Vorsicht vor Abmahnungen bei Werbe-E-Mails - Dr. Thomas Schulte

Landgericht Berlin – öffentlicher Aufruf, E-Mails zu senden, ist keine Generaleinwilligung

Abmahnung droht – 15 O 337/24 Beschluss des Landgerichts Berlin und kostet bis zu einige hundert Euro.

E-Mails sind einfach und schnell versandt. Offenbar ist vielen Gewerbetreibenden unbekannt, dass die Zusendung auch an andere Gewerbetreibenden ohne Zustimmung unzulässig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt die Zusendung einer Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung des Adressaten einen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb dar. Solche Eingriffe zielen direkt auf den Betrieb und beeinträchtigen regelmäßig den Betriebsablauf, da der Empfänger Zeit für das Sichten und Aussortieren der ungewünschten E-Mails aufwenden muss. Dies verursacht zusätzlichen Arbeitsaufwand und, sofern keine Pauschalentgelte vereinbart sind, können zudem Kosten für die Online-Verbindung und den Empfang der E-Mails entstehen. Der BGH hat diese Auffassung unter anderem im Beschluss vom 20. Mai 2009 bestätigt (Az.: I ZR 218/07). Wer also eine E-Mail sendet, dem droht eine Abmahnung mit einigen hundert Euro Kosten. 

Darlegung und Beweispflicht einer Rechtsfalle

Nicht zu beachten sind dabei Rechtsfallen von Profiabmahnern. Die Entscheidung des Berliner Kammergerichts vom 09.12.2016 (Az. 5 U 163/15) zeigt eine wichtige Entwicklung im Umgang mit sogenannten „Rechtsfallen“, insbesondere im Bereich des Abmahnrechts. Eine Rechtsfalle liegt vor, wenn ein Gewerbetreibender bewusst eine Rechtsverletzung provoziert, um anschließend Abmahnungen zu versenden und daraus wirtschaftliche Vorteile zu ziehen, oft durch die Erstattung von Anwaltskosten oder Vertragsstrafen.

In solchen Fällen muss derjenige, der eine Abmahnung erhalten hat, den Nachweis erbringen, dass die Abmahntätigkeit nicht im berechtigten Interesse des Abmahners erfolgt, sondern vielmehr darauf abzielt, systematisch Rechtsverletzungen zu provozieren. Hierfür reicht es nicht aus, einfach zu behaupten, dass eine solche Rechtsfalle vorliegt. Vielmehr muss detailliert dargelegt werden, dass die Abmahnung keine echte Durchsetzung rechtlicher Interessen, sondern nur eine Methode ist, um Gewinne zu erzielen, die in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur eigentlichen gewerblichen Tätigkeit des Abmahners stehen.

Das Kammergericht hat damit klargestellt, dass die Darlegungslast beim Abgemahnten liegt. Er muss also nachweisen, dass der Abmahner in einer Weise agiert, die als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden kann. Dies kann durch die Analyse der Abmahntätigkeit des Abmahners erfolgen.

Eine E-Mail zu senden ohne Einwilligung ist unzulässig. Wünscht jemand eine Abmahnung abzuwehren, weil er meint, Opfer einer Rechtsfalle zu sein, muss der Abgemahnte die Rechtsfalle beweisen. 

Ergebnis: E-Mails sind unzulässig

Die Zusendung einer unerwünschten E-Mail im geschäftlichen Kontext kann nach deutschem Recht als rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen werden. Solche E-Mails, auch wenn sie auf den ersten Blick harmlos erscheinen mögen, beeinträchtigen den Geschäftsbetrieb des Empfängers, da sie unerwünscht sind und den normalen Betriebsablauf stören können. § 7 UWG regelt die unzumutbare Belästigung durch geschäftliche Handlungen, insbesondere Werbung mittels E-Mails.

Einwilligung kann erteilt werden

Die Rechtsprechung gibt hier klare Richtlinien vor. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Rechtsprechung betont, dass jede Einwilligung in den Empfang von E-Mails, insbesondere gewerblicher Natur, klar, freiwillig und bewusst erfolgen muss. Diese Vorgaben bilden den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen die Zulässigkeit von Einwilligungen überprüft wird. Es reicht nicht aus, wenn eine Einwilligung lediglich implizit erteilt wird oder aus einer unklaren Handlung heraus abgeleitet werden kann.

Teilnahme an gewerblichen Netzwerken wie LinkedIn oder Facebook, Instagram und Xing nicht ausreichend

Problematisch ist, wie die Einordnung der Zusendung von E-Mails in sozialen Netzwerken gehandhabt wird. Viele Nutzer gehen davon aus, dass durch die Teilnahme an solchen Plattformen eine generelle Zustimmung zur Kontaktaufnahme gegeben wird – und das möglicherweise sogar auch für gewerbliche Zwecke. Doch dies ist ein Trugschluss, wie das Landgericht Berlin in einem Urteil deutlich gemacht hat. Viele Firmen nutzen soziale Netzwerke als effektives Tool zur Neukundengewinnung. Aber die strengen Vorgaben der Gerichte zur Einwilligung machen es schwierig, Kontakte aus sozialen Netzwerken ohne ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen für Werbezwecke zu nutzen. Eine einfache Nachricht, die in einem beruflichen Netzwerk verschickt wird, könnte unter Umständen als unzulässige Werbemail gewertet werden, wenn nicht klar ist, dass der Empfänger den Empfang solcher Nachrichten zugestimmt hat. Die Rechtsordnung hat auch entschieden, dass die AGB nicht ausreichen. Also gilt: Die Teilnahme an einem Onlinenetzwerk bedeutet keine Zustimmung der Zusendung von E-Mails. Auch in den AGB versteckte Zustimmklauseln sind nicht ausreichend. 

Rechtsauffassung des Landgerichts Berlin problematisch

In dem entschiedenen Fall hatte der spätere Abmahner selbst das Publikum aufgefordert, sich zu melden. Er hatte Personalanzeigen geschaltet und gebeten, dass ihm entsprechende Mitarbeiter empfohlen werden. “Wer, wen kennt, soll sich melden.“ Eine Personalvermittlung, die Angebote sandte, wurde dann später abgemahnt.  Auch diese sogenannte Generaleinwilligung bewertete das Gericht als nicht ausreichend, mit dem schwachen Argument, dass ja vorab nicht bekannt sei, welches Unternehmen sich an den Abmahnenden wendet (Seite 4 der Entscheidung). Nach richtiger Auffassung kann nicht abgemahnt werden, wenn eine Generaleinwilligung erteilt wurde. Hier gilt das Schneeballschlachtargument: Wer an einer Schneeballschlacht teilt, nimmt, rechnet damit auch eine Ladung Schnee abzubekommen. Richtigerweise muss ein Kaufmann, der öffentlich zu Geschäftsangeboten auffordert, damit rechnen, auch E-Mails zu erhalten. 

Das Prüfungsschema ist also

E-Mail gesandt ohne Einwilligung führt zur Abmahnung, Ausnahme sind Generaleinwillungen oder Rechtsmissbrauch des Abmahners: Das Nachweisrisiko für Generaleinwilligungen und Rechtsmissbrauch trägt der E-Mail-Versender. Eine Einwilligung durch die Teilnahme an Netzwerken wird nicht erteilt. 

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 9487 vom 17. Oktober 2024 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich