Verbotene Übernahmeangebote und die Rolle der BaFin - Dr Thomas Schulte

Verbotene Übernahmeangebote und die Rolle der BaFin

Verbotene Übernahmeangebote: Wenn die BaFin den Stecker zieht. Darf ein Unternehmen einfach zum Börsenjäger werden? Wie weit reicht das Eingriffsrecht der BaFin – und was bedeutet das für Aktionäre, Investoren und den Kapitalmarkt?

Stellen Sie sich vor: Ein Unternehmen plant den großen Coup – ein öffentliches Übernahmeangebot für eine börsennotierte Gesellschaft. Die Weichen sind gestellt, die Strategie liegt auf dem Tisch, doch dann greift die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein – und stoppt den Vorgang per Untersagungsverfügung. Kein Spielraum, kein Kompromiss. Genau das ist jüngst der CAUSA Verwaltungs GmbH in München passiert, als sie Aktien der Mutares SE & Co. KGaA übernehmen wollte. Die BaFin verweigerte kurzerhand die Veröffentlichung und Durchführung – gestützt auf § 15 Abs. 1 WpÜG.

Was steckt dahinter? Welche Kriterien muss ein Übernahmeangebot eigentlich erfüllen? Und wo endet unternehmerische Freiheit, wo beginnt die Pflicht zur Ordnung auf dem Kapitalmarkt?

Der Fall wirft eine Vielzahl juristischer Fragen auf – nicht nur zur Reichweite der BaFin, sondern auch zur Verantwortung von Marktakteuren in einer Zeit, in der schnelle Finanzmanöver längst nicht mehr automatisch mit Legitimität gleichzusetzen sind. Für Anleger, Anwälte und Insider zeigt dieser Fall: Übernahmeangebote sind keine Spielwiese für Strategen, sondern rechtlich hochkomplexe Verfahren mit erheblichen Haftungsrisiken.

Wer darf kaufen? Wer darf blockieren? Und was passiert, wenn Aufsicht und Akteur in offenen Konflikt geraten? Willkommen in der Grauzone zwischen Kapitalmacht und Rechtskontrolle – wo das WpÜG nicht nur Buchstabe, sondern Bollwerk ist.

Die aufsichtsrechtliche Grundlage – § 15 WpÜG im Fokus

Der § 15 Abs. 1 WpÜG bestimmt ausdrücklich: „Wird ein Angebot ohne die erforderliche Veröffentlichung eines Angebotsdokuments bekannt gemacht oder durch die Angebotsunterlage gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, so kann die Bundesanstalt das Angebot untersagen.“

Die Norm dient dem Schutz der Marktintegrität ebenso wie dem Schutz der Anleger und Aktionäre. Denn ein öffentlicher Erwerb von Wertpapieren ohne transparente und geprüfte Angebotsunterlage kann erhebliche Verwerfungen am Kapitalmarkt und erhebliche Informationsasymmetrien zur Folge haben.

CAUSA Verwaltungs GmbH hatte laut der Veröffentlichung vom 11. Juni 2025 weder ein genehmigtes Angebotsdokument bei der BaFin eingereicht noch ein solches veröffentlicht. Damit wurde gegen fundamentale Grundsätze des WpÜG verstoßen. Die BaFin ist folgerichtig eingeschritten und hat das Angebot untersagt – eine Maßnahme, die sofort vollziehbar, jedoch noch nicht bestandskräftig ist. Trotzdem bleibt festzuhalten: Dieser Schritt verdeutlicht das konsequente Handeln der Aufsicht im Dienste eines funktionierenden Kapitalmarktes.

Die Funktion des Angebotsdokuments

Ein zentrales Element im Übernahmeverfahren nach dem WpÜG ist das sogenannte Angebotsdokument. Es dient zur Information der Aktionäre über die Einzelheiten des Angebots und enthält unter anderem Angaben zur Identität des Bieters, zur Herkunft der Mittel, zur Gegenleistung und zu den strategischen Absichten nach der Übernahme. Ohne ein geprüftes Dokument kann keine sachgerechte Entscheidung der adressierten Aktionäre erfolgen.

„Die Pflichten rund um das Angebotsdokument sind essenziell, um Transparenz und Gleichbehandlung der Aktionäre sicherzustellen“, erläutert Dr. Thomas Schulte. „Wer sich darüber hinwegsetzt, gefährdet nicht nur das Vertrauen in die Kapitalmärkte, sondern verstößt auch gegen zwingende gesetzliche Vorschriften.“

Folgen für die Praxis – ein Signal an Marktteilnehmer

Die Untersagung der BaFin ist nicht isoliert zu betrachten, sondern richtungsweisend für künftige Erwerbsvorgänge im deutschen Finanzmarkt. Sie bekräftigt, dass auch kleinere Marktteilnehmer oder Gesellschaften, die sich auf individuelle Modelle des Anteilserwerbs stützen, nicht vom Regelungsregime des WpÜG ausgenommen sind.

Ob ein Erwerbsangebot privaten oder öffentlichen Charakter haben soll, ist entscheidend für den Anwendungsbereich des Gesetzes. Sobald jedoch eine Bekanntmachung in einem Medium erfolgt, das potenziell eine Vielzahl von Aktionären erreicht – wie etwa der Bundesanzeiger –, liegt ein öffentliches Angebot vor. Der Bekanntmachungsort in diesem Fall deutet eindeutig auf eine breite Streuung hin und löst deshalb die Verpflichtungen nach dem WpÜG aus.

Anfechtung und Rechtsmittel – was nun für CAUSA Verwaltungs GmbH?

Da die Maßnahme der BaFin bisher nicht bestandskräftig ist, steht der CAUSA Verwaltungs GmbH der Rechtsweg offen. Möglich erscheint insbesondere eine Anfechtung der Untersagungsverfügung vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, weil die BaFin dort ihren Sitz hat. Entscheidend in diesem Fall wird die Argumentation sein, ob tatsächlich ein öffentliches Angebot im Sinne des § 2 Abs. 1 WpÜG vorlag und ob gegebenenfalls Ausnahmen nach § 35 oder § 36 WpÜG zu berücksichtigen sind.

„Die juristische Durchdringung solcher Fallkonstellationen setzt tiefgreifende Kenntnisse im Kapitalmarktrecht voraus“, erklärt Dr. Schulte. „Der Teufel liegt hier im Detail: ob beispielsweise dokumentationspflichtige Angebote über andere Gesellschaften oder Treuhandkonstruktionen erfolgen, wie die Kommunikation ablief und ob möglicherweise bestehende Ausnahmetatbestände greifen.“

Compliance und Prävention – Lernen aus dem Fall

Aus anwaltlicher Sicht bietet dieser Fall zahlreiche Lernchancen für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Wer ein öffentliches Erwerbsangebot starten möchte, muss nicht nur seine wirtschaftliche Strategie im Blick haben, sondern auch die juristische Umsetzung. Die frühzeitige Einbindung eines versierten Kapitalmarktrechtlers kann nicht nur rechtliche Risiken minimieren, sondern auch das Gelingen des gesamten Prozesses absichern.

Praxisrelevant ist insbesondere die sorgfältige Erstellung des Angebotsdokuments gemäß § 11 WpÜG. Dieses muss von der BaFin genehmigt werden, bevor es veröffentlicht werden darf. Eine Angebotsveröffentlichung ohne vorangegangene Genehmigung ist rechtswidrig und führt – wie im vorliegenden Fall – zur Untersagung durch die BaFin.

Ein vollständiges Dokument ist kein bloß formaler Akt, sondern hat inhaltliche Anforderungen. Es muss etwa Angaben über die Finanzierung des Kaufangebots enthalten, etwaige gesellschaftsrechtliche Verknüpfungen mit dem Zielunternehmen offenlegen und die beabsichtigten strukturellen Veränderungen nach dem Erwerb skizzieren. Wer dies ignoriert, handelt grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich.

Rechtssicherheit – ein wichtiger Standortfaktor

Deutschland gilt im internationalen Vergleich als solider und vorhersehbarer Kapitalmarktstandort. Dass Aufsichtshandeln auch durchgesetzt wird, stärkt das Vertrauen von Investoren und Marktteilnehmern. Der Fall CAUSA Verwaltungs GmbH ist deshalb auch Ausdruck gelebter Rechtssicherheit. Nur durch klar geregelt ablaufende Übernahmeprozesse lässt sich ein tragfähiges Kapitalmarktumfeld schaffen.

Wir haben in Deutschland ein differenziertes Regelungsgefüge, das Unternehmen Sicherheit bietet – wenn sie sich daran halten“, sagt Dr. Thomas Schulte. „Wer sich aber am Rand oder gar außerhalb dieser Regeln bewegt, riskiert nicht nur Sanktionen, sondern auch erheblichen Reputationsverlust.“

Juristische Konsequenzen – nicht nur aufsichtsrechtlicher Natur

Die Missachtung der Vorschriften des WpÜG kann nicht nur zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen wie der Untersagung führen, sondern auch zivilrechtliche Ansprüche nach sich ziehen. Aktionäre, die durch unseriöse Angebote zum Handeln verleitet wurden, könnten Schadensersatzansprüche geltend machen. Ebenfalls denkbar sind strafrechtliche Ermittlungen nach dem WpHG (Wertpapierhandelsgesetz), sofern über eine missbräuchliche Veröffentlichung Marktmanipulation vermutet wird.

Insofern ist die rechtliche Aufarbeitung solcher Vorgänge umfangreich. Insbesondere Kapitalgesellschaften mit geplanter Expansionsstrategie sollten Übernahmen rechtssicher gestalten und sich professionell begleiten lassen.

Fazit – klare Regeln, klare Folgen

Der Fall CAUSA Verwaltungs GmbH zeigt, wie wichtig transparente Regeln im Bereich der Unternehmensübernahmen sind. Die BaFin hat mit ihrer Entscheidung Richtlinien gesetzt und deutlich gemacht, dass Unregelmäßigkeiten nicht toleriert werden. Für alle Beteiligten am Kapitalmarkt ist das ein deutliches Signal.

Wir leben in einem Wirtschaftsraum, in dem Vertrauen auf Information basiert“, resümiert Dr. Thomas Schulte. „Wenn Marktteilnehmer ohne genehmigtes Dokument handeln, wird diese Vertrauensbasis erschüttert. Das kann und darf die BaFin nicht zulassen. Gleichzeitig müssen Unternehmen verstehen, dass juristische Beratung kein Luxus ist, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor.“

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 11729 vom 7. August 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich