Zusätzliche Eigenmittelauflagen durch die BaFin und ihre rechtliche Tragweite - Dr Thomas Schulte

Zusätzliche Eigenmittelauflagen durch die BaFin und ihre rechtliche Tragweite

BaFin ordnet Eigenmittelauflagen gegen Kreissparkasse Heilbronn an: Ein juristisches Lehrstück über Mängel in der Geschäftsorganisation, die Grenzen bankaufsichtlicher Toleranz und die Frage, wie weit regulatorische Eingriffe im deutschen Bankwesen gehen dürfen.

Wenn die BaFin eingreift, geht es um mehr als Zahlen auf dem Papier – es geht um das Fundament unseres Bankensystems: Vertrauen, Ordnung und Rechtsstaatlichkeit. Der spektakuläre Fall der Kreissparkasse Heilbronn zeigt, dass selbst traditionsreiche Institute nicht vor scharfen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen gefeit sind. Dr. Thomas Schulte, erfahrener Rechtsanwalt aus Berlin, stellt dabei die juristisch brisante Frage: Wo endet unternehmerische Freiheit – und wo beginnt die zwingende Pflicht zur lückenlosen Geschäftsorganisation im Sinne des Kreditwesengesetzes?

Die Grundlagen der BaFin-Aufsicht im Licht des KWG

Zentrales rechtliches Fundament der hier diskutierten Maßnahme bildet das Kreditwesengesetz – eine tragende Säule im deutschen Aufsichtsrecht über Banken und Finanzdienstleistungsinstitute. § 10 KWG regelt die Eigenmittelausstattung von Instituten und verpflichtet diese zu einer angemessenen Kapitalausstattung, einschließlich zusätzlicher Anforderungen, wenn eine Gefährdung der ordnungsgemäßen Geschäftstätigkeit vorliegt. In Verbindung mit § 25a KWG, welcher die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation konkretisiert, ergibt sich ein engmaschiges Kontrollgefüge, das der BaFin umfangreiche Eingriffsrechte einräumt.

Aus § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG ergibt sich beispielsweise die Verpflichtung der Institute zur Einrichtung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation, „die insbesondere durch eine angemessene Geschäftsstrategie, interne Kontrollverfahren und angemessene Notfallkonzepte“ zu gewährleisten ist. Diese Anforderungen sind keine bloßen Verwaltungsfloskeln, sondern konkret einzuhaltende Rechtsnormen. Ihre Verletzung kann – wie im Fall der Kreissparkasse Heilbronn – tiefgreifende aufsichtsrechtliche Konsequenzen haben.

Sonderprüfung offenbart organisatorische Schwächen

Im Laufe des Jahres 2024 führte die BaFin im betroffenen Institut eine Sonderprüfung durch. Sonderprüfungen gemäß § 44 Abs. 1 KWG dienen dazu, die Einhaltung bankaufsichtsrechtlicher Vorschriften und Standards im Einzelfall zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser Prüfung fielen offenbar derart kritisch aus, dass die Aufsicht zur Schlussfolgerung kam, dass „die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation nur eingeschränkt gegeben war“. Ein solcher Befund bedeutet im aufsichtsrechtlichen Kontext regelmäßig, dass fundamentale Prinzipien der Institutssteuerung und Risikobewältigung nicht ausreichend eingehalten wurden.

Beim Lesen dieser Entscheidung erkennt man sofort den Ernst der Lage. Die BaFin greift typischerweise nicht leichtfertig zu Sanktionen, die mit unmittelbaren bilanziellen Anforderungen verknüpft sind. Doch wenn sich strukturelle Mängel innerhalb der Organisation zeigen – etwa ungenügende Kontrollmechanismen, unklare Verantwortungsstrukturen oder mangelhafte interne Berichterstattung –, ist der aufsichtsrechtliche Eingriff nicht nur möglich, sondern geradezu geboten.

Organisationsmängel – ein wiederkehrendes Problem im Bankensektor

Nicht zum ersten Mal steht die Mängelhaftigkeit der internen Organisation bei einer Sparkasse oder Bank im Fokus der Aufsicht. Auch in früheren Entscheidungen stellte die BaFin wiederholt fest, dass organisatorische Defizite mittel- bis langfristig zu Verlusten, Reputationsrisiken und letztlich zur Gefährdung des Instituts führen können.

„Die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation ist kein Selbstzweck – sie ist das Rückgrat eines stabilen und risikoarmen Finanzinstituts“, erläutert Dr. Thomas Schulte, mit Fokus zur Compliance im Bankensektor. „Versäumnisse auf Leitungsebene oder in den Kontrollstrukturen führen zwangsläufig zu systematischen Schwächen, die in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit zu massiven Verwerfungen führen können.“

Doch auch jenseits konkreter Risiken ist das Vertrauen in die Solidität eines Instituts zentral für das Funktionieren des Finanzmarktes. Gerade öffentlich-rechtliche Kreditinstitute wie Sparkassen stehen hier unter besonderer Beobachtung, nicht zuletzt, weil sie als Anlaufstelle für breite Bevölkerungsschichten eine hohe gesellschaftliche Verantwortung tragen.

Die Konsequenz: kapitalbasierte Sanktion durch die BaFin

Die BaFin macht von ihrer gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch und verlangt vom betroffenen Institut zusätzliche Eigenmittel. Solche Anforderungen haben eine unmittelbare wirtschaftliche Wirkung: Die Erhöhung der Eigenmittelquote bindet individuelles Kapital und erschwert Investitionen oder Kreditvergaben – eine Art „aufsichtsrechtlicher Denkzettel“, der nicht selten auch öffentliche Beachtung findet. Die Maßnahme wurde per Verwaltungsakt umgesetzt, der am 23. Juli 2025 Bestandskraft erlangte.

Es ist rechtlich bedeutsam, dass die Verfügung gemäß § 60b Abs. 1 Satz 1 KWG öffentlich bekannt gemacht wurde. Diese Bestimmung verpflichtet die BaFin zur Veröffentlichung bestimmter Maßnahmen oder Sanktionen, wenn und soweit dies zur Wahrung der Marktintegrität erforderlich erscheint. Diese Transparenzanforderung stärkt den präventiven Charakter des Aufsichtsrechts und dient zugleich der öffentlichen Rechenschaftspflicht der BaFin.

Rechtsschutz gegen aufsichtsrechtliche Maßnahmen – ein eingeschränktes Terrain

Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt

Für betroffene Institute sind die rechtlichen Möglichkeiten, sich gegen solche Anordnungen zur Wehr zu setzen, begrenzt. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Widerspruch oder Klage beim Verwaltungsgericht einzulegen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass viele Banken – insbesondere Sparkassen – den Weg des Rechtsstreits scheuen, nicht zuletzt wegen des damit verbundenen Reputationsrisikos.

„Es ist eine strategische Abwägung, ob man sich gegen eine BaFin-Anordnung gerichtlich wehrt“, erklärt Dr. Schulte. „Gerade wenn durch eine öffentliche Bekanntmachung bereits ein Imageverlust eingetreten ist, wägt man sehr genau ab, ob eine gerichtliche Eskalation diesen noch verstärkt.“

Auswirkungen auf Kunden, Wettbewerb und den Markt

Auch wenn die Maßnahme direkt nur das betroffene Institut betrifft, ist die Signalwirkung weitreichend. Wettbewerber, institutionelle Anleger, aber auch Privatkunden nehmen die Reaktion der BaFin zur Kenntnis. Für andere Institute ist der Fall ein warnender Fingerzeig: Die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation, insbesondere im Sinne des § 25a KWG, ist nicht fakultativ, sondern unabdingbare Voraussetzung für das fortgesetzte Vertrauen des Marktes.

In strategischer Hinsicht kann gesagt werden, dass solche Maßnahmen auch ein „Testfall“ für die Modernisierung und Digitalisierung interner Kontrollsysteme sind. Wer heute in veralteten Strukturen verharrt, riskiert nicht nur aufsichtsrechtliche Maßnahmen, sondern auch, im Innovationswettbewerb der Branche unterzugehen.

Juristische Bewertung und Einordnung

Aus juristischer Sicht ist der Eingriff der BaFin ein Paradebeispiel für das Zusammenspiel zwischen materiell-rechtlicher Anforderung und aufsichtsbehördlichem Ermessen. Die gesetzliche Grundlage ist unzweideutig. Besonders instruktiv ist dabei, dass die BaFin kein Bußgeld verhängt, sondern auf struktureller Ebene eingreift – eine Konsequenz, die längerfristig wirkt und Veränderung erzwingt.

Besonders hervorzuheben ist die Rechtsnatur der Anordnung: Es handelt sich um einen Verwaltungsakt, der dem besonderen Verwaltungsrecht zuzuordnen ist und dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz unterliegt. Auch hier zeigt sich, wie wichtig spezialisiertes Wissen im öffentlichen Wirtschaftsrecht ist, um solche Fallkonstellationen nicht nur zu verstehen, sondern auch effizient im Mandanteninteresse bearbeiten zu können.

Schlussfolgerung: Compliance ist Pflicht, nicht Kür

Der Fall der Kreissparkasse Heilbronn zeigt erneut in aller Deutlichkeit die zentrale Bedeutung einer funktionierenden, gesetzes- und praxisgerechten Geschäftsorganisation im deutschen Bankensektor. Die Anforderungen des § 25a KWG sind nicht optional, sondern zwingendes Recht. Die BaFin setzt ihren gesetzlichen Auftrag durch – konsequent, sachlich und mit Blick auf die Stabilität des gesamten Finanzsystems.

„Als Berliner Rechtsanwalt im Herzen eines globalisierten Finanzsystems erscheint mir dieser Fall auch als Warnung und zugleich als Lernchance für andere Institute. Die regulatorischen Anforderungen werden nicht einfacher, sondern anspruchsvoller. Wer sie ignoriert, gefährdet nicht nur die Lizenz, sondern langfristig das Vertrauen in die gesamte Branche“, so Dr. Schulte.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 11811 vom 24. September 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich