Sorgfaltspflichten und aufsichtsrechtliche Maßnahmen im Bankwesen - Valentin Schulte

Sorgfaltspflichten und aufsichtsrechtliche Maßnahmen im Bankwesen

Wenn Kontrolle Pflicht wird: Wie Sorgfalt und Risikosteuerung zur Achillesferse von Banken werden. BaFin greift bei der China Construction Bank Frankfurt durch – ein Weckruf für alle Finanzinstitute. Wer Risiken nicht im Griff hat, riskiert mehr als nur ein Ordnungsgeld.

Banken sind das Rückgrat der Finanzwirtschaft – doch dieses Rückgrat steht zunehmend unter regulatorischem Druck. Die jüngsten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der BaFin gegen die China Construction Bank Corporation, Niederlassung Frankfurt, verdeutlichen: Eine lückenhafte Geschäftsorganisation, fehlende Risikosteuerung oder schwaches Controlling sind keine Kavaliersdelikte, sondern gravierende Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten nach dem Kreditwesengesetz (KWG).

2023 führte die BaFin über 1.400 Sonderprüfungen im Finanzsektor durch, davon ein wachsender Teil wegen unzureichender Risikovorsorge oder interner Kontrollsysteme. Dabei wird deutlich: Nicht nur kleinere Institute sind betroffen – auch globale Großbanken mit Milliardenvermögen stehen unter verschärfter Beobachtung.

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin, erfahrener Experte im Finanzdienstleistungsrecht, warnt: „Wir erleben eine neue Qualität der Aufsicht. Die Zeiten, in denen Sorgfaltspflichten als rein formale Checklisten verstanden wurden, sind vorbei. Heute bedeutet Compliance: vorausschauend denken, dokumentieren, kontrollieren – sonst droht Intervention.“

Was aber genau verlangt die BaFin? Wie detailliert müssen Risikoanalysen sein? Welche Rolle spielt das interne Controlling – und wann wird daraus eine persönliche Haftung der Geschäftsleitung?

Diese Fragen betreffen nicht nur die China Construction Bank, sondern jede Bank, jedes Finanzdienstleistungsunternehmen, jede Führungskraft im Bankwesen. Denn aufsichtsrechtliche Eingriffe sind längst kein Ausnahmefall mehr – sie sind Realität in einem zunehmend komplexen, globalen und digitalen Finanzsystem.

Die aktuellen Ereignisse sind daher mehr als ein Einzelfall: Sie sind ein Prüfstein für die gesamte Branche – und eine Einladung zur juristischen und organisatorischen Selbstreflexion.

Die Aufsichtsfunktion der BaFin im Kontext der Geschäftsorganisation

Im Kern der aktuellen Anordnung steht § 25a Absatz 1 KWG, eine Norm, die sich den organisatorischen Pflichten von Kreditinstituten widmet. Konkret verpflichtet sie Institute dazu, über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation zu verfügen, die insbesondere wirksame Risikosteuerungs- und -controllingverfahren umfasst. Die Rechtspflicht ist keineswegs neu, sie ist jedoch zunehmend in den Fokus aufsichtsrechtlicher Maßnahmen geraten – nicht zuletzt aufgrund der Komplexität moderner Bankgeschäfte.

Laut § 25a Absatz 1 Satz 3 KWG hat die Geschäftsorganisation den Umfang und die Risiken der Geschäftstätigkeit sowie die Gruppe, der das Institut angehört, angemessen zu berücksichtigen. Die Vorschrift ist als dynamischer Rechtsnorm zu verstehen, die sich mit dem unternehmerischen Risiko- und Organisationswandel weiterentwickelt. Auch in der juristischen Auslegung ist sie nicht statisch, sondern situationsbezogen und maßgeblich beeinflusst durch die aufsichtsrechtliche Praxis der BaFin sowie durch internationale Standards wie Basel III.

Erkenntnisse der Sonderprüfung und Konsequenzen

Am 25. Oktober 2024 erließ die BaFin auf Basis des § 25a Absatz 2 Satz 2 KWG eine Anordnung, nachdem eine Sonderprüfung Mängel in der Geschäftsorganisation der China Construction Bank Corporation Niederlassung Frankfurt aufgezeigt hatte. Aus rechtlicher Sicht handelt es sich hierbei um ein unmittelbar vollziehbares Verwaltungsinstrument, das sowohl korrektive als auch präventive Wirkung entfalten soll.

„Solche Sonderprüfungen sind das schärfste Schwert der Aufsicht und führen häufig zu strukturellen Eingriffen in die operative Führungsebene von Banken“, analysiert Dr. Schulte auf Grundlage jahrelanger praktischer Erfahrung.

Die Feststellung unzureichender Organisationsstrukturen ist keineswegs trivial. Sie kann auf Versäumnisse in Bereichen wie IT-Sicherheit, Compliance oder Risikomanagement hindeuten. Gerade im Umfeld international agierender Institute sind die Anforderungen an Dokumentationspflichten und interne Überwachungsmechanismen hoch. Die BaFin folgt dabei nicht nur nationalem Recht, sondern auch den Leitlinien der europäischen Aufsicht (EBA-Leitlinien). Diese sehen unter anderem vor, dass auch bei Großinstituten mit globaler Vernetzung die deutsche Niederlassung sämtliche Mindestanforderungen erfüllen muss.

Die zusätzliche Eigenmittelanforderung nach § 6c KWG

Am 22. Januar 2025 – nur wenige Monate nach der ersten Anordnung – zog die BaFin eine weitere aufsichtsrechtliche Konsequenz und setzte zusätzliche Eigenmittelanforderungen gemäß § 6c Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 KWG fest. Diese Maßnahme dient der Risikoabsicherung des Instituts und letztlich dem Schutz der Gesamtheit der Gläubiger.

Rechtlich betrachtet handelt es sich bei § 6c KWG um eine Auffangnorm, die es der Aufsichtsbehörde erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen Kapitalpuffer oberhalb der Mindestanforderungen zu verlangen. Der Paragraph dient der Umsetzung europäischer Kapitalrichtlinien und stärkt insgesamt die Resilienz von Kreditinstituten.

In der Norm heißt es ausdrücklich: „Die Bundesanstalt kann zusätzlich zu den Eigenmitteln, die nach diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes zur Unterlegung der Risiken erforderlich sind, weitere Eigenmittelanforderungen festlegen, um besonderen Risiken oder organisatorischen Mängeln Rechnung zu tragen.“ Dies zeigt die weitreichende Befugnis der Aufsicht und unterstreicht zugleich ihre Verantwortung.

Unmittelbare Auswirkungen auf das betroffene Institut und den Markt

Für die betroffene Niederlassung der China Construction Bank stellen diese Maßnahmen eine erhebliche aufsichtsrechtliche Belastung dar. Neben dem finanziellen Aspekt der Eigenkapitalanforderungen entstehen hohe Anforderungen an das interne Reporting, die Anpassung von Geschäftsprozessen sowie die Erweiterung der Kontrollmechanismen.

„Es ist ein fundamentaler Irrtum anzunehmen, dass regulatorische Anforderungen nur formal zu erfüllen seien. Vielmehr ist die Implementierung aufsichtsrechtlicher Vorgaben ein kontinuierlicher und kontrollierter Prozess – das hat diese Maßnahme wieder eindrucksvoll belegt“, ordnet Dr. Schulte die Situation ein.

Aus marktaufsichtsrechtlicher Perspektive signalisiert die Veröffentlichung der Maßnahmen gemäß § 60b KWG zudem eine erhöhte Transparenzpflicht. Zweck der Veröffentlichung ist es, auch Investoren und Marktteilnehmer zu informieren und Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Aufsicht zu stärken. Die Bestandskraft der genannten Maßnahmen besagt ferner, dass sie rechtlich nicht mehr angefochten wurden – ein Umstand, der auf ein erkennbares Einverständnis oder zumindest bewusstes Inkaufnehmen durch das betroffene Institut hinweist.

Übergeordnete Rechtsfolgen und internationale Rückwirkungen

Im internationalen Kontext hat die Maßnahme symbolischen Charakter. Als eine der vier größten Banken Chinas agiert die China Construction Bank weltweit. Dass ihre hiesige Niederlassung nun mit schwerwiegenden aufsichtsrechtlichen Maßnahmen konfrontiert ist, bleibt nicht ohne Resonanz in Fachkreisen.

Es wird deutlich: Der Standort Deutschland ist regulatorisch kein Sanierungsfallgebiet, sondern ein hochregulierter Markt mit funktionierender Aufsicht. „Die deutschen Regelungen gelten aufgrund ihrer Effizienz und Durchsetzungskraft als Blaupause für andere europäische Rechtsordnungen“, betont Dr. Schulte und weist auf den Zusammenhang zwischen funktionierender Aufsicht und Stabilität des Finanzplatzes Deutschland hin.

Darüber hinaus zeigt der Fall auch die große Bedeutung einer funktionierenden Zusammenarbeit zwischen internationalen Aufsichtsbehörden. Zwischen der chinesischen Bankaufsicht (CBIRC) und der BaFin bestehen bilaterale Absprachen, um die Einhaltung globaler Standards sicherzustellen. Im Zeichen zunehmender geopolitischer Unwägbarkeiten und einer komplexen Weltfinanzordnung ist dies wichtiger denn je.

Exemplarisches Lehrstück für alle Marktteilnehmer

Schließlich dient der Fall als Mahnung und Lehre für alle in Deutschland tätigen Institute – unabhängig davon, ob europäischer oder außereuropäischer Herkunft. Organisation ist hier kein Luxus, sondern Notwendigkeit. Besonders kritisch zu betrachten sind dabei Bereiche wie das Notfallmanagement, Outsourcing-Prozesse, interne Kontrollsysteme und die Unabhängigkeit von Compliance-Funktionen.

Es genügt heute nicht mehr, auf Anordnungen der BaFin zu reagieren – vielmehr müssen Institute proaktiv Organisationspflichten umsetzen. Prävention ist essenziell“, lautet das Resümee von Dr. Schulte.

Rechtlich relevante Fragen, etwa zur Reichweite der neuen Eigenkapitalanforderungen oder zur Fristenlage bei der Umsetzung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen, bedürfen stets fundierter juristischer Beratung. Zu groß ist die Gefahr, sich in der Komplexität regulatorischer Vorschriften zu verlieren.

Rechtliche Beratung als Teil strategischer Unternehmensführung

Abschließend bleibt festzuhalten: Für internationale Banken, aber auch kleine und mittelgroße Finanzdienstleister gilt gleichermaßen die Pflicht zur dauerhaften Einhaltung deutscher aufsichtsrechtlicher Standards. Wer dies vernachlässigt, riskiert nicht nur aufsichtsrechtliche Maßnahmen, sondern auch Reputationsverluste und wirtschaftliche Nachteile.

Als erfahrener Experte im Kreditwesengesetz und dessen Anwendungspraxis leite ich daraus die dringende Empfehlung ab, das Compliance-Management-System regelmäßig einer externen Prüfung zu unterziehen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Organisation und Risikomanagement den gesetzlichen Anforderungen genügen und finanzielle Sanktionen oder Eigenkapitalzuschläge vermieden werden können.

Denn wie § 25a Absatz 1 KWG es treffend formuliert: Die Gesamtverantwortung liegt bei der Geschäftsleitung – und ebendiese steht letztlich im Fokus der BaFin-Prüfung.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 11428 vom 24. Juni 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich