Vollendete Hehlerei nur bei Absatzerfolg

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Inhaltsverzeichnis
Recht und Gesetz

Der spektakuläre Fund von 1285 ungerahmten und 121 gerahmten Meisterwerken namhafter Künstler von Picasso bis Chagall – von Prof. Dr. Erik Kraatz

Der erst kürzlich bekannt gewordene spektakuläre Fundim Laufe einer Durchsuchung vom 28. Februar 2012 in der Wohnung des 79-jährigen Cornelius Gurlitt in München-Schwabing haben nicht nur den Umgang mit NS-Raubkunst in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, sondern rechtlich gleichermaßen den Straftatbestand der Hehlerei (§ 259 des Strafgesetzbuchs), in deren Auslegung sich nach Jahrzehnten (endlich) eine Wende in der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzeichnet.

Zugrunde lag folgender Fall:

Ein Dieb hatte die im Atelier eines Malers entwendeten Bilder (Gesamtwert: 1,5 Millionen Euro) für einen guten Preis an einen Hehler verkauft, der seinerseits zehn Bilder hiervon an den Angeklagten übergab, damit dieser Käufer fand. Der Angeklagte vermutete zwar, es könne sich um Diebesgut handeln, er stellte wegen der in Aussicht gestellten Provision in Höhe von 10 % aber keine Fragen. So fertigte er Fotografien und führte Gespräche mit verschiedenen Personen. Dennoch gelang es ihm nicht, die Bilder zu verkaufen.

Die Frage, ob der Angeklagte nicht nur eine versuchte, sondern eine vollendete Hehlerei begangen hat, richtet sich danach, ob er die ihm übergebenen Bilder im Sinne des § 259 Strafgesetzbuch „abgesetzt“ hat. Die bisherige ständige Rechtsprechung (so etwa Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. 11. 1976 – 4 StR 255/76, BGHSt 27, 49 [50]; Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. 4. 1980 – 5 StR 135/80, BGHSt. 29, 239 [241 f.]; Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.06.1997 – 1 StR 119/97, BGHSt. 43, 110 [111]) würde dies bejahen, da sie keinerlei Absatzerfolg verlangt. Begründet wird dies damit, dass der Gesetzgeber, als er zum 1.1.1975 den früheren Hehlereitatbestand mit der Tathandlungsvariante „Mitwirken zum Absatz“ durch „Absetzen“ ersetzte, keine inhältliche Änderung der Rechtslage gewollt habe und der frühere Tatbestand stets so ausgelegt worden sei, dass ein Erfolg der Absatzbemühungen nicht notwendig sei. Auch würden ansonsten besonders gefährliche Vorbereitungshandlungen (wie z.B. das „Umfrisieren“ gestohlener Fahrzeuge) straflos, was eine nicht hinnehmbare Strafbarkeitslücke darstelle.

Ein starkes Argument

Im Schrifttum (so etwa Altenhain, in: Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 259 Rn. 48 f.; Lauer, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 259 Rn. 83; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 39 Rn. 34; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 22 Rn. 35) ist dies schon lange kritisiert worden: Zum Ankauf bzw. Sichverschaffen sei unstreitig die Erlangung der Verfügungsgewalt nötig, d.h. der Täter muss die Sache tatsächlich erlangt haben; scheitern also die Absatzbemühungen des Hehlers, weil der Kauf doch nicht zustande kommt, so wäre der vermeintliche Ankäufer noch keiner vollendeten Hehlerei strafbar, wohl aber der Verkäufer – ein seltsames Ergebnis. Zudem widerspreche die bisherige Rechtsprechung dem Strafbarkeitszweck des § 259 Strafgesetzbuch: Dieser besteht darin, dass die rechtswidrige Besitzlage bezüglich des durch eine rechtswidrige tat erlangten Gegenstandes aufrechterhalten wird in der Weise, dass die Sache weiter weg vom eigentlichen Eigentümer gebracht wird. Derartiges ist aber erst mit dem Erfolg des Absatzes erfolgte, so dass von einer vollendeten Hehlerei ohne Absatzerfolg noch nicht gesprochen werden kann. Der 3. Strafsenat möchte sich dieser Kritik nun anschließen und untermauert dies noch mit einem plastischen Wortlaut-Argument: „Im Verkehr unter Kaufleuten, aus dem der Begriff [Absetzen] stammt, würde niemand davon sprechen, dass ein Händler Waren abgesetzt hat, wenn er sich nur vergeblich um den Verkauf bemüht hat“ – angesichts des im Strafrecht herrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes nach Art. 103 Absatz 2 des Grundgesetzes (mit dem Wortlaut als äußerster Grenze der Auslegung) ein starkes Argument.

Da ein Senat des Bundesgerichtshofs jedoch (zur Gewährleistung einer einheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung) nicht von einer Entscheidung eines anderen Senats abweichen kann, hat der 3. Strafsenat bei den anderen Senaten nach § 132 Absatz 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) angefragt, ob diese an ihrer bisherigen Rechtsprechung festhalten. Es bleibt nur zu hoffen, dass die anderen Senate ihre Rechtsprechung aufgeben, damit tatsächlich erfolglose Absatzbemühungen gerechterweise auch nur einen Versuch der Hehlerei darstellen, mit der dann möglichen Strafmilderung wegen (bloßen) Versuchs nach §§ 23 Absatz 2, 49 Strafgesetzbuch.

Dr. Thomas Schulte

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Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 1119 vom 24. November 2013 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

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