Versicherungsbestandsübertragung und Aufsicht durch die BaFin - Dr Thomas Schulte

Versicherungsbestandsübertragung und Aufsicht durch die BaFin

Bestandsübertragungen im Fokus: Zwischen Aufsicht, Marktlogik und Rechtsunsicherheit. Wenn Versicherungsbestände wandern, geraten Juristen, Aufseher und Unternehmen gleichermaßen ins Nachdenken. Sind diese Transaktionen Ausdruck einer modernen Konsolidierung – oder öffnen sie Schlupflöcher für rechtliche Grauzonen?

Bestandsübertragungen gewinnen im Versicherungssektor zunehmend an Dynamik. Unternehmen nutzen sie, um Risiken neu zu strukturieren, Kosten zu senken und strategische Märkte zu erschließen. Doch jede Übertragung stellt nicht nur eine ökonomische Entscheidung dar, sondern ist auch ein hochsensibles juristisches Manöver. Wie weit reicht die aufsichtsrechtliche Zulässigkeit solcher Vorgänge? Welche Hürden bestehen bei der praktischen Umsetzung, und wo beginnt der Graubereich, in dem Verbraucherschutz und europäische Aufsichtsarchitektur aufeinanderprallen?

Gerade im grenzüberschreitenden Kontext spitzt sich die Problematik zu: Die Übertragung eines Bestandes von einem deutschen Versicherer auf ein ausländisches Unternehmen ist kein Routinegeschäft. Vielmehr bedarf es einer besonders akkuraten rechtlichen Prüfung, die nicht nur nationales Recht, sondern auch europäische Regulierung und internationale Aufsichtspraxis in Einklang bringt. Ein aktuelles Beispiel liefert die Übertragung eines Teilbestandes der Baloise Sachversicherung Aktiengesellschaft Deutschland auf das finnische Unternehmen Vakuutusosakeyhtiö Bothnia International.

Dr. Thomas Schulte, erfahrener Rechtsanwalt aus Berlin mit langjähriger Expertise im Versicherungsrecht, in der Bankenaufsicht und im Kapitalmarktrecht, nimmt diese Konstellation zum Anlass, die rechtlichen Fragestellungen kritisch zu beleuchten – und zu hinterfragen, ob die bestehenden Strukturen den Herausforderungen des globalisierten Versicherungsmarktes wirklich standhalten.

Genehmigung durch die BaFin – mehr als nur Formalismus

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat mit Verfügung vom 11. Juli 2025 den zuvor geschlossenen Vertrag vom 11. August 2022 – zuletzt geändert durch einen Nachtrag vom 9. Juli 2025 – genehmigt. Rechtlich handelt es sich hierbei um eine sogenannte Bestandsübertragung gemäß § 13 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Nach dieser Vorschrift dürfen Versicherungsunternehmen ihren Bestand an Versicherungsverträgen ganz oder teilweise auf ein anderes Versicherungsunternehmen nur mit vorheriger Genehmigung der Aufsichtsbehörde übertragen. Erst mit Zugang der Genehmigungsurkunde wird die Übertragung wirksam.

Diese Genehmigung stellt sicher, dass sowohl versicherungsaufsichtsrechtliche risikoorientierte als auch interessenwahrende Kriterien eingehalten werden. Hierzu zählen insbesondere die Belange der Versicherungsnehmer, die Rechte der Gläubiger sowie die strukturelle und wirtschaftliche Solidität des übernehmenden Unternehmens. Dr. Schulte hierzu: „Die Genehmigung der BaFin ist Ausdruck des Schutzgedankens im Versicherungswesen – sie ist nicht bloß ein Stempel, sondern ein Instrument zur Risikosteuerung.“

Rechtliche Grundlagen und Schutzziele

Die gesetzliche Grundlage für Bestandsübertragungen im deutschen Versicherungsrecht ist in den §§ 13 ff. VAG geregelt. Zwar mag der Wortlaut knapp erscheinen, doch die dahinterliegenden Prüfstandards sind hochkomplex. Die Vorschriften stehen im engen Zusammenhang mit den sog. Solvabilitätsvorgaben, wie sie in der europäischen Solvency II-Richtlinie normiert sind. Diese Vorschriften verlangen unter anderem, dass das übernehmende Unternehmen nach der Übertragung weiterhin über eine ausreichende Eigenmittelausstattung verfügt.

Ferner hat die BaFin im Rahmen der Genehmigung zu prüfen, ob durch die Übertragung ungewollte Risiken für die Versicherten entstehen könnten. Die Erfahrungswerte zeigen: Die BaFin prüft mit hoher Sorgfalt. Es geht hierbei nicht nur um die formale Konsistenz des Vertrags, sondern um eine umfassende Bewertung der finanziellen und juristischen Tragfähigkeit der Transaktion. In Fällen mit Auslandsbezug – wie hier mit einem Zielunternehmen in Finnland – ist darüber hinaus auch eine Abstimmung mit der jeweiligen ausländischen Aufsicht verpflichtend, um die Interessenwahrung europäischer Standards sicherzustellen.

Grenzüberschreitender Rechtsverkehr und seine Tücken

Die Übertragung auf ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in Finnland ist aufsichtsrechtlich besonders interessant. Das übernehmende Unternehmen, die Vakuutusosakeyhtiö Bothnia International, muss hierfür nicht nur den deutschen Vorschriften genügen, sondern auch die Anforderungen der finnischen Finanzaufsicht, der „Finanssivalvonta“, erfüllen. Hinzu kommen europäische Vorgaben, die über die EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority) koordiniert werden.

Eine Bestandsübertragung im Binnenmarkt wird durch Art. 40 der Richtlinie 2009/138/EG (Solvency II) geregelt. Demnach muss ein harmonisiertes Verfahren eingehalten werden, bei dem sämtliche aufsichtlichen Aspekte zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten abgestimmt werden. Als deutscher Anwalt mit Schwerpunkt im europäischen Wirtschaftsrecht erinnere ich mich gut an Fälle, in denen unterschiedliche Rechtsauffassungen über die Tragweite der Informationspflichten erhebliche zeitliche Verzögerungen verursachten.

Vertragliche Ausgestaltung – mehr als nur Versicherungsverträge

Bei der Übertragung sind nicht bloß die eigentlichen Versicherungsverträge betroffen. Vielfach werden Asset-Komponenten, die diesen Verträgen zugrunde liegen, ebenfalls mitübertragen. Es handelt sich mithin um einen vertraglich und wirtschaftlich komplexen Prozess, bei dem auch bilanzielle und steuerrechtliche Erwägungen von erheblicher Bedeutung sind. Die Übertragung umfasst typischerweise auch eingetragene Rückstellungen, vermögenswirksame Positionen sowie etwaige Nebenabreden.

Solche Transaktionen bedürfen einer präzisen juristischen Bewertung. Die Fachpraxis zeigt: Schon kleinere Unklarheiten im Umgang mit Nebenabreden oder bei der Überleitung von Rechten und Pflichten können für rechtlichen Sprengstoff sorgen. Die Versicherungsnehmer ihrerseits haben ein schutzwürdiges Interesse daran, zu wissen, mit wem ihr Vertragsverhältnis künftig besteht, ob der neue Vertragspartner seinen Verpflichtungen ebenso zuverlässig nachkommen wird – und ob sich durch die Übertragung Änderungen im Leistungsversprechen ergeben.

Die Rolle der Mitteilungspflichten

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte

Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 VAG wird ein Versicherungsvertrag mit dem Zugang der Genehmigungsurkunde beim übertragenden Unternehmen wirksam übertragen. Entscheidend ist ferner die Pflicht zur Unterrichtung der Versicherungsnehmer nach § 13 Abs. 4 VAG. Diese Mitteilung hat innerhalb von drei Monaten nach Wirksamkeit der Übertragung zu erfolgen. Versicherungsnehmer haben dann ein außerordentliches Kündigungsrecht von einem Monat.

Diese Regeln verdeutlichen, dass Versicherte keine bloße Verfügungsmasse darstellen dürfen, die stillschweigend übertragen wird. Vielmehr bildet der Schutz der Verbraucherinteressen ein tragendes Element des Versicherungsaufsichtsrechts. Dr. Schulte ergänzt: „Der Gesetzgeber will, dass Vertrauen nicht einfach weitergereicht wird wie ein Koffer – Versicherungsverträge sind Vertrauensverhältnisse besonderer Art.“

Rechtsschutz und Prüfpflichten des übernehmenden Unternehmens

Nicht nur das übertragende, auch das übernehmende Unternehmen ist in der Pflicht. Es muss eine umfassende rechtliche Prüfung des bevorstehenden Bestandes übernehmen – sowohl im Hinblick auf die rechtliche Wirksamkeit als auch in Bezug auf mögliche Altlasten, etwa anhängige Rechtsstreitigkeiten, versicherungsbetrügerische Vorgänge oder formal unklare Vertragsklauseln.

Dabei stellt sich für das übernehmende Unternehmen häufig die Frage nach der Risikobegrenzung. Hier kommen Haftungsklauseln, Gewährleistungsregelungen sowie Regressrechte ins Spiel. Die Vertragswerke sind üblicherweise komplex und mehrsprachig verfasst – ein Umstand, der die rechtliche Bewertung für alle Beteiligten erschwert, insbesondere bei unterschiedlichen Rechtstraditionen.

Fazit – ein komplexes, aber geregeltes Verfahren

Die Bestandsübertragung zwischen der Baloise Sachversicherung Aktiengesellschaft Deutschland und der Vakuutusosakeyhtiö Bothnia International ist ein lehrbuchartiges Beispiel für die praktische Umsetzung des § 13 VAG. Die Wirksamkeit mit Zugang der Genehmigungsurkunde der BaFin am 11. Juli 2025 belegt, dass alle rechtlichen Voraussetzungen offenkundig erfüllt wurden.

Versicherungsnehmer, die betroffen sind, sollten jedoch weiterhin wachsam bleiben. Die Fristen für eine Kündigung sollten bekannt sein – auch um Klarheit über bestehende Rechte zu behalten. Unternehmen, die ähnliche Übertragungen planen, sind gut beraten, frühzeitig juristischen Rat einzuholen. Denn im Versicherungsrecht regiert das Prinzip: Vertrauen ist gut, rechtliche Prüfung ist besser. Wer rechtssichere Vertragsgestaltungen plant oder Altbestände übertragen möchte, sollte sich einem spezialisierten Anwalt anvertrauen.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 11846 vom 4. Oktober 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich