Regulierung mit Nachdruck: Warum die BaFin bei der AKBANK AG keine Toleranz mehr zeigt. Wenn Compliance zum Prüfstein wird – und die Finanzaufsicht klare Kante zeigt, stellt sich die Frage: Sind deutsche Banken ausreichend gerüstet?
Mit über 1.700 Banken unter deutscher Aufsicht und mehr als 6.200 Verdachtsmeldungen wegen Geldwäsche allein im Jahr 2024 (Quelle: FIU/BaFin), rücken nicht nur FinTechs, sondern zunehmend klassische Institute in den Fokus der Aufsichtsbehörden. Der aktuelle Fall der AKBANK AG ist dabei kein Betriebsunfall – sondern ein Weckruf. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat gegen das in Deutschland tätige Institut drastische aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergriffen: wegen schwerwiegender Mängel bei interner Kontrolle, Compliance-Überwachung und der Pflicht zur Verhinderung von Geldwäsche.
Doch wie konnte es so weit kommen – und was sagt dieser Eingriff über die Risikokultur und Aufsichtspraxis deutscher Banken aus? Hat sich das Risikomanagement großer Institute von der Realität entfernt? Und wie weit reicht die juristische Verantwortung des Vorstands, wenn systemische Kontrolllücken offengelegt werden?
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte, Experte für Bankenaufsichts- und Kapitalmarktrecht, sieht in diesem Fall ein Zeichen für eine neue Ära der Finanzaufsicht: „Die BaFin sendet ein unmissverständliches Signal: Die Zeiten symbolischer Prüfvermerke sind vorbei. Wer seine gesetzlich verankerten Pflichten ignoriert, wird nicht nur gerügt, sondern restriktiv reguliert.“
Einordnung der Sanktionen
Am 6. November 2024 erließ die BaFin einen bestandskräftigen Verwaltungsakt gemäß § 130 Abs. 1 OWiG, dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, mit dem ein Bußgeld in Höhe von insgesamt 37.500 Euro gegen die AKBANK AG festgesetzt wurde. Bemerkenswert an diesem Schritt ist nicht nur die Sanktion an sich, sondern auch, dass sie wegen Versäumnissen beim Umgang mit Organisationspflichten verhängt wurde – ein zunehmend in den Fokus rückender Bereich der Bankenaufsicht. Dr. Schulte erklärt dazu: „Die effektive Unternehmensorganisation ist das Rückgrat jeder soliden Bankaufsicht. Wenn hier schwerwiegende Mängel vorliegen, gefährdet das nicht nur die Kundeninteressen, sondern auch die Stabilität des gesamten Finanzsystems.“
Noch wesentlich gravierender fiel die zweite Sanktionsmaßnahme vom 31. März 2025 aus. Die BaFin verhängte ein Bußgeld in Höhe von 395.000 Euro wegen verschiedener Verstöße gegen kapitalmarktrechtliche Verpflichtungen. Gemäß § 83 Abs. 5 WpHG in Verbindung mit Art. 76 Abs. 8 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 sowie Art. 16 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) wurde festgestellt, dass die AKBANK AG ihren Kunden nicht mitgeteilt hatte, dass Telefongespräche fünf Jahre lang aufgezeichnet und gespeichert wurden. Noch schwerwiegender erscheint jedoch, dass keinerlei effektives System zur Identifikation potenzieller Marktmanipulation existiert.
Kapitalmarktrechtliche Pflichten ernst nehmen
Dr. Thomas Schulte betont in diesem Zusammenhang: „Insbesondere im Bereich des Kapitalmarktes ist Transparenz oberstes Gebot.“ Die Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung verpflichten insbesondere Kapitaldienstleister dazu, über wirksame Verfahren zu verfügen, um verdächtige Transaktionen frühzeitig zu erkennen und unverzüglich zu melden. Dies dient nicht nur dem Anlegerschutz, sondern hat auch eine gesamteuropäische Dimension im Kampf gegen Insiderhandel und Marktmanipulation.
Die einschlägige Norm, Art. 16 MAR, schreibt in Absatz 2 unmissverständlich vor:
„Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Personen, die berufliche Tätigkeiten ausüben, durch die sie Zugang zu Insiderinformationen erhalten, geeignete Regelungen und Verfahren vorhalten, um jede Art von Marktmissbrauch zu verhindern, zu erkennen und an die zuständigen Behörden weiterzuleiten.“
Dass AKBANK AG in diesem sensiblen Bereich völlig unvorbereitet wirkte, sorgte nicht nur für Erstaunen in Branchenkreisen, sondern rief zu Recht die BaFin auf den Plan. Es zeigt sich, dass die bloße Existenz von Richtlinien nicht reicht, sondern deren tatsächliche Umsetzung von den Aufsichtsbehörden streng überwacht wird.
Erheblicher Mangel im Bereich der Unternehmensorganisation
Die wohl deutlichste Reaktion der BaFin erfolgte im Januar 2025. Die Aufsicht erließ auf Grundlage des § 25a Abs. 2 KWG sowie §§ 51 Abs. 2 GwG umfangreiche Anordnungen gegenüber AKBANK AG, um festgestellte „zahlreiche Mängel“ in der Aufbau- und Ablauforganisation des Kreditinstituts zu beseitigen. Ein besonderer Schritt: Die Bestellung eines Sonderbeauftragten, der das Haus bei der Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Erwartungen begleiten und gleichzeitig Bericht an die Aufsicht erstatten soll.
§ 25a KWG stellt klar:
„Ein Institut hat eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation zu gewährleisten, bei der insbesondere angemessene interne Kontrollverfahren gewährleistet sind.“
Dr. Schulte führt aus: „Die Bestellung eines Sonderbeauftragten ist für jedes Institut ein Weckruf und Ausdruck schwerwiegender struktureller Mängel. Sie dient nicht nur der ‘Nachhilfe’, sondern ist auch klarer Ausdruck des Vertrauensverlustes der Aufsicht in die Institution.“
Darüber hinaus ordnete die BaFin erhöhte Eigenmittelanforderungen gemäß § 10 KWG an. Die AKBANK AG muss somit ihre Kapitalausstattung dauerhaft stärken, um das Misstrauen der Aufsicht auszugleichen. Dies ist nicht nur eine aufsichtsrechtliche Maßnahme, sondern wirkt sich unmittelbar auf die Refinanzierungskosten, die Risikobewertung durch andere Marktteilnehmer und letztlich auch auf das operative Geschäft der Bank aus.
Kombination mehrerer Regelwerke: ein komplexes Zusammenspiel
Wie so häufig im Bankaufsichtsrecht greifen auch hier mehrere gesetzliche Regelkomplexe ineinander. Einerseits finden sich Bußgeldvorschriften im OWiG, andererseits spiegeln Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung und Delegierten Verordnungen der EU fundamentale kapitalmarktrechtliche Grundprinzipien wider. Hinzu kommt das aufbauorganisatorisch orientierte Kreditwesengesetz sowie das Geldwäschegesetz, welches insbesondere im Hinblick auf die organisatorische Ausstattung von Instituten klare Maßstäbe setzt.
„Wer glaubt, dass Compliance eine rein innere Unternehmenskulturfrage ist, hat das Zusammenspiel dieser Regelwerke nicht verstanden“, so Dr. Schulte. „Es geht hier nicht nur um Regelbefolgung, sondern um Vertrauen in das Bankensystem, um Schutz vor Manipulation und nicht zuletzt um Stabilität der Wirtschaftsordnung.“
Folgen für Marktakteure
Die Folgen dieser aufsichtsrechtlichen Maßnahmen werden weit über die AKBANK AG hinausreichen. Andere Institute werden sich fragen müssen, wie belastbar ihre eigenen Systeme und internen Verfahren wirklich sind. Es ist ein lehrreiches Beispiel für Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte, dass die Verletzung von Organisationspflichten kein Kavaliersdelikt ist, sondern handfeste und kostspielige Konsequenzen hat.
Zudem müssen Kunden damit rechnen, dass auch ihre Interaktionen im Bankenalltag – insbesondere im Wertpapiergeschäft – verstärkt unter den Fokus von Aufsicht und Bankprozessen geraten. Gleiches gilt für externe Compliance-Berater, die in zunehmendem Maß dafür verantwortlich gemacht werden können, wenn die von ihnen mitentwickelten Prozesse sich im Ernstfall nicht als wirksam erweisen.
Konsequenzen für das Verständnis von Governance
Der Fall der AKBANK AG ist exemplarisch für den Paradigmenwechsel in der Bankaufsicht. „Es reicht nicht mehr, schöne Compliance-Handbücher vorzulegen. Es geht nun darum, dass diese Inhalte auch jeden Tag gelebt, überprüft und angepasst werden“, sagt Dr. Schulte. Insbesondere Vorstände können sich dieser Verantwortung nicht entziehen und bleiben persönlich verantwortlich für Verstöße, wenn sie strukturelle Compliance-Lücken nicht erkennen oder beheben.
Dr. Schulte empfiehlt: „Institute, die sich nicht spätestens jetzt einer tiefgreifenden Bestandsaufnahme ihrer eigenen Prozesse unterziehen, spielen mit dem Feuer. Die BaFin hat deutlich gemacht, dass sie bereit ist, ihre umfassenden Befugnisse konsequent wahrzunehmen.“
Fazit: Die Zeit der Nachsicht ist vorbei
Die Maßnahmen gegen AKBANK AG lassen keinen Interpretationsspielraum: Die BaFin fordert nicht nur ein „Minimum an Organisation“, sondern eine risikoorientierte, aktiv gesteuerte, nachweisbare und wirksame Kontrolle sämtlicher Geschäftsprozesse. Und sie macht Ernst. Wer hier nicht mitzieht, sieht sich nicht nur hohen Geldbußen, sondern tiefen strukturellen Eingriffen ausgesetzt.