Dr Thomas Schulte - Stressszenarien im Fokus- EIOPA prüft EbAV auf Liquiditätsrisiken

Stressszenarien im Fokus: EIOPA prüft EbAV auf Liquiditätsrisiken

Zwischen Sicherheit und Risiko: Wie stabil ist unsere betriebliche Altersvorsorge wirklich?
EIOPA-Stresstest 2025 legt Schwachstellen offen – Experten fordern neue juristische Antworten auf alte Risiken

Wer heute für morgen vorsorgen will, setzt oft auf die betriebliche Altersvorsorge – für Millionen Beschäftigte in Deutschland gilt sie als verlässliches Standbein im Ruhestand. Doch wie sicher ist dieses Versorgungsmodell tatsächlich? Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA wirft aktuell einen kritischen Blick auf genau diese Frage und veröffentlicht neue Stresstest-Spezifikationen, die den Druck auf Einrichtungen betrieblicher Altersversorgung (EbAV) deutlich erhöhen.

Laut Zahlen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahr 2023 verlassen sich rund 21 Millionen Beschäftigte in Deutschland auf eine betriebliche Altersversorgung. Gleichzeitig steht das System unter massivem strukturellem Druck: Niedrigzinsumfeld, demografischer Wandel und volatile Finanzmärkte gefährden die langfristige Leistungsfähigkeit vieler EbAV. Besonders kritisch: Das Liquiditätsrisiko, das bislang ein Nischenthema für Spezialisten war, rückt nun ins Zentrum der europäischen Aufsicht.

Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt aus Berlin, spricht von einem „bedeutenden Schritt für die Risikovorsorge und Finanzmarktstabilität innerhalb der betrieblichen Altersversorgung“. Denn wer glaubt, dass die Auszahlung im Rentenalter garantiert sei, irrt: In wirtschaftlich angespannten Phasen könnten EbAVs in Zahlungsengpässe geraten – mit realen Konsequenzen für hunderttausende Anspruchsberechtigte.

Was bedeutet der EIOPA-Stresstest für Arbeitgeber, Versorgungseinrichtungen und die Politik? Wo liegen juristische Versäumnisse, und wie kann das Recht zur Stabilisierung eines wankenden Systems beitragen? Diese Fragen sind nicht länger theoretisch – sie entscheiden über die finanzielle Sicherheit ganzer Generationen.

Der Stresstest als Instrument der finanziellen Krisenprävention

Der Stresstest dient nicht nur als regulatorisches Instrument, sondern ist essenzieller Bestandteil eines modernen aufsichtsrechtlichen Rahmens. Dr. Schulte erläutert: „Mit solchen Tests wird simuliert, wie anfällig Versorgungswerke gegenüber externen Schocks sind – das stärkt das Vertrauen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und nicht zuletzt der Finanzmärkte.“ Die EIOPA nimmt dabei gezielt Schockszenarien in den Blick, die die wesentlichen Kapitalanlagekategorien betreffen – Aktienmärkte, Zinssätze, Immobilienwerte und alternative Anlagen werden dabei gleichzeitig unter Stress gesetzt. Ziel ist es, herauszufinden, ob die Einrichtungen auch im Krisenmodus ausreichend liquide Mittel zur Verfügung stellen können und zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen in der Lage sind.

Die Ergebnisse dieses Prüfverfahrens sind nicht nur für die Aufsichtsbehörden relevant. Vielmehr schaffen sie Klarheit über systemische Risiken und mögliche Kettenreaktionen im europäischen Altersvorsorgesystem. „Ein solches Risikobewusstsein korrespondiert direkt mit dem aufsichtsrechtlichen Ziel der Kapitalerhaltung“, so Dr. Schulte. Ein stabiler Pensionsmarkt ist elementarer Bestandteil des Vertrauens in die soziale Sicherung Europas.

Teilnehmende EbAV aus Deutschland – Auswahl durch die BaFin

In Deutschland wurde die Auswahl der teilnehmenden EbAV durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) getroffen. Betroffen sind sowohl Pensionskassen als auch Pensionsfonds, die eine tragende Rolle in der Altersversorgung zahlloser Arbeitnehmer spielen. Diese EbAV erhalten damit die Verpflichtung, ihre Kapitalanlagen und voraussichtlichen Zahlungsströme zum Stichtag 31. Dezember 2024 offenzulegen – und zwar jeweils mit und ohne Einberechnung des Stressszenarios. Die Frist zur Übermittlung der Ergebnisse an die BaFin endet am 11. Juli 2025.

„Für die betroffenen Versorgungseinrichtungen bedeutet dies eine intensive Auseinandersetzung mit ihren eigenen Finanzierungstrukturen“, erklärt Dr. Schulte. Die Anforderungen an Datentiefe und Analysefähigkeit steigen, was auch einen positiven Effekt auf das interne Risikomanagement dieser Akteure haben dürfte.

Ein mehrstufiges Validierungsverfahren – Vertrauen durch Transparenz

Die EIOPA verfolgt bei der Bewertung der Stressszenarien ein mehrstufiges Validierungsverfahren in Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden wie der BaFin. Zwar werden die Ergebnisse einzelner Einrichtungen nicht veröffentlicht – sehr vollständig, jedoch wird EIOPA im Dezember 2025 einen umfassenden Bericht präsentieren, der die Namen aller teilnehmenden EbAV enthält. Diese teilweise Transparenz sorgt aus Sicht von Dr. Schulte für eine interessante Balance zwischen Datenschutz und Markttransparenz: „Niemand erfährt, ob eine Einrichtung gut oder schlecht abgeschnitten hat – aber jeder sieht, wer zum Kreis der geprüften Träger gehört. Das schafft ein Basisvertrauen.“

Aus juristischer Sicht richtet sich die Offenlegung doch streng nach den Datenschutzregelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem europäischen Aufsichtsrahmen. Unternehmen, die nicht genannt werden, bleiben so vollständig unterhalb des öffentlichen Radars. Gleichzeitig aber entsteht ein Anreiz zur Teilnahme und ein Interesse daran, nicht vom Reporting ausgeschlossen zu erscheinen.

Liquiditätsrisiken im Lichte des deutschen Aufsichtsrechts

Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt

Das deutsche Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und die darauf basierende EbAV-Aufsichtsverordnung (EbAV-AufsV) geben klare regulatorische Vorgaben zur Risikosteuerung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Insbesondere § 234g VAG enthält wesentliche Bestimmungen zur Kapitalanlagepolitik von EbAV, inklusive der Anforderungen an Sicherheit, Qualität, Liquidität und Rentabilität. In Verbindung mit § 124 Abs. 1 VAG ist eine kontinuierliche Auslagerung von Liquiditätsengpässen sicherzustellen, um die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versorgungsansprüche zu gewährleisten.

Der Grundsatz der Liquiditätssicherung ist nicht optional, sondern verpflichtend. Wer Altersversorgungsträger sein will, muss auch unter Krisenbedingungen zahlungsfähig sein“, so Dr. Schulte. Wird ein Finanzmarkt umgeschlagen, können Kurse sinken, Kapitalanlagen illiquide werden – dann entscheidet sich, ob ein tragfähiges Risikomanagement implementiert wird.

Rechtliche Folgen bei unzureichender Vorbereitung

Sollte sich im Rahmen einer solchen externen Bewertung herausstellen, dass eine Einrichtung nicht ausreichend liquides Kapital zur Verfügung hat, stehen auch Sanktionen oder aufsichtsrechtliche Einschränkungen im Raum. Die BaFin kann hierbei im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse nach §§ 320 bis 324 VAG entsprechende Anordnungen treffen.

Darüber hinaus stellt die Teilnahme an einem solchen Stresstest eine zusätzliche rechtliche Verantwortung dar. „Die Geschäftsleitung der EbAV wird faktisch in die Pflicht genommen, aktiv zu evaluieren, ob das eigene Anlageportfolio krisenfest ist“, hebt Dr. Schulte hervor. Bestehen Abweichungen zu den aufsichtsrechtlichen Sollvorgaben, kann dies auch haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. So sind sowohl Organhaftungstatbestände nach dem Aktien- oder GmbH-Recht als auch deliktische Haftungsansprüche gegenüber anderen Beteiligten denkbar.

EIOPA als strategischer Richtungsgeber für den EU-Raum

Die Rolle der EIOPA geht dabei weit über die reine Aufsicht hinaus. Sie ist auch die Koordinierungsstelle für harmonisierte Standards im Bereich der betrieblichen Altersversorgung innerhalb der EU. Der fünfte Stresstest für EbAV reiht sich ein in eine Serie von Maßnahmen, die für ein resilienteres europäisches Versorgungssystem sorgen sollen.

Ein harmonisierter Aufsichtsansatz innerhalb eines vielfältigen Marktes – dieser Spagat gelingt nur, wenn nationale Eigenheiten berücksichtigt und gleichzeitig gemeinsame Standards entwickelt werden. Dr. Schulte hierzu: „EIOPA hat es sich zur Aufgabe gemacht, Aufsicht europaweit wirksam zu gestalten. Der Weg führt über Stresstests und validierte Datensammlungen – ein Modell mit Zukunft.“

Ausblick: Neue Stresstests als Dauerinstrument?

Es ist zu erwarten, dass die Ergebnisse des nun laufenden Stresstests Einfluss auf die zukünftige Regulierung haben werden. Politische Entscheidungsträger beobachten die Resilienz der Finanzsysteme derzeit sehr genau. Der Versicherungssektor mit seinen langfristigen Verbindlichkeiten steht dabei besonders im Fokus.

Dr. Schulte sieht in dieser Entwicklung einen wichtigen Meilenstein: „Stresstests liefern keine Panikmache, sondern realistische Risikoanalysen. So kann jedes Versorgungswerk die eigene Stabilität verbessern – ein Gewinn für alle Beteiligten.“ Gerade in Zeiten sich verändernder Marktbedingungen – etwa durch Klimarisiken oder geopolitische Unsicherheiten – bietet ein vorausschauendes Risikomanagement unter Stressbedingungen erhebliche Vorteile.

Fazit: EIOPA setzt neue Maßstäbe für Sicherheit und Vertrauen

Die Durchführung des fünften EbAV-Stresstests ist Ausdruck eines modernen Aufsichtsverständnisses. Er zielt auf Vorsorge, Transparenz und strategisches Risikomanagement – Werte, die auch im nationalen deutschen Recht tief verankert sind. Durch die gezielte Beleuchtung von Liquiditätsrisiken erfährt ein häufig unterschätzter Aspekt neue Aufmerksamkeit in der juristischen wie politischen Diskussion.

Für Dr. Thomas Schulte bleibt klar: „Die Kombination aus rechtlicher Verantwortung, wirtschaftlicher Pflicht und europäischer Regulierung verlangt von EbAV heutzutage ein tiefes Verständnis ihres eigenen Risikoprofils. Nur wer dieses besitzt, kann vertrauensvoll und nachhaltig Altersvorsorge gewährleisten.“

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 11219 vom 15. Mai 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich