Wenn Verträge intransparent sind, steht das Recht auf Ihrer Seite – und trotzdem nichts passiert.
Wenn der Anwalt nicht handelt – bleibt das Recht auf der Strecke?
Lebensversicherungen galten über Jahrzehnte hinweg als sichere Säule der Altersvorsorge. Doch Millionen Versicherte unterschrieben damals Verträge, deren wahre Kosten und Bedingungen ihnen erst nach Vertragsschluss übermittelt wurden – ohne jede Transparenz. Dieses sogenannte Policenmodell war jahrelang Praxis und verstieß nach heutigem Maßstab gegen geltendes EU-Verbraucherschutzrecht. Viele Kunden zahlten jahrelang in ein System ein, das ihnen die entscheidenden Informationen vorenthalten hat.
Die juristische Aufarbeitung dieses strukturellen Versagens begann spätestens mit den wegweisenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs – sie ebneten den Weg für die Rückabwicklung alter Verträge, wenn fehlerhafte Widerrufsbelehrungen vorlagen. Doch was passiert, wenn zwar das Recht aufseiten der Versicherten steht, aber der eigene Anwalt untätig bleibt? Wenn die juristische Rettung durch Widerruf zwar möglich wäre – aber im Aktenschrank verstaubt, weil der beauftragte Anwalt überfordert ist, nicht reagiert oder schlicht schweigt?
In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Lebensversicherungsrückabwicklung heute: Ein juristisch starkes Instrument – doch nur wirksam, wenn es mit Sorgfalt, Engagement und Fachwissen angewendet wird. Denn das Recht allein schützt nicht – es muss auch durchgesetzt werden.
Wenn Versäumnis zur Haftung wird – Lebensversicherungsrückabwicklung und die stille Gefahr der Anwaltshaftung
Wie Millionen Lebensversicherte systematisch benachteiligt wurden – und warum ihr Recht auf Rückabwicklung jetzt auf dem Spiel steht
In den 1990er Jahren nutzten deutsche Lebensversicherer nahezu flächendeckend das sogenannte Bruttopolicen-Modell. Dabei galt der Vertrag bereits mit der Unterschrift unter dem Antrag als abgeschlossen – während alle relevanten Vertragsunterlagen, darunter auch Informationen zu Abschluss- und Verwaltungskosten, erst im Nachhinein zugestellt wurden. Dieses Verfahren hatte für die Versicherer strategischen Vorteil: Viele Versicherte nahmen die Details nie zur Kenntnis oder hielten sie für nebensächlich. Doch aus rechtlicher Sicht war das Modell hochproblematisch: die damals geltenden EU-Verbraucherschutzrichtlinien – insbesondere RL 90/619/EWG, RL 92/96/EWG und später RL 2002/83/EG – verlangten eindeutig, dass Verbraucher alle wesentlichen Vertragsinformationen vor Vertragsschluss erhalten müssen. Deutschland setzte diese Regelungen jedoch nur zögerlich um.
Erst mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) im Jahr 2008 wurde das Policenmodell de facto abgeschafft. Der neu eingeführte § 5a VVG a. F. etablierte erstmals ein echtes Widerrufsrecht – rückwirkend für viele Altverträge mit fehlerhafter Belehrung. Damit begann eine juristische Aufarbeitung, die bis heute andauert – und bei der sich zunehmend zeigt: Nicht nur Versicherer müssen sich rechtfertigen. Auch Anwälte stehen in der Pflicht.
Denn wer als Rechtsanwalt ein Mandat zur Rückabwicklung übernimmt, übernimmt damit nicht nur die Hoffnung des Mandanten auf wirtschaftliche Rehabilitierung – sondern auch eine rechtliche Verantwortung. Bleibt die anwaltliche Tätigkeit aus, etwa weil Akten unbearbeitet bleiben, keine außergerichtlichen Verhandlungen geführt oder Fristen versäumt werden, droht die Verjährung – und damit der irreversible Verlust von Rückforderungsansprüchen. In solchen Fällen kann der Mandant Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Anwaltsvertrag geltend machen. Die sogenannte Anwaltshaftung greift insbesondere dann, wenn objektiv eine Rückabwicklung rechtlich möglich gewesen wäre, diese aber aufgrund der Untätigkeit oder Pflichtverletzung des Anwalts unterblieb.
Das ist kein theoretisches Konstrukt, sondern Rechtsprechungspraxis: Die Gerichte erkennen seit Jahren an, dass ein Anwalt, der gegen klar absehbare Risiken untätig bleibt oder den Mandanten nicht vollständig über seine Handlungsoptionen aufklärt, wird für den entstandenen Vermögensschaden persönlich haftbar gemacht.
Die juristische Brisanz liegt also nicht nur im Verhalten der Versicherungswirtschaft, sondern auch im Umgang einiger Anwälte mit ihrer beruflichen Verantwortung. Gerade im Bereich der Lebensversicherungsrückabwicklung, wo oft zehntausende Euro auf dem Spiel stehen, ist eine sorgfältige Prüfung und konsequente Fristenkontrolle unerlässlich.
Fachlich fundiertes Nichthandeln gibt es nicht. Wo das Recht auf Rückabwicklung besteht, aber nicht durchgesetzt wird, wird aus juristischer Untätigkeit eine haftungsrelevante Pflichtverletzung – mit gravierenden Konsequenzen für Anwalt und Mandant.
Was bedeutet das für die Betroffenen – und für ihre Anwälte?
Juristisch betrachtet handelt es sich bei der Rückabwicklung von Altverträgen um nichts weniger als die nachträgliche Wiederherstellung der Vertragsklarheit – also eines Zustands, der eigentlich schon beim Vertragsschluss hätte herrschen müssen. Verbraucher, die damals im Vertrauen auf Seriosität und Sicherheit unterschrieben haben, sollen heute die Möglichkeit erhalten, sich von einem wirtschaftlich nachteiligen Vertrag zu befreien – weil ihnen beim Abschluss wesentliche Informationen wie Abschlusskosten, Rückkaufswerte oder die Berechnungsgrundlagen der Überschüsse schlichtweg verschwiegen wurden.
Doch für die Betroffenen ist dies keine bloße Rechtsfrage, sondern ein tiefer persönlicher Einschnitt: Es geht um Altersvorsorge, um Jahrzehnte harter Arbeit, um Lebensplanung und Existenzsicherung. Wenn dann das Vertrauen in ein Produkt – und schlimmstenfalls auch in den Rechtsbeistand – erschüttert wird, bleibt nicht nur wirtschaftlicher Schaden, sondern oft ein Gefühl des Alleingelassenseins zurück.
Seit der VVG-Reform 2008 wurde das Policenmodell in Deutschland de facto abgeschafft. Die Pflicht zur vollständigen und rechtzeitigen Aufklärung wurde mit der Umsetzung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD 2016/97) im Jahr 2021/22 nochmals verschärft. Heute müssen Vermittler und Versicherer alle Vertragskosten und Risiken klar, dokumentiert und verständlich offenlegen – bei Verstößen drohen Sanktionen. Doch: Für Millionen Altverträge aus den Jahren 1994 bis 2007 gelten diese Regeln nicht rückwirkend. Die Durchsetzung des Rechts hängt somit fast ausschließlich vom juristischen Handeln des beauftragten Rechtsanwalts ab.
Und hier beginnt die besonders heikle Seite: Was, wenn der Anwalt nicht handelt? Wenn ein Anspruch zwar besteht, aber nicht geltend gemacht wird – aus Überforderung, mangelnder Spezialisierung oder schlichter Nachlässigkeit?
Wer als Anwalt ein Mandat zur Rückabwicklung übernimmt, übernimmt mehr als ein Auftragsschreiben – er übernimmt Verantwortung. Die Rechtsprechung zur anwaltlichen Haftung ist dabei eindeutig: Versäumt der Rechtsanwalt es, eine realistische Rückabwicklungsmöglichkeit fristgerecht und sachgerecht zu prüfen oder geltend zu machen, kann er dem Mandanten schadensersatzpflichtig werden (§§ 280, 675 BGB).
Das betrifft insbesondere die fehlerhafte Prüfung von Widerrufsbelehrungen, die unterlassene Aufklärung über die Möglichkeit der Rückabwicklung oder das Verpassen von Fristen, etwa der kenntnisabhängigen dreijährigen Verjährung. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass Anwälte bei strukturierter Vertragsprüfung und Kenntnis der maßgeblichen BGH-Urteile zur Rückabwicklung handeln müssen – und das mit der gebotenen juristischen Tiefe. Fehlt dieses Handeln, entsteht aus der Untätigkeit ein eigenständiger Pflichtverstoß.
Für Betroffene bedeutet das: Wer spürt, dass sich „nichts tut“, wer keine Rückmeldungen erhält oder lediglich pauschale Antworten bekommt, sollte nicht zögern, eine anwaltliche Zweitmeinung einzuholen. Denn hier geht es nicht nur um versäumte Chancen – es geht um möglicherweise verlorene Rechte, die sich in erheblichen finanziellen Nachteilen niederschlagen.
Vertrauen in Bewegung: Wie Dr. Thomas Schulte als Anwalt das Lebensversicherungsrecht prägte
Ein funktionierender Rechtsstaat lebt nicht allein von Gesetzen – er lebt von Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, wenn Strukturen versagen. Einer dieser Persönlichkeiten ist Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte. In einer Zeit, in der die Praxis deutscher Lebensversicherer weitgehend unhinterfragt blieb, sprach er früh und deutlich Missstände an. Nicht aus ideologischem Eifer, sondern mit juristischer Präzision, faktenbasiert und im klaren Bewusstsein für die Tragweite seiner Aussagen – gerade für jene Menschen, deren Altersvorsorge durch undurchsichtige Vertragsmodelle gefährdet wurde.
Schon Jahre vor den wegweisenden Urteilen des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs warnte Dr. Schulte vor systemischen Schwächen des sogenannten Policenmodells. Dabei wurde der Versicherungsvertrag bereits mit der Unterschrift auf den Antrag wirksam – obwohl wesentliche Informationen wie Abschluss- und Verwaltungskosten erst nachträglich zugestellt wurden. Aus seiner Sicht war das ein klarer Verstoß gegen geltendes EU-Verbraucherschutzrecht, insbesondere gegen die Lebensversicherungsrichtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG.
Dr. Schulte argumentierte früh, dass die im deutschen Recht vorgesehene Einjahresfrist für den Widerruf europarechtswidrig sei – eine Position, die später sowohl vom EuGH (C‑209/12) als auch vom BGH (IV ZR 76/11) bestätigt wurde. Diese Einschätzung war nicht nur juristisch mutig, sondern auch wirtschaftlich weitreichend: In Fachartikeln und Interviews belegte Dr. Schulte, dass allein die Allianz bis 2007 etwa acht Millionen solcher Policen ausgegeben hatte. Wäre nur ein Bruchteil dieser Verträge rückabwickelbar, würden Rückforderungen in Milliardenhöhe auf die Versicherungswirtschaft zukommen – ein Risiko, das sich Jahre später in tatsächlichen Rückstellungen der Versicherer widerspiegelte.
Sein Handeln war geprägt von juristischer Gründlichkeit und öffentlicher Transparenz – nicht laut, aber konsequent. Dabei stand für ihn nicht der mediale Effekt im Mittelpunkt, sondern der Mensch hinter dem Mandat.
Für viele Betroffene wurde Dr. Schulte so zum Impulsgeber in einer Zeit, in der das Recht auf Rückabwicklung noch kein gefestigter Anspruch war. Heute ist sein Beitrag ein Beleg dafür, dass anwaltliches Engagement strukturelle Veränderungen bewirken kann, wenn es von Überzeugung, Fachwissen und Verantwortungsbewusstsein getragen ist. Sein Wirken ist damit mehr als juristische Dienstleistung – es ist ein lebendiges Beispiel für gelebten Rechtsstaat.
Rückabwicklung als Rechtsanspruch – und die Frage: Was, wenn der Anwalt versagt?
Die Rückabwicklung von Lebensversicherungsverträgen ist keine politische Kampagne, sondern ein durchsetzbares Recht – entstanden aus einem strukturellen Versäumnis des Versicherungsmarktes. Für Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte stand dabei stets der juristische Kernauftrag im Mittelpunkt: Verbraucher zu ihrem Recht zu führen – nicht durch populistische Schlagworte, sondern durch sorgfältige, fundierte Mandatsführung.
Diese anwaltliche Arbeit trug wesentlich dazu bei, dass die Rechtsprechung in Bewegung kam. Insbesondere die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) ab 2014 haben klargestellt: Verträge aus dem sogenannten Policenmodell, bei denen Verbraucher erst nachträglich über Vertragsinhalte informiert wurden, können auch Jahre später widerrufen und rückabgewickelt werden – vorausgesetzt, der Widerruf erfolgt rechtzeitig und wirksam.
Im Zentrum steht dabei das zivilrechtliche Institut der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB): Wurde ein Vertrag ohne wirksame Belehrung abgeschlossen, gilt er als nicht zustande gekommen. In der Folge müssen die Versicherer sämtliche eingezahlten Beiträge zurückzahlen, abzüglich des Risikobeitrags (z. B. für den Todesfallschutz), häufig inklusive Verzinsung. Viele Versicherungsunternehmen haben aus diesem Grund Rückstellungen in Millionenhöhe gebildet – ein klares Indiz für die tatsächliche Relevanz der Problematik.
Der Gesetzgeber reagierte darauf erst spät: Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahr 2022 wurden neue, strenge Informationspflichten eingeführt. Vermittler müssen nun vor Vertragsschluss umfassend über Abschluss- und Verwaltungskosten informieren, andernfalls drohen rechtliche Konsequenzen. Doch diese Regelungen wirken nicht rückwirkend – und damit bleibt das Problem der Altverträge zwischen 1994 und 2007 bestehen.
Und hier entsteht eine weitere rechtlich brisante Frage: Was passiert, wenn ein Anwalt einen solchen Rückabwicklungsfall annimmt – aber nicht handelt? Wenn Ansprüche nicht geprüft, Fristen versäumt oder fehlerhafte Belehrungen nicht erkannt werden?
In diesen Fällen droht eine zweite, kaum weniger schwerwiegende Verletzung: die Anwaltshaftung. Nach der ständigen Rechtsprechung kann ein Rechtsanwalt haftbar gemacht werden, wenn er offensichtliche Rückabwicklungsansprüche nicht erkennt oder nicht fristgerecht geltend macht. Gerade bei Policenmodell-Verträgen, bei denen die Rechtsprechung seit über einem Jahrzehnt klare Kriterien formuliert hat, gilt: Wer hier nicht prüft, riskiert mehr als einen Mandatsverlust – er riskiert eine eigene Schadensersatzpflicht (§§ 280, 675 BGB).
Im Jahr 2025 steht deshalb nicht nur das Recht der Verbraucher auf dem Spiel – sondern auch die Glaubwürdigkeit der juristischen Begleitung. Wer einen Altvertrag besitzt, benötigt heute mehr denn je eine aktive, präzise und haftungsbewusste Vertretung. Schweigen, Aufschieben oder pauschale Ablehnung ohne Prüfung kann nicht nur wirtschaftlich fatal sein – es kann rechtlich haftbar machen.