von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt
„Gerichtsprozesse sind bekanntlich die Hölle, teuer, nervig und zeitraubend. Der Richter versteht den Fall nicht und der Anwalt hat auch keinen Durchblick“ so hört man immer wieder. Was tun, wenn der Rechtsanwalt wirklich den Fall versenkt hat. Der Beitrag beschäftigt sich mit einem aktuellen Fall.
Derzeit vertreten die Anwälte einen Kläger, welcher in einem Vorprozess zu einer Zahlung verurteilt wurde. In dem Vorprozess ging es darum, dass der damals alkoholkranke Kläger angeblich einen Versicherungsvertrag abgeschlossen, jedoch nie eine Versicherungspolice erhalten hat. Es erfolgten aber regelmäßige Abbuchungen kleiner monatlicher Prämien von seinem Konto. Als der Kläger seine Krankheit erkannt und diese erfolgreich ca. 2 Jahre nach dem angeblichen Vertragsschluss therapiert hatte, begann er zusammen mit einem sehr guten Bekannten seine Unterlagen durchzusehen. Dabei wurde festgestellt, dass monatlich eine Versicherungsprämie abgebucht, aber keine diesbezüglichen Unterlagen vorhanden sind.
Der mit der Vertretung beauftragte Rechtsanwalt wurde dann über den gesamten Vorgang informiert und auch darauf hingewiesen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des angeblichen Vertragsschlusses alkoholkrank war. Darüber hinaus wurde der Rechtsanwalt auch informiert, dass Zeugen zur Verfügung stehen, dass in den Unterlagen keine Police gefunden wurde und auch die Abforderung der Zweitschrift ohne Erfolg war.
Der Anwalt hielt diese Informationen aber zurück und verwertete diese nicht:
Weder klärte der Rechtsanwalt den Sachverhalt prozessverwertend auf, noch trug er ihn ansatzweise bei Gericht vor. Vielmehr beschränkte er sich darauf, den Zugang der Police zu bestreiten und dass somit kein wirksamer Vertragsschluss zustande gekommen sei. Das Versicherungsunternehmen ließ darauf hin vortragen, dass in der EDV keine Anruf vermerkt sei und eine Zweitpolice abgefordert wurde. Insofern ging das Versicherungsunternehmen von einer Zustellung aus, da auch knapp zwei Jahre die Versicherungsprämien gezahlt wurden.
Das Gericht des Vorprozesses sah den Vortrag des Versicherungsunternehmens ausreichend an, um von einem Vertragsschluss ausgehen zu dürfen und verurteilte den Kläger zum Schadensersatz.
Da auch die Berufung erfolglos blieb – der damalige Rechtsanwalt hatte sich an das falsche Gericht gewandt – sollte über einen guten Rechtsanwaltskollegen die Berufshaftpflicht des Rechtsanwalts in Anspruch genommen werden. Es passierte jedoch nichts.
Daraufhin wandte sich der Kläger an die Anwälte, welche den Rechtsanwalt nunmehr in die Haftung nehmen. Grund dafür ist, dass der frühere Rechtsanwalt durch eine anwaltliche Pflichtverletzung eine gerichtliche Fehlentscheidung herbeigeführt hat.
Der Anwalt haftet nicht für Fehler des Gerichts
Grundsätzlich sind gerichtliche Fehlentscheidungen nicht dem Verhalten des Anwalts zuzurechnen; es sei denn der Anwalt hat sich nicht pflichtgemäß verhalten. So sieht es auch der Bundesgerichtshof.
Nach Auffassung der obersten Bundesrichter ist die Pflichtverletzung durch den Rechtsanwalt dann ursächlich, wenn bei pflichtgemäßen Verhalten der Vorprozess einen anderen Verlauf genommen hätte.
Was bedeutet das:
Obwohl das Urteil des Vorprozess rechtskräftig ist, muss nunmehr das mit dem Prozess gegen den Rechtsanwalt betraute Gericht überprüfen, wie das Verfahren des Vorprozesses richtig zu entscheiden gewesen wäre, wenn der Rechtsanwalt den gesamten Sachverhalt vorgetragen und entsprechend Beweis angeboten hätte.
Es kommt also entscheidend darauf an, ob das Gericht bei ordnungsgemäßem Vortrag hätte richtig entscheiden können und müssen und die Fehlentscheidung darauf zurück geht, dass der Anwalt einen vollständigen Sachvortrag unterlassen hat. Schließlich ist der Anwalt dazu verpflichtet, seinen Mandanten vor gerichtlichen Fehlentscheidungen der Gerichte zu bewahren.
Der Anwalt hat die Pflicht sämtliche Informationen dem Gericht zur Verfügung zu stellen. Das war hier die Pflichtverletzung.
Die Kanzlei ist seit 1995 schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Kapitalanlagen- und Bankenrechts sowie auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes tätig und vertritt bundesweit die Interessen einzelner Anleger. Die Kanzlei verfügt über zwei Büros in Berlin.
Ergänzende Absenderangaben mit allen Kanzleistandorten finden Sie im Impressum auf unserer Internetseite www.dr-schulte.de