Sind Anzeigenverträge immer rechtlich bindend? - Dr Thomas Schulte

Anzeigenverträge – ein sanfter Blick auf knifflige Punkte

Wenn Werbe.Wert Verlagshaus GmbH einen Vertrag schließt, sind manche Kunden unglücklich, von Dr. Thomas Schulte, Rechtsanwalt

Im Vertrieb von Anzeigen im Verlagswesen werden seit Langem bekannte Tricks angewendet. Kunden werden durch Appelle an ihre Eitelkeit, durch Gruppendruck, Bildungseifer und durch die Einbindung von Reputationspersonen wie dem Bürgermeister überzeugt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Vertreter, die in Dörfern von Haus zu Haus gingen und sogenannte Ehrenbücher anboten. In diesem Ehrenbuch sollten alle im Krieg Gefallenen namentlich erwähnt werden; das Buch sollte in jedem Haushalt und im Rathaus verfügbar sein. Dadurch wurde auch die Zustimmung des Ortsbürgermeisters sichergestellt. Bereits 1964 warnte das ZDF vor solchen Praktiken. Später wurde ein ähnlicher Trick verwendet: Man bot Gewerbetreibenden Anzeigen in Stadt- und Ortsmagazinen an, die ein Vorwort des Bürgermeisters enthielten. Oder man verkaufte Lexika an der Haustür an Hausfrauen und Mütter, mit dem Argument, ihre Kinder sollten doch eine höhere Schulbildung erhalten. Diese Methoden werden fraglich als betrügerisch oder zumindest moralisch verwerflich diskutiert.

Direktvertrieb am Telefon unter Kaufleuten

Moderne Zeiten, digital und mobil, der “Cold Call”. Auch über das Werbe.Wert Verlagshaus GmbH gibt es Beschwerden und das Kleingedruckte hat schon öfter die Gerichte beschäftigt. Wer einen Vertrag schließt, weiß, der Kaufmann wird von Reue getrieben. Spätestens, wenn die Rechnung von Werbe.Wert oder anderen kommt, kommt die Reue. Kann ich also zurücktreten? Gerade, wenn jemand das Gefühl hat, getäuscht worden zu sein? Wie sind jetzt die Rechte des Vertragspartners? 

Rückabwicklung von Verträgen unter Kaufleuten

Zu beachten ist, dass der Vertrag immer zwischen Kaufleuten geschlossen wird, sodass die besonderen Schutzbedingungen für Verbraucher nicht gelten, weil ein Unternehmer im Sinne von § 14 BGB den Vertrag schließt. Meistens erfolgt ein Telefonanruf und danach kommt ein Vertrag via E-Mail zustande. Gerade bei Verträgen über Werbemaßnahmen hat der Unternehmer häufig das Gefühl, Geld zu verbrennen, weil der Effekt nicht messbar ist. Ein Werbeveröffentlichungsvertrag wie eine Broschüre oder eine Anzeige ist ein Werkvertrag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches. Erst einmal legal. 

Laut Gerichtsurteilen, die bekannt sind, geht es beim Vorwurf gegen Werbe.Wert um Folgendes: Die Unternehmer erhalten einen “Cold Call” und sind interessiert, einen Vertrag über den Druck einer Anzeige in einem zu verteilenden Druckwerk zu schließen. Im schriftlichen Vertrag steht dann, dass es nicht nur einen Druckauftrag gibt für einige Hundert Euro, sondern über ein Vielfaches davon. So einen teuren Vertrag wollte der Unternehmer aber nicht schließen. 

Unklarer Vertragsinhalt – Werbewert ist unklar

Dem Unternehmer, der einen solchen Vertrag schließt, steht jedenfalls nicht das Argument des unklaren Vertragsinhalts zur Seite. Das Landgericht Bad Kreuznach, 1 S 84/16 Urteil vom 01.03.2017 hat entschieden, dass dann nicht bezahlt werden muss. 

Im vorliegenden Fall ging es um eine Klage eines Unternehmens, das elektronische Branchenverzeichnisse betreibt, gegen einen Teppichhändler, der eine Werbeanzeige auf der Website des Unternehmens geschaltet hatte. Das Unternehmen verlangte vom Teppichhändler die Zahlung der Vergütung für die Schaltung der Anzeige. Das Amtsgericht wies die Klage ab, da die zugrundeliegende Vereinbarung als Vertrag unwirksam sei. Es fehle an der nach § 241 BGB erforderlichen Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der Leistung. 

Der Vertrag wurde als Werkvertrag eingestuft, da es dem Teppichhändler erkennbar darauf ankam, sein Geschäft durch die Schaltung der Werbeanzeige einem größeren potenziellen Kundenkreis bekannt zu machen. Der Werkvertrag war jedoch unwirksam, da die Parteien keine hinreichend bestimmte Vereinbarung über die Werbewirksamkeit der Anzeige getroffen hatten. Es fehlten Angaben zu Kriterien, die den Umfang der Bekanntmachung der Werbeanzeige bei potenziellen Kunden bestimmen könnten.  Der Vertrag enthielt keine Angaben dazu, wie viele Besuche auf der Internetseite in einem bestimmten Zeitraum mindestens stattfinden, ob und an welcher Stelle die Anzeige bei Eingabe bestimmter Suchbegriffe in Suchmaschinen angezeigt wird und ab welchem Datum die Werbeanzeige geschaltet werden soll.   Im Grunde ist so eine Argumentation gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Urteil des VII. Zivilsenats vom 17.5.2018 – VII ZR 70/17 nicht auf der Ebene der Wirksamkeit des Vertrages, sondern im Bereich von Betrug und Schadenersatz zu suchen. Hier ging es um Anzeigen im Internet, die aber nicht sichtbar waren für die breite Bevölkerung. 

Kündigung möglich? Denn mir reicht es

Wer als Kaufmann einen Vertrag unterschreibt, dem steht ein Kündigungsrecht zur Seite. Das hilft aber nicht. Der Besteller eines Werkvertrags kann gemäß § 648 BGB kündigen, hat aber das Problem, dass er dann trotzdem zahlen muss. Diese freie Kündigung hat also keinen wirtschaftlichen Erfolg für den Käufer. Ein sonstiges Kündigungsrecht besteht nicht, weil der Besteller auch aus wichtigem Grund gemäß § 648a BGB nicht kündigen kann. Wichtige Gründe können sein:

  • Erhebliche Verzögerungen durch den Unternehmer
  • Endgültige Verweigerung der Vertragserfüllung
  • Schwerwiegende Vertragsverletzungen

Diese Gründe liegen nicht vor. 

Vertragsaufhebung – ohne Freiwilligkeit geht gar nichts.

Eine Vertragsaufhebung wegen Reue ist möglich, allerdings an die Freiwilligkeit gebunden. 

Verbraucherwiderruf – schade, ich bin kein Verbraucher

Für Unternehmer gelten nicht die Möglichkeit des Verbraucherwiderrufs. Das Recht auf Verbraucherwiderruf steht nur Verbrauchern bei Verträgen zu, die als Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz abgeschlossen haben, wie beispielsweise bei Online-Bestellungen oder telefonisch vereinbarten Verträgen. Die Widerrufsfrist beträgt in der Regel 14 Tage und beginnt je nach Vertragsgegenstand am Tag nach Erhalt der Ware oder Vertragsschluss. 

Anfechtung arglistige Täuschung – weil meine Ehre getroffen ist

Wenn ein Kaufmann wegen arglistiger Täuschung anfechten will, muss er die Täuschung beweisen und nicht nur behaupten. Ein Richter, der einen solchen Streit entscheiden soll, war ja bei dem Gespräch nicht dabei. Arglistige Täuschung ist eine vorsätzliche Irreführung, bei der eine Person eine andere bewusst täuscht, um sie zur Abgabe einer Willenserklärung zu bewegen. Dies kann durch falsche Angaben oder das Verschweigen wichtiger Informationen geschehen. Die wesentlichen Merkmale einer arglistigen Täuschung sind:

  1. Vorsätzlichkeit: Der Täuschende handelt bewusst und absichtlich.
  2. Hervorrufen eines Irrtums: Es wird eine falsche Vorstellung beim Getäuschten erzeugt oder bestärkt.

Anfechtung Inhaltsirrtum – ich wollte einen Vertrag über eine einzige Anzeige und nicht über mehrere Anzeigen schalten

Im Rahmen des deutschen Zivilrechts spielt der Begriff des Inhaltsirrtums (§ 119 Abs. 1 BGB) eine wichtige Rolle, insbesondere bei Vertragsverhandlungen und -abschlüssen. Ein Inhaltsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende zwar das äußere Bild seiner Willenserklärung korrekt formuliert, jedoch den rechtlichen Inhalt oder die Konsequenzen seiner Erklärung falsch einschätzt. 

Ein Beispiel im Rahmen der Werbe.Wert Verlagshaus GmbH hierfür wäre der Irrtum darüber, ob es sich bei einer vereinbarten Zahlung um eine einmalige oder wiederkehrende Leistung handelt. In einem solchen Fall könnte der Erklärende den Vertrag anfechten, wenn der Irrtum eine wesentliche Bedeutung für das Geschäft hat. Einen Irrtum muss der Irrende aber beweisen. 

Werbeanruf – schließlich ist das verboten

In Deutschland sind Cold Calls, also unerwünschte Werbeanrufe ohne vorherige Einwilligung, grundsätzlich auch gegenüber Gewerbetreibenden unzulässig. Das Verbot dieser Anrufe basiert auf dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen und andere Marktteilnehmer gilt.

Sollte ein Kaufmann argumentieren, dass ein Vertrag wegen eines verbotenen Cold Calls nichtig sei, ist dem nicht zu folgen. Obwohl das UWG dazu dient, Verbraucher und Geschäftsleute vor unlauteren Geschäftspraktiken zu schützen, führt ein Verstoß nicht zur Ungültigkeit des Vertrags. Wer einen gewerblichen Kunden ohne dessen Einverständnis anruft, verstößt gegen das Gesetz und kann abgemahnt werden, doch die Rechtsfolge ist nicht die Nichtigkeit des Vertrags.

Die Bundesnetzagentur bietet die Möglichkeit zur Beschwerde über unerwünschte Werbeanrufe. Sie verfolgt solche Verstöße und kann bei Nachweis Bußgelder von bis zu 300.000 Euro gegen die Verantwortlichen verhängen.

Verstoß gegen die Notwendigkeit, einen Gesamtpreis zu zeigen

Zwischen Unternehmern und Verbrauchern gilt die Preisangabenverordnung (PAngV), die verlangt, dass die Preistransparenz im Handel und bei Dienstleistungen gewährleistet wird. Sie verpflichtet Unternehmen, die Waren oder Leistungen gegenüber Verbrauchern anbieten oder mit Preisen werben, klare und eindeutige Preisangaben zu machen. Dieses Gesetz gilt aber nicht bei Geschäften zwischen zwei Unternehmern.

Der Kernpunkt der Verordnung ist die Angabe des Gesamtpreises, der alle Preisbestandteile einschließlich der Umsatzsteuer umfassen muss. Dieser Gesamtpreis muss unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Für Verbraucher sind diese Normen selbstverständlich, z.B. wenn Essen im Restaurant bestellt oder an der Tankstelle Benzin gekauft wird. 

Verstoß gegen AGB-Recht

Die Klauseln des Vertrags geben eine Seite vor. Die Schutzvorschriften gegen “Kleingedrucktes“ gelten aber nur eingeschränkt für Kaufleute. Die Generalklausel des § 307 I S.1 BGB gilt jedoch uneingeschränkt. AGB-Klauseln dürfen den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen. Wenn ein Kaufmann  aber einen Vertrag nicht klar liest, hat er sozusagen Pech, weil die Klauseln in sich verständlich sind. 

Erfüllung des Werkvertrages

Der Vertragsinhalt spricht davon, dass Anzeigen geschaltet und dann verteilt werden. Beweislast für die Erfüllung des Werkvertrages liegt bei dem Auftragnehmer. So muss beispielsweise bewiesen werden, dass 6.000 Stück gedruckt und verteilt werden. Laut vorliegenden Urteilen ist der Beweis gelungen. 

Mit anderen Worten: Es ist schwierig im Kaufmannskontor, im Bett zu bleiben ist einfacher. 

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 9571 vom 17. Oktober 2024 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich