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Heimliche Kickbacks: Die Rechte der Opfer

“Die Welt will betrogen sein.” Die altrömische Wahrheit hat heute noch Gültigkeit. Eine zeitgemäße Form unlauteren Verhaltens stellen heimliche kickback-Zahlungen dar, die durch ein aktuelles Urteil des Schweizer Bundesgerichts in die Diskussion geraten sind.

Allgemein sind mit kickbacks Schmiergelder gemeint. Etwas präziser sind sie als heimliche Provisionszahlungen von dritter Seite definiert, die den Empfänger für ein bestimmtes Verhalten im Rahmen eines Zwei-Personen-Verhältnisses belohnen. Wer sich durch die Entgegennahme von kickbacks zu einer von dritter Seite gewünschten, aber für den Vertragspartner nachteiligen Verhaltensweise veranlassen lässt, macht sich des Betruges und meist auch der Untreue strafbar. Vor allem aber entstehen Schadensersatzansprüche.


Wirtschaftprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte
Diese Folgen haben kickbacks insbesondere (aber nicht nur), wenn durch sie ein enges Treue- und Vertrauensverhältnis verletzt wird sowie dann, wenn das Berufsrecht einen bestimmten Pflichtenkanon vorschreibt, zu dem die Fremdmanipulation in besonderem Widerspruch steht. So haben etwa Wirtschaftsprüfer (nach § 42 I WPO) und Steuerberater (nach § 57 I StBerG) ihren Beruf unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen und eigenverantwortlich auszuüben. Wer als Steuerberater seinem Mandanten zum Zwecke der Steuerersparnis den Kauf einer bestimmten, von ihm vermittelten Eigentumswohnung empfiehlt, muss mit dem Mandanten über eine etwaige Provision für den Deal einig sein und diese auf Verlangen weiterleiten. Anderenfalls macht er sich der Untreue strafbar (§ 266 StGB). In besonderem Maße gilt das für Rechtsanwälte. Sie dürfen in bestimmten Fällen einer Interessenkollision gar nicht erst tätig werden (§ 45 BRAO). Wer als Rechtsanwalt beiden Parteien einer Rechtssache durch Rat oder Beistand dient, macht sich des Parteiverrats strafbar (§ 356 StGB). Ein Verbrechen wird die Tat, wenn der Anwalt im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei handelt. Ein Beispiel: Der Mandant hat einen schweren Unfall erlitten, und ist erwerbsunfähig, hat aber eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Rechtsanwalt vereinbart hinterrücks mit dem Versicherungsunternehmen, nur einen Teil der an sich möglichen Schadenssumme einzuklagen und kassiert dafür eine Provision. In diesem – besonders krassen – Beispiel wäre der Rechtsanwalt zugleich des Betruges und der Untreue schuldig.
Anlageberater, Vermögensverwalter
Heimliche kickbacks fließen vor allem auf dem Kapitalmarkt. Zahlreiche Anlageberater bezeichnen sich oft als “frei”, da sie nicht im Auftrag eines bestimmten Anbieters arbeiten, erhalten aber gleichwohl Provisionen von den Unternehmen, deren Produkte sie vermitteln. Sind sie ehrlich, legen sie Rechenschaft ab und verrechnen Honorare und Provisionen miteinander. Meistens fließen die Provisionen aber direkt oder indirekt über Dritte heimlich in die eigene Tasche.
Ganz besonders anfällig sind Vermögensverwalter. Sie werden durch Zahlungen der kontoführenden Banken allzu gerne zu bestimmten Wertpapiertransaktionen verleitet. Den Interessen des Anlegers läuft schon diese Konstruktion zuwider, fast immer aber auch und vor allem die konkreten Handlungen des Vermögensverwalters. Das Schweizer Bundesgericht hat derartige heimliche Drittzahlungen für grundsätzlich unzulässig erklärt. In Deutschland gilt rechtlich folgendes: Vermögensverwaltung ist definiert als die Verwaltung und Vermehrung fremden Vermögens, für welche dem Verwalter ein Ermessenspielraum eingeräumt worden ist. Er schuldet nicht den Erfolg seiner Tätigkeit, sondern erbringt eine Geschäftsbesorgung. Seine Pflichten ergeben sich aus den §§ 675, 663, 665-670 sowie 672-674 BGB. Ergänzt wird der Pflichtenkatalog durch die §§ 31, 32 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Danach ist eine sachgerechte, sorgfältige und interessengerechte Verwaltung des anvertrauten Vermögens geschuldet. Konkretisiert wird dies durch die Anlagerichtlinien, welche die maßgeblichen Vereinbarungen über Sicherheit, Rentabilit und Liquidität enthalten. Sie sind für den Vermögensverwalter bindend. Ein Verstoß gegen sie kann Schadensersatzforderungen nach § 280 BGB nach sich ziehen. Der Vermögensverwalter ist Finanzdienstleister im Sinne des § 1 Ia Satz 2 Nr. 3 KWG und benötigt deshalb eine Genehmigung nach § 32 KWG. Fehlt sie, so kann der Vermögensinhaber in jedem Fall den Vertrag kündigen, unter Umständen auch Schadensersatzansprüche geltend machen.
Insbesondere für Provisionen gelten dieselben Regeln wie in der Schweiz: Sie sind nur zulässig, wenn der Vermögensverwalter seinen Auftraggeber über sie informiert und sie ihm auszahlt, wenn nicht etwas anderes ausdrücklich vereinbart wurde. Besteht keine solche Vereinbarung, verstößt der Vermögensverwalter gegen die §§ 666, 667 BGB und gegen § 31 WpHG. Vertragswidrige Drittzahlungen dürften auch in Deutschland erheblich häufiger verschwiegen worden sein, als bislang angenommen. Dabei sind sie durchaus üblich: Anlagegesellschaften zahlen beispielsweise so genannte Bestandspflegeprovisionen dafür, dass der Vermögensverwalter Wertpapiere über längere Zeit hinweg ihrem Depot belässt. Noch häufiger ist aber der umgekehrte Fall des churning, also das Kaufen oder Verkaufen von Wertpapieren zum alleinigen oder überwiegenden Zweck der Umsatzgenerierung. Die Provisionen fließen dann als so genannte Kick-backs oder Retrozessionen an den Vermögensverwalter. Der Auftraggeber hat dann die Möglichkeit zu umfassenden Schadensersatzansprüchen, und zwar unter Umständen auch gegen denjenigen, der die Provisionen heimlich zahlt.

Anlegerfreundliche Rechtsprechung in Deutschland
Der BGH hat hierzu im Dezember 2000 exemplarisch geurteilt (XI ZR 349/99): Der Anleger hatte bei der beklagten Bank ein Wertpapierdepot eröffnet. Die Beklagte hatte ihrerseits mit der E-GmbH einen Vermögensverwaltungsvertrag geschlossen. Nach Gesprächen mit der Beklagten und der E-GmbH schloss der Kläger bei dieser einen Vermögensverwaltungsvertrag, wobei ihm Vergütungsvereinbarungen zwischen der Beklagten und der E-GmbH für sämtliche von ihr veranlassten Wertpapiergeschäfte verschwiegen worden waren. Der Kläger erlitt hohe Verluste, klagte und bekam Recht. Der BGH führte aus, dass dem Kläger nicht nur Ersatzansprüche hinsichtlich der hinter seinem Rücken geflossenen Provisionen zustanden, sondern dass ihm sein gesamter Verlust auszugleichen sei. Dies begründete das Gericht mit dem umfassenden Charakter der verletzten Aufklärungspflicht. Das Verschweigen seitens der Bank stelle eine schwere Treuepflichtverletzung dar, weil eine derartige Information für die Einschätzung des Vermögensverwalters von besonderer Bedeutung sei. Sie schaffe nämlich mit der Provisionszahlung einen Anreiz für den Vermögensverwalter, nicht allein das Interesse seines Kunden, sondern sein eigenes an einer möglichst umfangreichen Vergütung zu berücksichtigen. Die Aufklärungspflicht sei zudem auf den Gesamterfolg des in Aussicht genommenen Geschäfts ausgerichtet, weshalb die Bank grundsätzlich für alle mit einer nachteiligen Anlageentscheidung verbundenen Folgen hafte und nicht nur die Vergütungen erstatten müsse.
Das BGH-Urteil wurde Anfang 2005 vom OLG Stuttgart eindrucksvoll bestätigt: Die im Jahre 1925 geborene Klägerin hatte bei der Stuttgarter Südwestbank AG ein Wertpapierkonto eingerichtet. Einen Teil der klägerischen Provisionszahlungen an die Bank hatte diese im Rahmen einer kickback-Vereinbarung an die Arbeitgeberin des Vermögensverwalters weitergeleitet, ohne der Klägerin davon Mitteilung zu machen. Das Landgericht Stuttgart hatte der Klage insofern stattgegeben, als der Klägerin sämtliche Spekulationsverluste ersetzt wurden. Entgangener Gewinn war ihr aber nicht zugesprochen worden. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin entschied das OLG vollständig zu deren Gunsten:
“Der Anleger muss erfahren, dass eine Gefährdung seiner Interessen objektiv bewirkt ist, weil kickback-Abreden Anreize für den Verwalter beinhalten, nicht allein die Interessen des Anlegers bei der Auswahl der Bank, bei der Anzahl der Wertpapiergeschäfte und bei dem Umfang der Wertpapiergeschäfte zu verfolgen, sondern sich von verheimlichten Provisionsinteressen leiten zu lassen.”
Das OLG sprach der Klägerin außerdem den bereits erstinstanzlich begehrten entgangenen Gewinn zu: “Der Ersatz entgangenen Gewinns wird geschuldet, wenn aufgrund der schadensursächlichen Pflichtverletzung eine andere Kapitalanlage nachweislich unterlassen wurde. Für den Nachweis eines Gewinnentgangs genügt bereits eine gewisse Wahrschelichkeit des Abschlusses eines alternativen Geschäfts. (…) Nach Ansicht des Senats spricht nichts gegen die Darlegung der Klägerin, dass sie als anlagewillige Kapitalanlegerin wenigstens die durch festverzinsliche Wertpapiere erreichbare Durchschnittsrendite alternativ mit Wahrscheinlichkeit erzielt hätte.”

Was konkret können Anleger tun?
Wie gesagt: Wer seinen Vermögensverwalter im Verdacht hat, heimliche kickbacks zu kassieren, kann jederzeit Rechenschaft hierüber und gegebenenfalls Auszahlung verlangen. Leugnet der Vermögensverwalter oder bleibt er untätig, ist die Möglichkeit einer Stufenklage nach § 254 ZPO und/oder einer Strafanzeige in Betracht zu ziehen. Eine solche Vorgehensweise bietet sich insbesondere bei Wertverlusten des Fonds an, weil verheimlichte kickbacks ein häufiger Grund für Missmanagement, gleichzeitig aber der Schlüssel zu umfassenden Schadensersatzforderungen sein können.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 206 vom 30. Oktober 2006 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

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