Ob Costa del Sol, Mallorca oder Afrika –
die deutsche Strafgewalt im Ausland ist allgegenwärtig
„Ein feiner Pinkel“ titelte die Bild-Zeitung, als Prinz Ernst August von Hannover an einen Ausstellungspavillon der Expo urinierte. Das adelige Wasserlassen im lauschigen Park erregte zwar beträchtliches Aufsehen, war aber ein vergleichsweise harmloser Auftritt des Prinzen, denn seine Durchlaucht bevorzugen zumeist deftigere Eskapaden: Zünftige Schlägereien an ausgesuchten Örtlichkeiten sind die bevorzugte Freizeitbeschäftigung des Welfen. Wir alle wissen: Adel verpflichtet. Und so vertrimmten Hochwohlgeboren (der „Prügel-Prinz“) im sonnigen Kenia einen deutschen Hotel- und Diskothekenbesitzer. Den Tätlichkeiten waren Meinungsverschiedenheiten über die Geräuschkulisse der Hotelbar vorangegangen. Das Opfer wurde auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Mombasa gebracht, wo Brustverletzungen und Prellungen diagnostiziert wurden. Zeugen bekundeten vor Gericht, Ernst August sei alkoholisiert gewesen und habe dem Hotelier mit einem harten Gegenstand zahlreiche Schläge gegen Brust und Unterleib versetzt und ihn beschimpft. Ende November verurteilte das Landgericht Hannover Ernst August zu einer Geldstrafe von 445.00 Euro wegen Körperverletzung und Beleidigung.
Wann werden Straftaten mit Auslandsbezug von deutschen Gerichten abgeurteilt? Nach dem so genannten Territorialitätsprinzip übt derjenige Staat die Strafgewalt aus, in dessen Hoheitsgebiet die Tat begangen wurde. Dieses Prinzip versteht sich von selbst und gilt in allen souveränen Staaten der Welt. § 3 des deutschen StGB hat es ausdrücklich normiert. Daneben gilt in den meisten Staaten das „aktive Personalitätsprinzip“, das es gestattet, Straftaten eigener Staatsangehöriger im Ausland zu verfolgen. Es wird ergänzt durch das „passive Personalitätsprinzip“, demzufolge Auslandstaten von Ausländern der deutschen Strafgewalt unterworfen werden, wenn die Tat gegen einen Deutschen begangen wurde und am Tatort mit Strafe bedroht ist. Beide Prinzipien sind in § 7 StGB normiert.
Hält sich ein Tatverdächtiger im Ausland auf, so muss ein Auslieferungsgesuch an den Aufenthaltsstaat gerichtet werden, denn das allgemeine Völkerrecht verbietet Verfolgungsmaßnahmen im Hoheitsgebiet fremder Staaten. Überwiegend ist die Auslieferung Gegenstand zweiseitiger, vereinzelt auch mehrseitiger Verträge. Besteht kein internationales Abkommen, so kann der Aufenthaltsstaat die Auslieferung verweigern, denn das Völkergewohnheitsrecht kennt keine Pflicht zur Überstellung, die der Herkunftsstaat des Ausländers aufgrund seiner Personalhoheit geltend machen könnte. So weigerte sich beispielsweise Brasilien, den legendären Posträuber Ronald Biggs an Großbritannien zu überstellen. Biggs hatte 1963 mit einigen Komplizen einen Zug überfallen, umgerechnet 12 Millionen Euro erbeutet und seinen Anteil an der Beute im Laufe der Jahre in Rio de Janeiro ausgegeben. Das Vereinigte Königreich konnte ihn erst bestrafen, als er vor einigen Jahren freiwillig wegen akuter Geldnot die Stadt am Zuckerhut verließ und in seine alte Heimat zurückkehrte. Die Auslieferung von Straftätern kann in manchen Fällen aber auch wesentlich unbürokratischer und ohne Auslieferungabkommen abgewickelt werden, d.h. per internationalem Haftbefehl und Interpol.
Viele Staaten liefern eigene Staatsangehörige nicht aus. Für diese Handhabung hat sich auch das deutsche Grundgesetz entschieden, allerdings ist Deutschland seit einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2000 berechtigt, eigene Staatsangehörige an einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auszuliefern: Der Gesetzgeber ermöglichte mit der Änderung des Grundgesetzes den Europäischen Haftbefehl (EHB), den der Europäische Rat im Jahre 1999 beschlossen hatte. Der EHB soll die bisherigen Nachteile der Auslieferungsverfahren überwinden und insbesondere die Übergabe der Person innerhalb von drei Monaten seit Ausstellung des EHB ermöglichen. Für Schlagzeilen sorgte in diesem Zusammenhang der Fall des Deutschsyrers Mamoun Darkanzali, der sich seit November dieses Jahres in Hamburg in Auslieferungshaft befindet. Spanien begehrt seine Übergabe aufgrund des EHB wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Der 46-jährige soll in den späten neunziger Jahren europaweit eine der Hauptfiguren der Terrorgruppe Al Quaida und ein Ansprechpartner Osama bin Ladens gewesen sein. Darkanzali hat vor dem Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Aussetzung seiner Übergabe an die spanischen Behörden erwirkt. Diesen Rechtsbehelf stützte er unter anderem auf eine Verletzung des Rückwirkungsverbots, denn die spanischen Behörden begründen das Übergabebegehren mit Taten, die vor Inkrafttreten des EHB liegen. Ob Darkanzali sich der Übergabe langfristig wird entziehen können, bleibt mit Spannung abzuwarten.
Fazit: Ob Costa del Sol, Mallorca oder Afrika – die deutsche Strafgewalt ist allgegenwärtig.