechung ist es daher, diesen „Buchhalter“ fit für die digitale Gegenwart zu machen, ohne seine Genauigkeit zu opfern.

Der rote Faden bleibt: Nur klare gesetzliche Strukturen, eindeutige Verantwortungszuweisungen und ein transparenter Umgang mit Risiken schaffen das Vertrauen, das Banken, Payment-Anbieter und Verbraucher gleichermaßen brauchen. Denn am Ende soll SEPA nicht zum Stolperstein werden, sondern zu dem, was es verspricht: ein solides Fundament für den Zahlungsverkehr der Zukunft – zuverlässig, modern und rechtlich unerschütterlich.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 11826 vom 26. September 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich