Reputationsmanagement Internet by Law – heute: Haftung von Forenbetreibern für ehrverletzende Einträge

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Inhaltsverzeichnis
Recht und Gesetz

Anarchie und Rechtlosigkeit durch das Internet – Wie der Grundsatz der Netzneutralität auf der Kante steht – Welches Kontrollorgan bietet Einhalt? – von Privatdozent Dr. Erik Kraatz, Rechtsanwalt

Am 24.04.2014 sorgte die US-amerikanische Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) für Aufregung, weil sie es Internetprovidern künftig erlauben möchte, für die Priorisierung von Datenpaketen Geld zu verlangen; eine derartige kostenpflichtige „Überholspur auf der Datenautobahn“ würde den Grundsatz der Netzneutralität beerdigen. Die Folge wäre, dass Großkonzerne wie Google oder Netflix mit ihrem Geld eine Bevorzugung im Internet erhalten würden, neueren Start-ups der Zugang zum Markt aber zumindest erschwert würde. Im Rahmen eines Beitrages des Arbeitsschwerpunktes „Reputationsmanagement by law“ der Rechtsanwälte Dr. Schulte und sein Team Berlin sollen Rechtsfragen besprochen werden.

Fehlen eines zentralen Kontrollorgans – Welches Recht gilt in der virtuellen Welt?

Dies ist ein weiterer Schritt der Einflussnahme auf das Internet. Hierbei darf nicht der Glaube vorherrschen, bereits jetzt gelte im Internet aufgrund des Fehlens eines zentralen Kontrollorgans Anarchie und Rechtlosigkeit. Denn auch wenn dies in der Praxis nicht immer klar verfolgbar sein wird, weil insbesondere die Server im Ausland stehen, gilt deutsches Recht auch in der virtuellen Welt. Dr. Erik Kraatz hierzu: „Das Internet steht vor einer Verrechtlichungswelle wie der Wilde Westen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Zeit der Outlaws ist vorbei“.

Ehrverletzende Äußerungen im Internet – Haftung Forenbetreiber

Dies zeigt sich insbesondere bei der Haftung für ehrverletzende Äußerungen in Foren, Videoplattformen mit User-gestaltetem Inhalt und Social Media wie Facebook. Was kann man also veranlassen, wenn jemand gestattet (Forenbetreiber), dass auf seinen Internetseiten folgendes behauptet wird.

Beleidigungen oder falsche ehrverletzende Tatsachen, Behauptungen, wie dass man den Nachbarn am gestrigen Tage gerade beim Spielen im Kaufhaus beobachtet habe, Äußerungen in Foren wie „Pleitegeier F hat ein Intelligenzproblem, seine Visa-Karte wurde auf Veranlassung seines Steuerberaters gesperrt und eingezogen. Begründung: Er nütze diese Visa-Karte im Wesentlichen zur Begleichung von Sex-Club-Rechnungen und sei dabei allem Anschein nach in manchen Situationen nicht gewachsen“, verstoße nicht nur gegen die §§ 185 f. Strafgesetzbuch (Deutschland), sondern ziehen auch eine zivilrechtliche Störerhaftung nach sich, die durchaus auch den Forenbetreiber selbst treffen kann.

Hierbei wird in der Rechtsprechung unterschieden, ob sich der Forenbetreiber dem fremden Inhalt zurechnen lassen muss oder nicht. Maßgeblich hierfür ist nicht, ob der Forenbetreiber ausdrücklich von einem fremden Inhalt spricht. Sondern es findet eine objektive Betrachtung statt, bei der darauf abgestellt wird, ob der Forenbetreiber sich auch klar erkennbar vom Fremdinhalt distanziert. Vor diesem Hintergrund abgelehnt wurde die Haftung eines Forenbetreibers in Bezug auf eine auf ehrverletzende Fotografie, die nach Hinweis der abgebildeten Person sofort entfernt wurde. Denn eine allgemeine oder gar vorbeugende Prüfpflicht des Forenbetreibers bestehe nicht (vgl. zuletzt wie Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2011, Az. VI ZR 93/10).

Haftung Internet-Bewertungsportal

So hafte auch der Betreiber eines Internet-Bewertungsportals nicht für Aussagen etwa zu einem Hostel: „Die Matratze besteht aus ca. 4 cm Schaumstoff, sauber war nur das Badezimmer, die Zimmer bzw. Betten waren mit Bettwanzen befallen, eine Mitarbeiterin hat behauptet, dass dies schon mal vorkomme, das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 91 ausgestattet gewesen und das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung 50,00 Euro bezahlt werden müssten“; die bloße Möglichkeit derartiger Äußerungen im Portal eintragen zu können, genügten nicht (Kammergericht, Beschluss vom 15.07.2011, Az. 5 U 193/10). Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Betreiber eines Informationsportals erkennbar fremde Nachrichten anderer Medien (z.B. RSS-Feeds) ins Internet stellt, wie etwa das heimlich aufgenommene Bild einer Frau mit dem Zusatz „Ex-RAF-Terroristin H radelt in den Freigang“ (Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.03.2012, Az. VI ZR 144/11).

Haftung Forenbetreiber bei Urheberrechtsverletzung – Schadensersatzforderung

Sehr wohl haftet ein Forenbetreiber nach den Grundsätzen der Störerhaftung, wenn das Einstellen der Urheberrechtsmedien Inhalte auf dem Forum dem Interesse des Plattformbetreibers dient. Hierauf sei immer dann zu schließen, wenn der Plattformbetreiber die Inhalte vor Freischaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft. So geschehen in dem Fall des Betreibers der Internetadresse „www.chefkoch.de“, auf der Privatpersonen Fotografien und Rezepttexte hochladen können, nachdem sie von der Redaktion sorgfältig gesichtet worden sind. Einer der Kunden hatte nun urheberrechtsgeschützte Bilder aus einem Online-Kochbuch dort verwendet. Für diese Urheberrechtsverletzung haftete der Betreiber von „www.chefkoch.de“ auf Schadensersatz. Ferner tritt eine Haftung des Plattformbetreibers ein, wenn er sich vom Nutzer die Rechte an dem hochgeladenen Inhalt hat einräumen lassen. Denn unter diesen Voraussetzungen gilt der Inhalt als zu eigen gemacht, auch wenn er erkennbar von einem Nutzer stammt.

Bei deutlich gekennzeichneten Fremdinhalten hat der Forenbetreiber dagegen lediglich auf Beanstandungen zu reagieren. Hierbei genügt es jedoch nicht, sich von der eingestellten Meinung ausdrücklich zu distanzieren, sondern der Beanstandung ist nachzugehen und der Eintrag zu löschen. Erfolgt ab Kenntnis von der Rechtsverletzung bzw. deren Offensichtlichkeit für den Forenbetreiber keine Sperrung des Inhaltes innerhalb von zwei Tagen, so tritt auch in diesen Fällen eine Schadensersatzhaftung des Forenbetreibers nach § 10 des Telemediengesetzes ein.

Fazit: Forenbetreiber haben Vorsorge zu treffen

Indem der Forenbetreiber also Dritten die Möglichkeit gibt, ihre Inhalte über das Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, gibt er eine Plattform für Rechtsverletzungen und hat daher dafür Sorge zu tragen, dass Rechtsverletzungen nicht begangen werden. Auch wenn ihn hierbei wie einen Waffenverkäufer, der Menschen durchaus Waffen verkaufen darf, solange diese ihm nicht mitteilen, hiermit die eigene Oma erschießen zu wollen, keine allgemeine Überwachungspflicht trifft; er hat jedoch dafür Sorge zu tragen, sich bereits vorab ausdrücklich von jedem fremden Inhalt zu distanzieren und einen Mechanismus vorzusehen, dass auf Beanstandungen Inhalte unverzüglich gelöscht werden. Damit die sich schnell verändernde virtuelle Welt die Realität nicht einfach überrollt, sollten die rechtlichen Anforderungen für das Internetrecht schnellstens erarbeitet, angepasst und umgesetzt werden.

Dr. Thomas Schulte

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Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 1275 vom 7. Mai 2014 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

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