Bundeswehr – Ungerechtigkeiten bei der Einberufung zum Wehrdienst - Dr Thomas Schulte

Bundeswehr – Ungerechtigkeiten bei der Einberufung zum Wehrdienst

Gerechtigkeit bei der Wehrpflicht

Die Wehrpflicht ist eine gesetzliche Verpflichtung für männliche Staatsbürger, für eine bestimmte Zeit im Militär oder in anderen staatlichen Diensten zu arbeiten, um die Landesverteidigung zu unterstützen. In Deutschland wurde die Wehrpflicht 1956 eingeführt, und sie galt bis 2011 für alle wehrdiensttauglichen Männer zwischen 18 und 27 Jahren. Während dieser Zeit waren die Betroffenen entweder im Wehrdienst (Bundeswehr) oder im Zivildienst tätig, falls sie sich gegen den militärischen Dienst entschieden hatten.

2011 wurde die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt, sodass seitdem der Militärdienst nur noch auf freiwilliger Basis erfolgt. Es besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit, die Wehrpflicht durch gesetzliche Änderungen wieder einzuführen. Die aktuelle politische Diskussion über die Wehrpflicht dreht sich oft um Fragen der Gerechtigkeit, Gleichbehandlung und der Anpassung an die modernen Anforderungen an die Gesellschaft und das Militär. Verschiedene Parteien und Politiker haben in der Vergangenheit unterschiedliche Standpunkte zur Wehrpflicht vertreten, von der Wiedereinführung bis hin zu einer Verstärkung der Freiwilligkeit.

Das Thema Wehrpflicht ist also eng mit gesellschaftlichen, politischen und ethischen Überlegungen verknüpft, da es Fragen der Gleichbehandlung, der nationalen Sicherheit und der persönlichen Freiheit betrifft.

BIS 2011 Deutsch-Tür­ken selt­ener ein­be­ru­fen – Ungerechtigkeiten

Wa­rum Deutsch-Tür­ken selt­ener ein­be­ru­fen wer­den zur Ab­leis­tung des Wehr­diens­tes? Die meisten jungen Männer, die zur Ableistung von Wehr- oder Zivildienst einberufen werden, haben bessere zu tun. Entweder steht die Ausbildung an oder sie haben bereits beruflich Verantwortung übernommen.

Viele Betroffene sind bereits beruflich aufgestiegen oder sind selbstständig. Andere sind am Ende einer Ausbildung häufig auch eines Universitätsstudiums. Die Einberufung kommt daher in der Regel ungelegen. Warum ist die Einberufung so ungerecht? Andere – teilweise Personen, die gerade ohne sinnvolle Beschäftigung sind – werden nicht zur Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes herangezogen.

In einem Rechtsstaat geht man davon aus, dass die Gleich­be­hand­lung des Bür­gers selbst­ver­ständ­lich ist. So hab­en uns­ere Ver­fas­sungsvä­ter 1949 in das Grund­ge­setz hi­nein­ge­schrie­ben, dass al­le Bür­ger vor dem Ge­setz gleich sind. Das ist der so ge­nann­te all­ge­mei­ne Gleich­heits­grund­satz.

Das Grundgesetz schreibt in Art. 3:

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Seit dem es die all­ge­mei­ne Wehr­pflicht gibt, also 1956, wird da­rum ge­strit­ten und be­klagt, dass die Ein­be­ru­fung von Wehr­dienst- oder Zi­vil­dienst­pflich­ti­gen un­ge­recht sei. Zum ei­nen ist kein Grund er­kenn­bar, wa­rum nicht auch jun­ge Frau­en den Dienst ver­richten kön­nen.  Mil­i­tä­ri­sche, tech­ni­sche, philosophische oder religiöse As­pek­te, die ei­nen Dienst un­mög­lich ma­chen, sind nicht mehr er­kenn­bar.

Ne­ben die­ser nicht nach­voll­zieh­ba­ren Un­ge­rech­tig­keit er­scheint vie­len un­vor­stell­bar, wa­rum man­che kern­ge­sun­de Per­so­nen kei­nen Dienst leis­ten müs­sen und An­de­re ge­zwun­gen sind, ihr Stu­di­en oder ih­re Be­rufs­aus­bil­dung oder gar ih­re be­ruf­li­che Tä­tig­keit zu un­ter­bre­chen, um ei­nen staat­li­chen Zwangs­dienst, des­sen Sinn­haf­tig­keit häu­fig an­ge­zweifelt wird, zu fol­gen. Nun ist be­kannt ge­wor­den, dass es ei­ne wei­te­re Auf­fäl­lig­keit in Be­zug auf die Nich­the­ran­zie­hung von Deutsch-Tür­ken gibt.

Es ist so, dass sta­ti­stisch er­wie­sen ist, dass Per­so­nen mit ei­nem In­teg­ra­tionshintergrund, die gleich­wohl die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit ha­ben, sta­ti­stisch sel­ten­er zur Ab­leis­tung des Wehr- und Zi­vil­diens­tes he­ran­ge­zo­gen wer­den als Deut­sche. Im Durchschnitt leisten wehrdiensttaugliche Deutsche in zwei von drei Fällen Wehr- oder Zivildienst, bei deutschen jungen Männern mit türkischem Hintergrund sind es nur einer von dreien.

Update 09.04.2024 zur neuen Regierung zwischen SPD und CDU/CSU

Im Koalitionsvertrag heisst es:„Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert. Für die neue Ausgestaltung dieses Dienstes sind die Kriterien Attraktivität, Sinnhaftigkeit und Beitrag zur Aufwuchsfähigkeit leitend. Wertschätzung durch anspruchsvollen Dienst, verbunden mit Qualifikationsmöglichkeiten, werden die Bereitschaft zum Wehrdienst dauerhaft steigern. Wir orientieren uns dabei am schwedischen Wehrdienstmodell. Wir werden noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung schaffen.“
Das bedeutet: Die Wehrpflicht bleibt bestehen. Vorerst besteht Freiwilligkeit. Durch die Wehrerfassung und Wehrüberwachung kann jederzeit der Schalter umgedreht werden und ein Pflichtdienst eingeführt werden
Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

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Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 598 vom 20. Januar 2009 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich