Vergütungsanzeigepflichten für Wertpapierinstitute im Wandel - Valentin Schulte

Vergütungsanzeigepflichten für Wertpapierinstitute im Wandel

Vergütungsanzeigenpflicht – Transparenz mit Brisanz – Wie sich die Vergütungsregeln für Finanzinstitute neu ordnen. Warum Vergütung kein Betriebsgeheimnis mehr ist – und was das für Bankenjuristen bedeutet.

Millionenvergütungen, Boni trotz Verlusten und das ewige Spannungsfeld zwischen Risiko und Rendite: Was früher interne Angelegenheit von Banken war, steht heute im Fokus europäischer Aufsicht. Seit dem Inkrafttreten der Wertpapierinstitutsvergütungsverordnung (WpIV) und der zugehörigen EU-Regelungen ist klar: Die Vergütungssysteme von Wertpapierinstituten sind nicht mehr nur ein betriebswirtschaftliches Thema – sie sind juristische Pflicht zur Offenlegung und Kontrolle.

Allein im Jahr 2024 wurden durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) über 120 Prüfungen im Zusammenhang mit Vergütungssystemen von Wertpapierinstituten durchgeführt. Der Trend zeigt: Die Aufsicht will wissen, wer wie viel verdient – und warum. Gerade Institute mit einer Bilanzsumme über 100 Mio. Euro geraten dabei unter verschärfte Beobachtung. Im Zentrum stehen Fragen wie:

  • Fördert das Vergütungssystem verantwortungsvolles Handeln?

  • Werden risikoorientierte Vergütungsanteile korrekt strukturiert?

  • Liegen Interessenkonflikte zwischen Management und Anlegerinteresse vor?

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin sieht hierin nicht nur eine technische Regulierungsfrage: „Wir sprechen über eine neue Ethik des Finanzmarkts. Vergütung wird zum Gradmesser für Compliance und Aufrichtigkeit.“

Der rechtliche Wandel ist dabei nicht abgeschlossen. Mit Blick auf die EU-Offenlegungsverordnung, die WpIG und die ESMA-Leitlinien zu Vergütungspraktiken müssen Institute ihre Strukturen nicht nur intern überdenken, sondern auch extern darstellen – gegenüber Aufsichtsbehörden und Öffentlichkeit. Eine Herausforderung mit juristischem Zündstoff, bei der Transparenzpflicht und Reputationsschutz zunehmend Hand in Hand gehen.

Europäische Leitlinien bestimmen den Rahmen

Seit Inkrafttreten der Richtlinie (EU) 2019/2034 – auch als Investment Firm Directive (IFD) bekannt – und ihrer Umsetzung im deutschen Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) haben sich neue Verpflichtungen für Wertpapierinstitute ergeben. Diese betreffen insbesondere die Meldung von Vergütungen für Angestellte, die jährlich eine Gesamtsumme von mindestens einer Million Euro überschreiten. Eine Schwelle, die nicht nur symbolisch, sondern auch regulatorisch bedeutend ist. Die jährlich zu erhebenden Informationen müssen innerhalb strenger Fristen an die Deutsche Bundesbank übermittelt und in weiterer Folge an die europäische Aufsicht, konkret die European Banking Authority (EBA), weitergeleitet werden.

Die EBA hat zu diesem Zweck umfangreiche Leitlinien erlassen, die sowohl die Inhalte als auch die Form der Berichterstattung konkretisieren. Besonders bedeutsam sind hierbei drei zentrale Dokumente: die EBA/GL/2022/06, die sich auf große Wertpapierinstitute sowie auf das geschlechtsspezifische Lohngefälle und höhere variable Vergütungsobergrenzen nach Artikel 94 Abs. 1 lit. g der CRD IV-Richtlinie (2013/36/EU) beziehen, die EBA/GL/2022/07 für mittlere Institute auf Basis der IFD sowie die EBA/GL/2022/08 zur Datenerhebung von Hochverdienern. Diese ersetzen ältere Regelungen und stellen einen Paradigmenwechsel dar – weg von bloßen Aufsichtsberichten hin zu einer tiefgreifenden regulatorischen Kontrolle.

Nationale Umsetzung durch das WpIG und die WpI-AnzV

Die deutsche Antwort auf die europäische Rahmenvorgabe erfolgte durch das Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG), das spätestens seit Juni 2021 die Rechtsgrundlage für Investmentfirmen bildet. Eine präzise Ausgestaltung der Anzeigepflichten wird die Wertpapierinstituts-Anzeigenverordnung (WpI-AnzV) liefern. So weit, so gut – wäre da nicht die zeitliche Divergenz zwischen europäischer Erwartung und nationaler Rechtsumsetzung. Während die EBA unmissverständlich Fristen zum 15. Juni 2025 für die Erhebung und zum 31. Juli 2025 für die Weitergabe fordert, fehlen auf nationaler Ebene bis dato verbindliche Vorgaben.

Diese Lücke schließt eine Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), erstmalig erlassen im Mai 2024, erneut im Rahmen der Konsultation 10/2025 angepasst. Diese Verfügung bietet den Übergang zur finalen Rechtsverordnung. Es ist bemerkenswert, dass solch wesentliche Fragen nicht allein durch das förmliche Gesetz geregelt werden, sondern durch aufsichtsrechtliche Verwaltungsakte. Hier zeigt sich ein strukturelles Spannungsfeld zwischen Parlament und Aufsichtsbehörden.

Meldepflichten im XBRL-Format: Digitalisierung als regulatorische Realität

Ein besonders interessanter Aspekt ist die Umsetzung der Anzeige im obligatorischen XBRL-Format – der Extensible Business Reporting Language. Diese digitale Strukturierung gewährleistet nicht nur Kompatibilität mit europäischen Berichtssystemen, sondern zwingt Unternehmen zur technischen Aufrüstung im Bereich ihrer Berichtsarchitektur. Die Deutsche Bundesbank stellt auf ihrer Website konkrete Hinweise zur gültigen EBA-Taxonomie (aktuell Version 3.2) zur Verfügung.

Die Digitalisierung in der rechtlichen Regulierung von Finanzdienstleistern ist kein futuristisches Schlagwort mehr, sondern lebendige Normenrealität. „Es ist ein bemerkenswerter Schritt hin zu mehr Effizienz, aber auch eine enorme Herausforderung für mittlere Institute“, so Dr. Schulte. Es braucht sowohl juristische Expertise als auch technische Begleitung. Wer sich hier nicht vorbereitet, läuft Gefahr, gegen Meldefristen zu verstoßen – was mit empfindlichen Sanktionen gegenüber Geschäftsleitungen und Compliance-Verantwortlichen geahndet werden kann.

Unterscheidung nach Institutsklasse – Pflichten und Privilegien

Ein zentrales Unterscheidungskriterium der neuen Meldevorgaben ist die Klassifizierung der Institute. Während sogenannte kleine Wertpapierinstitute von den neuen Pflichten ausgenommen bleiben, gelten für mittlere und große Institute gestufte Anforderungen. Diese betreffen sowohl den Umfang als auch die Komplexität der zu meldenden Informationen. Basis dafür sind insbesondere die § 1 Abs. 2 und § 5 WpIG, die sich auf die Größe und Systemrelevanz eines Wertpapierhauses beziehen.

Große Institute sind auch verpflichtet, das Verhältnis zwischen fixer und variabler Vergütung offenzulegen (§ 25 Abs. 5 WpIG). Die Transparenzanforderungen finden ihre Grundlage zudem in §§ 51 bis 53 WpIG sowie in den aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur EBA-Leitlinie. „Diese Rechtssystematik erlaubt es der Aufsicht, gezielt auf Vergütungsexzesse zu reagieren, ohne den Wettbewerb innerhalb der Branche zu untergraben“, so der Rechtsanwalt weiter.

Gleichstellung und Lohntransparenz gewinnen an Bedeutung

Besonders bedeutsam ist auch die Berichtsverpflichtung über das sogenannte Pay Gap, das geschlechtsspezifische Lohngefälle. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Arbeitsrecht, hat aber nunmehr auch in der Finanzaufsicht seinen anerkannten Stellenwert. Die EBA-Leitlinien greifen damit eine gesellschaftliche Debatte auf, die längst über das Berufsfeld der Finanzbranche hinausreicht. Die Offenlegungspflicht bei ungleichen Vergütungen stärkt nicht nur die Compliance-Kultur in Unternehmen, sondern auch den gesellschaftlichen Auftrag der Finanzindustrie, so Dr. Schulte: „Es ist nicht bloß eine aufsichtsrechtliche Pflicht – es ist ein Verfassungsauftrag zur Gleichstellung, verwirklicht durch sekundärrechtliche Vorgaben der EU.“

Hier lohnt sich auch ein Blick in das deutsche Grundgesetz. Nach Art. 3 Abs. 2 GG gilt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Diesen Auftrag setzt der Gesetzgeber zunehmend auch im Kapitalmarktrecht um. Die Meldepflicht zum Gender Pay Gap ist somit kein singuläres Ereignis, sondern eine systematische Annäherung an ein soziales Gleichgewicht.

Ausblick und rechtliche Empfehlungen

Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt

Obwohl die Frist zur Datenmeldung noch mehr als ein Jahr in der Zukunft liegt, sollten sich Institute bereits jetzt vorbereiten. Die Auswahl geeigneter Reporting-Tools, die Schulung des Personals sowie die rechtliche Prüfung der Vergütungsstruktur sind essenzielle Schritte in der praktischen Umsetzung. Nur durch proaktives Handeln lässt sich vermeiden, dass Fristversäumnisse oder Dateninkonsistenzen zu aufsichtsrechtlichen Sanktionen führen.

Ferner besteht die Pflicht zur kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung des internen Vergütungssystems. Hierbei geht es nicht nur um Einzelfälle hoher Vergütung, sondern um die Frage, ob Vergütung und Risikoverhalten des Unternehmens in einem gerechten und nachhaltigen Verhältnis zueinander stehen. Dies ist nicht zuletzt auch ein Gebot verantwortungsvollen Unternehmertums.

Für viele mittelständische Wertpapierinstitute ist die neue Regulierung eine Herausforderung, jedoch auch eine Chance zur Professionalisierung ihrer Governance- und Compliance-Strukturen. „Wer frühzeitig beginnt, hat nicht nur Rechtssicherheit, sondern zeigt auch dem Markt: Wir sind transparent, digital und verantwortungsbewusst“, resümiert Dr. Thomas Schulte.

Fazit: Transparenz ist kein Luxus mehr – sondern Pflicht. Wie sich Finanzinstitute durch Klarheit schützen und Vertrauen aufbauen können

Der europäische Finanzmarkt steht an einem Wendepunkt: Die Vergütungspolitik von Wertpapierinstituten ist längst kein interner Verwaltungsakt mehr, sondern rückt ins Zentrum regulatorischer Aufmerksamkeit. Was früher mit einem Vermerk im Personalbogen erledigt war, wird heute öffentlich, strukturiert und digital überwacht. Für viele Unternehmen bedeutet das: Umdenken – und zwar jetzt.

Die neuen Pflichten zur Vergütungsanzeige im XBRL-Format, die Übermittlung an Bundesbank und EBA sowie die Berichtspflichten zum Gender Pay Gap sind Ausdruck einer tiefgreifenden Regulierungswelle – aber auch einer neuen unternehmerischen Verantwortung. Sie zeigen: Wer am Markt bestehen will, muss nicht nur effizient wirtschaften, sondern auch nachvollziehbar, fair und gesetzeskonform handeln.

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte fasst es zusammen: „Die neue Regulierung zwingt Institute nicht in ein Korsett, sie bietet einen Kompass. Wer ihn nutzt, navigiert sicher durch das komplexe Terrain europäischer Finanzaufsicht.“

Diese Transparenz eröffnet Chancen: für bessere Corporate Governance, für klarere interne Prozesse – und für einen Finanzmarkt, dem die Öffentlichkeit wieder stärker vertrauen kann. Gerade mittelständische Wertpapierinstitute können jetzt durch Weitsicht und strategische Vorbereitung punkten. Es braucht rechtssichere Strukturen, digitale Systeme – und einen juristisch fundierten Blick auf jedes Detail.

Denn eines ist klar: Die Aufsicht schläft nicht. Und sie erwartet, dass auch die Unternehmen wachsam sind. Wer vorbereitet ist, handelt nicht aus Zwang, sondern aus Überzeugung. Und das ist – regulatorisch wie reputationsstrategisch – der beste Schutz in einer zunehmend anspruchsvollen Finanzwelt.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 11498 vom 29. Juni 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich