Die formellen Anforderungen an die Rechtsnormqualität des Umsetzungsaktes – von Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte, Berlin
In seiner Rechtsprechung betont der EuGH beständig, dass die Wahl bezüglich Form und Mittel grundsätzlich den Mitgliedstaaten vorbehalten sei. Der Mitgliedstaat steht damit vor der Frage, ob er die Kommunalabwasserrichtlinie mittels formellen oder materiellen Rechts, mittels Verwaltungshandeln, Verwaltungsvorschriften oder einer Mischform aus legislativem und exekutivem Handeln umsetzen will.
Die Regelung der Kommunalabwasserrichtlinie steht für die Gewährleistung, dass Gewässerschutz umweltschonend stattfinden und umgesetzt werden kann. In Berlin fand im Rahmen einer Vortragsreihe eine Weiterbildungsveranstaltung in der Kanzlei Dr. Schulte und sein Team mit Juristen und technischen Umweltexperten statt; Rechtsanwalt und Wasserrechtsexperte Dr. Thomas Schulte weist im Besonderen darauf hin, dass angesichts der durch die Rechtsprechung vorgegebenen Anforderungen, die sich in das Prinzip des „effet utile“, das marktbürgerorientierte Rechtssicherheitspostulat, und die sonstigen Anforderungen einteilen lassen, fraglich ist, ob die vom EuGH apostrophierte Wahlfreiheit noch die Regel oder bereits die Ausnahme darstellt.
Das Prinzip des „effet utile“
Als grundsätzliche Anforderung gilt bei der Umsetzung die Beachtung der aus Art. 5 Abs. 1 EGV hergeleiteten Mitwirkungspflicht, nach der „die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, innerhalb der ihnen nach Art. 189 EGV belassenen Entscheidungsfreiheit die Formen und Mittel zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks am besten eignen“.
Das ergibt sich bereits aus der „Zielverbindlichkeit“ des Art. 189 Abs. 3 EGV. Die Umsetzung hat als Ergebnis einen rechtlichen, wirtschaftlichen und/oder sozialen Gesamtzusammenhang, der dem Inhalt der Richtlinie am besten entspricht. Also verlangt die Umsetzung die Wahl der Mittel mit der größtmöglichen Effektivität.
Dieses Effektivitätsprinzip wird durch die Rechtsprechung dahingehend näher bestimmt, dass ausschließlich ein normativer Rahmen für die Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie in Frage kommt. Nach ständiger Rechtsprechung wird der bloßen Verwaltungspraxis, die zwar tatsächlich die Erfüllung der Richtlinienvorgaben sichert, keine genügende Tauglichkeit zur Umsetzung attestiert.
Transparenz – praktische Kontrolle – praktische Wirksamkeit
Der EuGH hat dem Umstand, dass durch die alleinige Verwaltungspraxis keinerlei Verstöße gegen die Richtlinienvorgaben vorgekommen sind und auch nicht zu befürchten sind, keine Bedeutung beigemessen. Er begründete die Nichttauglichkeit der ausschließlichen Verwaltungspraxis mit der jederzeitigen Abänderbarkeit und der mangelnden Publizität der Verwaltungspraxis. Daneben mögen die Aspekte der mangelnden Transparenz und Kontrollpraktiabilität eine Rolle gespielt haben.
Aus diesem Effektivitätsgebot folgt außerdem, dass die rein verbale juristische Umsetzung der Richtlinien in die Rechtsordnung keine genügende Durchführung der Richtlinie darstellt; vielmehr muss der Mitgliedstaat, dessen sämtliche Träger der öffentlichen Gewalt im Rahmen ihrer Zuständigkeit der Richtlinienumsetzung verpflichtet sind“, auch die Anwendung (die praktische Wirksamkeit) der innerstaatlichen Rechtsnormen sicherstellen.
Zwischenstand der Umsetzung
Als erstes Zwischenergebnis der Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie lässt sich festhalten, dass durch einen normativen Rahmen und innerstaatlichen Vollzug die effektive Verwirklichung des Richtlinienzieles gewährleistet sein muss. Die Forderung des EuGH nach Effektivität der zu ergreifenden Umsetzungsakte ist zumindest für die Frage nach der Rechtsnormqualität des nationalen Umsetzungsaktes eine wenig erhellende Formulierung.
Aus diesem Effektivitätsgebot folgert er aber nicht, dass ausschließlich ein explizites Tätigwerden des innerstaatlichen Gesetzgebers durch ein formelles Ausführungsgesetz zur Umsetzung erforderlich ist. Das folgt aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, in der er betont, dass „die Umsetzung einer Richtlinie nicht notwendigerweise in jedem Mitgliedstaat ein Tätigwerden des Gesetzgebers (verlangt)“. Es genüge zur Umsetzung ein allgemeiner verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Rahmen ohne besonderen Umsetzungsakt, wenn durch diesen Rahmen eine Umsetzung der Richtlinie gewährleistet sei, die weder tatsächlich noch theoretisch die Gefahr einer nicht ordnungsgemäßen Realisierung ihrer Vorgaben heraufbeschwöre.
Wasserrechtexperte Dr. Thomas Schulte, Gründungspartner der Kanzlei Dr. Schulte und sein Team, zieht die Schlussfolgerung, dass das bedeutet, dass neben dem genannten Effektivitätsprinzip der EuGH je nach Richtlinieninhalt im Interesse der Marktbürger ein erhöhtes Maß an Sicherheit und auch Bestimmtheit verlangt, wenn mit der Umsetzung Rechte für den einzelnen verbunden sind. Dieses Marktbürger gerichtete Rechtssicherheitspostulat gilt es nachstehend näher zu untersuchen und, da es Auswirkungen auf die Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie hat, im Auge zu behalten.