Von einem Ende der Welt rund um die Welt – Wer einmal eine Reise tut, dem wird bestimmt der Horizont erweitert, aber auch in Geduld bei Verspätungen sollte man geübt sein. Welche Schadensersatzansprüche können geltend gemacht werden? – von Rechtsanwalt Dr. Erik Kraatz
Kurz hintereinander haben zwei Chaosflüge zu erheblichen Verspätungen geführt. Der eine Flug der arabischen Fluggesellschaft Etihad von Abu Dhabi nach San Francisco dauerte 28 Stunden. Alleine zwölf Stunden mussten die Passagiere ohne Essen und, was noch wichtiger ist, ohne hinreichende Informationen auf einem Rollfeld im Nahen Osten ausharren. Grund: Dichter Nebel in Abu Dhabi und ein mit zahlreichen anderen gestrandeten Fliegern verstopfter Airport.
Eine Sieben-Stunden-Flugzeit wäre es an sich, auch von Abu Dhabi nach Düsseldorf. Wegen starken Nebels verzögerte sich der Start in Abu Dhabi jedoch um 13 Stunden. Aufgrund eines medizinischen Notfalls eines 73-jährigen Passagiers wurde, als die Maschine dann endlich gestartet war, eine Zwischenlandung in Wien zur medizinischen Versorgung notwendig. Hier mussten die Passagiere sogar übernachten, da aufgrund des Zwischenstopps die aktuelle Flugcrew ihre zulässige Höchstflugzeit überschritten hatte. Den Passagieren wurden Hotelzimmer zur Übernachtung zur Verfügung gestellt. Erst am nächsten Tag ging die Reise dann weiter, sodass der Flug insgesamt 30 Stunden dauerte.
Hierbei handelt es sind selbstverständlich nur Extremfälle. Geringere Verspätungen sind dennoch auch im Flugverkehr aus unterschiedlichsten Gründen an der Tagesordnung. Es stellt sich dann die Frage für jeden Flugpassagier, wie seine Rechte bei Verspätungen aussehen.
Hierbei wird strikt unterscheiden: Flug aus oder nach der Europäischen Union und internationaler Flug
Flug aus oder nach der Europäischen Union
Liegt der Abflugs- oder Zielflugort innerhalb der Europäischen Union, so findet die EG-Fluggastrechte-Verordnung Anwendung. Hiernach hat der Fluggast bei einer Verspätung ab zwei Stunden einen Anspruch auf Betreuung und Unterstützung. Dies richtet sich nach dem jeweiligen Einzelfall, umfasst aber das Zurverfügungstellung von Mahlzeiten, Getränken, zwei Telefonaten oder E-Mails bis hin zur Unterstützung, auf anderem Wege den Zielort rechtzeitiger zu erreichen. Darüber hinaus sieht die Fluggastrechte-Verordnung ein Pauschalentschädigungsbetrag abhängig von der Flugentfernung an sich nur bei Annullierung eines Fluges mit anschließendem Ersatzflug oder Ersatztransportmittel vor. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch in zwei Entscheidungen aus den Jahren 2009 und 2013 die Fälle einer erheblichen Verspätung, einer Annullierung und anderweiten Erreichung des Zielortes gleichgestellt. Eine erhebliche Verspätung wird hierbei ab einer Verspätung von drei Stunden angenommen. Maßgeblich für diesen Zeitraum sind die vorgesehene Ankunftszeit im Verhältnis zu dem Zeitraum, zudem sich die Flugzeugtüren tatsächlich öffnen und der Passagier die Maschine am Zielort verlassen kann. Wird hier eine Verspätung von mindestens drei Stunden erreicht, so steht dem Passagier bei einem Flug bis zu einer Entfernung (Luftlinie) von 1.500 km ein Pauschalbetrag von 250 Euro, bei Flügen bis zu einer Entfernung von 3.500 km ein Pauschalbetrag von 400 Euro und bei Flügen über 3.500 km Entfernung ein Pauschalbetrag von 600 Euro zu. Darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt, d.h. zusätzliche Aufwendungen oder entgangene Geschäftsabschlüsse können zusätzlich verlangt werden, sind jedoch detailliert nachzuweisen. Ab einer Verspätung von fünf Stunden kann der Passagier den Flug abbrechen, das Geld für den Ticketpreis zurückverlangen und weitergehende Aufwendungen im Wege eines Schadensersatzes verlangen.
Anschlussflug durch Verspätung verpasst
Im häufigen Fall eines Anschlussfluges kann es sein, dass der erste Flieger etwa eine Stunde Verspätung hat, hierdurch aber das Anschlussflugzeug verpasst wird, sodass man am Zwischenstopp einige Stunden ausharren muss und dann mit einem anderen Flieger den eigentlichen Zielort mit mehr als drei Stunden Verspätung erreicht. Auch in diesem Falle kann man von der ersten Fluggesellschaft zumindest Pauschalschadensersatzanspruch verlangen, da es einzig und alleine auf die Verspätung am Endzielort ankommt.
Außergewöhnliche Umstände
Ausgeschlossen sind Ausgleichsansprüche gegenüber der Fluggesellschaft einzig im Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, also wenn die Verspätung auf Umständen beruht, die nicht in der Risikosphäre des Luftfahrtunternehmens liegen. Hierunter fällt etwa ein Vogelschlag mit anschließendem technischen Defekt des Flugzeuges, ein Generalstreik am Zielflughafen oder ein Fluglotsenstreik. Demgegenüber hat die Rechtsprechung entschieden, dass alleine ein Blitzschlag, der zu einer technischen Überprüfung des Flugzeuges führt, genauso wenig ausreichend ist wie die Kollision eines Treppenfahrzeuges mit einem Flugzeug, ein Defekt des „electric smells“ oder ein Nachtflugverbot am Startflughafen, nachdem die Maschine 15 Minuten zu spät losgerollt ist und dann vom Nachtflugverbot erfasst wird. Auch die durch die Medien gegangenen Flugausfälle aufgrund eines Vulkanausbruchs in Irland gelten als derartige außergewöhnliche Umstände, bei denen ein Ausgleichsanspruch nicht besteht. Aber selbstverständlich besteht auch in diesem Falle die Verpflichtung zur Betreuung und Unterstützung, den Zielflugort zumindest auf andere Weise zu erreichen.
Diese Ansprüche sollten zunächst direkt gegenüber der Fluggesellschaft geltend gemacht werden, notfalls mithilfe der zuständigen Schlichtungsstelle für Fluggastrechte. Sollte eine Klage erforderlich sein, so ist diese am Abflug- oder Zielflughafen möglich. Wer also in der verspäteten Maschine von Abu Dhabi nach Düsseldorf saß, könnte in Düsseldorf klagen.
Internationale Flüge
Hiervon zu trennen sind Flüge, bei denen weder der Abflug- noch der Zielflughafen innerhalb der Europäischen Union liegen. Hier greift dann lediglich das sog. „Montrealer Übereinkommen“ (Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr), deren Art. 19 die Fluggesellschaft zwar grundsätzlich verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der durch die Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Güter entstanden ist. Abgesehen davon, dass auch hier eine Haftung ausscheidet, wenn die Fluggesellschaft nachweist, alle ihr möglichen Maßnahmen ergriffen zu haben, so hat der Reisende hier keinen Anspruch auf einen Pauschalbetrag, sondern hat jeden einzelnen Schadensbetrag detailliert nachzuweisen und im Zweifel zu beweisen. Zudem ist der Verspätungsschaden auf einen Höchstbetrag von 4.694,00 Sonderziehungsrechte (SZR) des Internationalen Währungsfonds je Reisenden begrenzt. Derzeit wäre dies ein Betrag von ca. 5.500 Euro.
Fazit: Verspätungen im Luftverkehr können Schadensersatzansprüchen geltend gemacht werden
Wie im Bahnverkehr so hat auch der Reisende im Luftverkehr bei erheblichen Verspätungen Schadensersatzansprüche. Diese sind anders als im Bahnverkehr unabhängig vom bezahlten Reisepreis, sondern hängen pauschal an der Flugentfernung. Dieser Rechte sollte sich jeder bewusst sein, wenn er seine nächste Urlaubs- oder Geschäftsreise antritt, um notfalls angemessen rechtlich reagieren zu können.