Weniger Hürden für Investoren: Die BaFin nimmt das Inhaberkontrollverfahren ins Visier. Ein mutiger Vorstoß gegen die deutsche Bürokratie – und ein juristischer Wendepunkt für Investoren und Finanzaufsicht gleichermaßen.
Wer heute Anteile an einem deutschen Finanzunternehmen erwerben will, sieht sich schnell in einem bürokratischen Labyrinth wieder – das Inhaberkontrollverfahren der BaFin gleicht für viele Investoren einem juristischen Hindernislauf. Doch nun soll sich etwas ändern: Mit einem aktuellen Konsultationsentwurf will die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Regeln vereinfachen, entbürokratisieren und praxisnäher gestalten. Was trocken klingt, könnte ein echter Befreiungsschlag sein: Für Beteiligungsvorhaben, Fusionen oder Neugründungen würden damit erhebliche rechtliche Hürden fallen – ohne das Ziel der Kontrolle und Transparenz aus dem Blick zu verlieren.
Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2023 allein in Deutschland über 1.200 meldepflichtige Beteiligungen im Finanzsektor beantragt – Tendenz steigend. Gleichzeitig kritisieren Branchenverbände seit Jahren die langwierigen und oft intransparenten Abläufe. Der vorgelegte BaFin-Entwurf trifft somit einen Nerv: Er könnte Investoren künftig schneller ans Ziel bringen, ohne sie in juristische Endlosschleifen zu schicken. Doch was bedeutet das konkret? Welche neuen Maßstäbe setzt die Aufsicht? Und wo bleibt der Schutz vor Geldwäsche, unerwünschtem Einfluss oder Missbrauch wirtschaftlicher Beteiligungen?
„Wir stehen hier möglicherweise am Beginn einer neuen Ära im deutschen Finanzaufsichtsrecht“, analysiert Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin. Der Entwurf ist mehr als eine Reform – er stellt die Grundfrage: Wie viel Kontrolle ist nötig, wie viel Freiheit ist möglich? Eine Frage, die Juristen wie Investoren gleichermaßen elektrisiert.
Herausforderungen des bisherigen Inhaberkontrollverfahrens
Das bislang bestehende Verfahren zur Inhaberkontrolle, insbesondere bei sogenannten indirekten Erwerbern, war teils überkomplex, langsam und intransparenter als nötig. Diese Verfahren dienten zwar der Sicherstellung der Integrität und Zuverlässigkeit von Anteilserwerbern an regulierten Finanzunternehmen, führten jedoch in der Praxis häufig zu erheblichem Zeitverzug und zunehmendem Frust aufseiten der Erwerber.
Indirekte Anteilseigner, insbesondere solche, die nicht an der Spitze eines erwerbenden Konzernverbunds standen, mussten teilweise umfangreiche, schwer zugängliche Unterlagen liefern. Ebenso war die Prüfung natürlicher Personen aufgrund teils redundanter Nachweise ein wiederkehrendes Problemfeld.
„Die Praxis zeigte, dass die bestehenden Regelungen häufig über ihr Ziel hinausschossen – und dadurch eher eine Eingrenzung gesunder wirtschaftlicher Entwicklung bewirkten als eine angemessene Risikoprüfung“, so die Einschätzung von Dr. Schulte, der seit über zwanzig Jahren Mandanten in aufsichtsrechtlichen Belangen unterstützt.
Ziele und zentrale Inhalte der neuen Verordnung
Der Verordnungsentwurf setzt an genau diesem Punkt an. Die BaFin plant deutliche Erleichterungen bei der Einreichungspflicht bestimmter Dokumente im Rahmen der Inhaberkontrolle. Besonders hervorzuheben ist die Absicht, dass indirekte Erwerber – also Anteilseigner, die nicht an der Konzernspitze stehen, sondern über ein oder mehrere Zwischengesellschaften halten – künftig im Regelfall nur noch eine Erwerbsanzeige einreichen sollen. Weitere Unterlagen, etwa zur Zuverlässigkeit oder finanziellen Leistungsfähigkeit, müssten nur noch bei begründetem Zweifel nachgereicht werden.
Auch der Anwendungsbereich der Verordnung wird erweitert. So sollen in Zukunft Inhaberkontrollverfahren bei Unternehmen, die sich in Liquidation befinden – etwa Leasing- oder Factoringinstitute – auf gewisse Nachweispflichten verzichten können. Schließlich sieht der Entwurf auch eine Straffung bei der Überprüfung von natürlichen Personen vor. Eine Reduktion komplexer Verfahrensanforderungen ohne gleichzeitige Aufgabe der aufsichtsrechtlichen Sorgfaltspflicht ist zweifellos ein schwer zu erreichender Balanceakt.
„Die Herausforderung besteht darin, Rechtssicherheit mit Handhabbarkeit in Einklang zu bringen. Diese Reform zielt genau in diese Richtung“, merkt Dr. Schulte kritisch an.
Das Ziel: Bürokratieabbau ohne Kontrollverlust
Nach Jahren weitreichender Regulierungen und restriktiver Auslegung vieler europäischer Richtlinien ist in Deutschland ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wille zu spüren, wieder mehr unternehmerische Freiheit zu gewähren, ohne die Integrität des Finanzsystems zu gefährden. Es ist kein Zufall, dass sich die BaFin ausdrücklich an Unternehmensvertreter wendet, um diesen Entwurf im Rahmen eines schriftlichen Konsultationsverfahrens zu diskutieren.
Wichtig ist zu verstehen, dass eine moderne Finanzaufsicht nicht rigide Muster durchsetzt, sondern Raum für Differenzierung lässt. Flexibilität in der Anwendung war bislang ein nur selten genutztes Instrument – umso erfreulicher ist die Herausforderung, mit diesem Verordnungsentwurf neue Maßstäbe zu setzen. „Diese Initiative ist Teil eines wünschenswerten Paradigmenwechsels in der Finanzaufsicht – hin zur Qualität und weg von der reinen Quantität regulatorischer Anforderungen“, kommentiert Dr. Schulte.
Hintergrund im Aufsichts- und Kapitalmarktrecht
Die Konsultation berührt unmittelbar zentrale Rechtsbereiche: § 2c des Kreditwesengesetzes (KWG), das als Grundlage für die Beurteilung von Inhaberkontrollen dient, ebenso wie die Inhaberkontrollverordnung (InhKontrollV) in ihrer bisherigen Fassung sollen durch die neue Verordnung angepasst und ergänzt werden. Auch die Anzeigenverordnung (AnzV), die ebenfalls Pflichten für bestimmte Personenanzeigen regelt, ist in Zukunft vom Änderungswillen betroffen.
Nach § 2c KWG hat jede natürliche oder juristische Person, die beabsichtigt, ein bedeutendes Beteiligungsverhältnis an einem Institut zu erwerben, vorher die Absicht gegenüber der BaFin anzuzeigen. Hierbei steht die Einschätzung der persönlichen Zuverlässigkeit, der finanziellen Mittel sowie des Einflusses auf das Institut im Vordergrund.
Die bisherige Praxis war streng und oft praxisfern. Gerade internationale Unternehmensgruppen verzweifelten nicht selten an der deutschen Detailverliebtheit bei der Auslegung dieser Norm. Der neue Entwurf will dies ändern, ohne das gesetzlich vorgegebene Ziel aufzugeben. Dabei ist zu beachten, dass durch die europäische Harmonisierung des Aufsichtsrechts auch das Zusammenspiel mit der CRD-IV-Richtlinie (Capital Requirements Directive) und dem EBA-Leitfaden zu berücksichtigen ist.
Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens als Fortschritt
Besonders hervorzuheben ist die Transparenz, mit der die BaFin diese Konsultation umsetzt. Die Einsender von Stellungnahmen – seien es Verbände, Kanzleien oder Unternehmen – sollen explizit die Möglichkeit haben, einer Veröffentlichung zu widersprechen. Diese Form der Offenheit entspricht dem modernen Verständnis von Verwaltungshandeln und zeigt, dass ein echter Dialog mit dem betroffenen Marktsegment gewünscht ist. Das Bestreben, über die Feedbacks auch die AnzV anzupassen, zeigt, dass es sich nicht um eine bloß symbolische Reform handelt.
Dr. Schulte erklärt dazu: „Derzeit erleben wir eine neue Sensibilität innerhalb der Verwaltung dafür, dass eine präzise und faire Regulierung nur mit den Marktteilnehmern gemeinsam entwickelt werden kann. Es ist im besten Sinne des demokratischen Rechtsstaats, wenn Konsultationsverfahren transparent und vielseitig angelegt werden.“
Chancen durch die neue Regelung für die Praxis
Was bedeutet die Neuerung für die anwaltliche und unternehmerische Praxis? Kanzleien, die sich auf die regulatorische Begleitung von M&A-Transaktionen spezialisiert haben, werden künftig nicht nur effizienter arbeiten können, sondern auch Risiken in der Zeit- und Kostenplanung von Übernahmeprozessen besser kalkulieren können. Unternehmen profitieren durch reduzierte Berichtspflichten und zeitnahe Klarheit über die Rechtslage.
Zwar werden auch unter der neuen Regelung sämtliche Anzeigeverfahren einer kritischen Prüfung unterliegen – doch durch die Entlastung bei der Dokumentation werden insbesondere kleinere Investoren, Start-ups und Innovationsunternehmen verstärkt profitieren. Es ist zu hoffen, dass sich in der Folge ein stimulierendes Investitionsklima entwickeln kann, welches das Vertrauen in den deutschen Finanzplatz stärkt.
Wie geht es weiter? Handlungsempfehlungen für Betroffene
Unternehmen und Investoren, die häufiger mit Beteiligungsanzeigen konfrontiert sind, sollten den Konsultationsprozess nicht tatenlos verfolgen. Die Möglichkeit, bis zum 5. Juni 2025 Stellungnahmen einzureichen, hätte aktiv genutzt werden können, um praktische Hinweise zur weiteren Verbesserung der Verordnung beizusteuern. In der anwaltlichen Beratungspraxis wird durch proaktiven Input ein großer Beitrag zur Verbesserung künftiger regulatorischer Prozesse geleistet – denn wer seine Stimme nicht erhebt, muss später mit Regelungen leben, die an der Praxis vorbeigehen.
Ein eindrucksvolles Beispiel aus der bisherigen Praxis zeigt, wo der Schuh drückt: Ein mittelständisches Family-Office wollte im Jahr 2022 Beteiligungen an zwei Wertpapierinstituten erwerben. Trotz klarer Eigentümerstruktur und vollständiger Unterlagen zog sich das Inhaberkontrollverfahren über acht Monate hin – mit jeder Rückfrage seitens der BaFin begann der Prüfprozess de facto neu. Die Transaktion verzögerte sich, Projektfinanzierungen gerieten ins Wanken, und die Unsicherheit auf der Investorenseite nahm spürbar zu. Der wirtschaftliche Schaden: erheblich.
Hier könnte die geplante Vereinfachung Abhilfe schaffen: Der neue Entwurf sieht unter anderem abgestufte Anforderungen je nach Risikoprofil des Erwerbers vor, eine verbesserte Nutzung digitaler Übermittlungssysteme sowie mehr Rechtssicherheit durch verbindliche Fristen. Würde ein vergleichbarer Fall künftig unter diese neuen Bedingungen fallen, könnte das Verfahren innerhalb weniger Wochen abgeschlossen sein – mit klaren Vorgaben, einer transparenten Kommunikation und digital unterstützten Prüfmechanismen. Ein echter Fortschritt im Sinne aller Beteiligten.
Zudem empfiehlt es sich für Unternehmen, ihre internen Compliance- und Rechtsabteilungen frühzeitig auf die geplanten Änderungen vorzubereiten. Eine Evaluierung der internen Prozesse zur Beteiligungsprüfung (etwa auf Konzernebene) kann helfen, bereits jetzt Übergangsmaßnahmen zu identifizieren und langfristige Strukturen effizient und regelkonform zu gestalten. Gerade in internationalen Konzernstrukturen, in denen Beteiligungsentscheidungen regelmäßig grenzüberschreitend koordiniert werden müssen, kann eine rechtssichere und zügige Umsetzung der neuen Vorgaben strategische Vorteile sichern – und nicht zuletzt die Attraktivität des deutschen Finanzplatzes nachhaltig stärken
Fazit: Ein Schritt in Richtung Effizienz und Vertrauen
Die geplante Verordnung zeigt, dass Regulierungsbehörden durchaus lernfähig sind und bereit, die Spielregeln des Finanzmarkts neu zu justieren, ohne die Integrität preiszugeben. Der Wille der BaFin zur Vereinfachung und zum Dialog ist ein bedeutendes Signal an die Marktteilnehmer. Entscheidend wird jedoch die konkrete Umsetzung sein – insbesondere, wie die neuen Regelungen in der Verwaltungspraxis interpretiert und angewandt werden.
Dr. Schulte betont abschließend: „Als Rechtsanwalt mit jahrzehntelanger Erfahrung im Finanzaufsichtsrecht sehe ich in der Neuausrichtung des Inhaberkontrollverfahrens eine richtungweisende Maßnahme, die Vertrauen schafft und den deutschen Finanzstandort wieder ein Stück attraktiver macht.“