Film- und Musiktausch im Internet – Erste Erfolge für Verbraucher gegen Massenabmahnung –
In einer gemeinsamen Aktion verweigern die Staatsanwaltschaften die Hilfe für Abmahnanwälte
Massenabmahnungen sind ärgerlich, da häufig hohe Kosten durch Abmahnanwälte verursacht werden, die in keinem Verhältnis zu der angeblichen Rechtsverletzung des Verbrauchers stehen. Eine beliebte Praxis der Abmahnanwälte war es, Daten über Verbraucher von Staatsanwaltschaften zu beschaffen. Diese Praxis wird jetzt beendet.
Holger Rausch (Name geändert) bekam Anfang Mai 2008 unangenehme Post – eine Abmahnung eines Rechtsanwaltes. Sein 15 jähriger Sohn hatte offenbar in einer Tauschbörse im Internet einen Film für andere angeboten und das Urheberrecht eines internationalen Unterhaltungskonzerns nicht beachtet; für diesen Fehltritt seines Sohnes sollte Herr Rausch 1.500 € zahlen. Auf die Daten des Holger Rausch waren die Rechtsanwälte des Konzerns über eine Staatsanwaltschaft gekommen, die nach einer Strafanzeige die IP Adresse (also die individuelle Nummer des Internetusers Rausch) herausgegeben hatte. Diese verbraucherrechtlich umstrittene Praxis soll jetzt beendet werden.
Staatsanwälte verfolgen nur noch gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzter
Bisher haben die Staatsanwaltschaften jeden potenziellen Urheberrechtsverletzer verfolgt. Damit ist nun Schluss.
Seit Anfang August 2008 gibt es neue Leitlinien der Generalstaatsanwälte, die das Ende der so genannten Filesharing-Abmahnungen einleiten. Bereits Mitte Juli 2008 hatten die Generalstaatsanwälte in Nordrhein-Westfalen ihren Internet-Fahndern empfohlen, nur noch gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzer im Internet zu verfolgen. Allerdings sind die Ansichten, was unter gewerbsmäßiger Urheberrechtsverletzung zu verstehen ist, je nach Bundesland unterschiedlich.
Die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen wollen gegen das illegale Bereitstellen von urheberrechtsgeschützten Werken in so genannten Tauschbörsen erst dann vorgehen, wenn mehr als 200 Dateien von Nutzern abgerufen werden. Bayern und Baden-Württemberg favorisieren eine Vorgehensweise ab einer Schadenshöhe von circa 3.000 Euro, während Sachsen-Anhalts Beamte erst ab 3.000 Dateien oder 200 Filmen tätig werden. Von Berlin ist bekannt, dass praktisch gar nicht gegen „Raubkopierer“ vorgegangen wird.
Bis dahin versandten vor allen Dingen eine Rechtsanwaltskanzlei aus Frankfurt (Kornmeier und Partner) sowie ein Büro aus Hamburg (Resch Rechtsanwälte) in großer Zahl Abmahnungen und machten Urheberrechte ihrer Mandanten geltend. Mit Hilfe einer Software wurde zuvor die IP Adresse eines Anschlussinhabers ermittelt, unter der er angeblich urheberrechtlich geschützte Dateien auf seinem Computer anderen Nutzern zur Verfügung gestellt haben soll (so genannte Tauschbörse).
Bislang war die Staatsanwaltschaft für die Abmahnenden notwendig, um herauszufinden, welche Person sich hinter der IP Adresse verbirgt. Dabei stellten die Vertreter der Urhebernutzungsberechtigten einen Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft, die im Rahmen eines Auskunftsersuchens den Anschlussinhaber mit Hilfe der IP Adresse beim Provider ermittelte. Später nahmen die vermeintlich Geschädigten Akteneinsicht in die Ermittlungsakte und erfuhren auf diese Weise von der Person des Anschlussinhabers, die daraufhin zivilrechtlich in Anspruch genommen wurde.
Bislang haben die Staatsanwaltschaften generell die Daten der Anschlussinhaber herausgegeben, wenn ein Verdacht bestand, dass Urheberrechte verletzt wurden. Jetzt sollen nur noch gewerbsmäßige Anbieter verfolgt werden. Nach den neuen Regeln hätte der Abmahnanwalt die Daten von Holger Rausch nicht über die Staatsanwaltschaft erhalten.
Verbraucher weiterhin im Visier der Abmahnanwälte
Obwohl die Staatsanwaltschaft in einigen Bundesländern zukünftig strafrechtliche Ermittlungsverfahren aufgrund eines fehlenden öffentlichen Interesses einstellen möchte, scheint das Ende der Filesharing-Abmahnung damit noch nicht gekommen zu sein. Nunmehr sehen die Abmahnanwälte nämlich die Chance, auch ohne die Hilfe der Staatsanwaltschaft den Anschlussinhaber zu ermitteln. Nach einer neuen Rechtslage kann unter Umständen ein Auskunftsanspruch des Urhebernutzungsberechtigten gegen den Provider entstehen. Urhebernutzungsberechtigter ist häufig ein internationaler Konzern. Erst kürzlich verpflichteten die Landgerichte Köln und Düsseldorf die Telekom, eine entsprechende Auskunft an Urhebernutzungsberechtigte zu erteilen. Der Umweg über die Staatsanwaltschaft war damit nicht mehr notwendig. Voraussetzung für den Auskunftsanspruch ist eine Verletzung von Urheberrechten in „gewerblichem Ausmaß". Pikant ist jedoch, dass der Nutzer in dem Fall vor dem Landgericht Köln nur ein einziges Album zum Abruf für Dritte angeboten hatte. Bereits bei diesem einen Album ist das Gericht von einem gewerblichen Ausmaß ausgegangen. Mit dem erst seit Anfang September 2008 neu in Kraft getretenen § 101 des Urheberrechtsgesetzes können die Urhebernutzungsberechtigten nun von Spediteuren, von Musiktauschbörsen und Internetprovidern Auskünfte verlangen. Im Fall von Verstößen im Internet werden jedoch besondere Daten benötigt, daher muss eine gerichtliche Anordnung beantragt werden. Wie die Gerichte die neue Vorschrift auslegen werden, ist noch unbekannt.
Um unnötige Kosten und Ärger zu vermeiden, sollten sich betroffene Verbraucher unbedingt genau erkundigen, ob sie verpflichtet sind, die hohen Kosten eines Abmahnanwalts zu bezahlen. Die Rechtslage ist in Bewegung und die Staatsanwaltschaften möchten nicht mehr Erfüllungsgehilfen von Massenabmahnkanzleien sein.