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Auf dem Bewertungsportal gelogen – haftet der Betreiber?

Bundesgerichtshof entscheidet über die Haftung des Betreibers eines Hotelbewertungsportals für unwahre Tatsachenbehauptungen eines Nutzers

Es gibt zahlreiche Bewertungsportale im Netz, über Lehrer, Ärzte, Restaurants oder insbesondere diverse Hotelbewertungsportale wie HolidayCheck, Trivago, www.hotelbewertung.de, www.tripadvisor.de oder www.zoover.de. Auf diesen Seiten können Reisende nach ihrem Aufenthalt Hotels und Clubanlagen bewerten und so für Hotelsuchende ein gutes Meinungsbild vermitteln. Dieser Trend, vor Abschluss einer Reise sich den Reiseort über GoogleEarth anzuschauen und Hotelbewertungsportale zu studieren, haben nicht nur Hotelbesitzer erkannt; nach Berichten bezahlen sogar einzelne Hotelanlagenbesitzer Mitarbeiter, damit diese vermeintlich gute Bewertungen abgeben.

Aber den Hotelbesitzern droht noch weiteres Ungemach. Sind Urlauber unzufrieden, scheuen sie zumeist nicht vor übertrieben dramatischen Berichten und Beschimpfungen. Werden derartige Bewertungen auf einem Portal veröffentlicht, stellt sich die Frage nach einer Haftung des Betreibers. 

Im Internet gilt natürlich: lügen und betrügen ist verboten; was ist aber los, wenn man den Täter nicht findet?

 

Bisherige Rechtsprechung zur Frage: Haftet der Bewertungsportalbetreiber für Rechtsverstöße

Die untergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Haftungsfrage ist vielfältig:

Das Landgericht Hamburg, Urteil vom 01.09.2011327 O 607/10, entschied, dass das Publizieren nutzergenerierter Hotelbewertungen eine Handlung des Betreibers des Hotelbuchungsportals sei, wenn dieser die Entscheidung über das „Ob“ der Veröffentlichung der einzelnen Bewertungen trifft und die Nutzer seines Freigabeaktes bedürfen. Da die Attraktivität besonders ausführlicher Nutzerbewertungen die Internetnutzer verstärkt anziehe und auf das entgeltliche Angebot der Vermittlung und Durchführung von Hotelbuchungen ausstrahle, hafte derjenige, der fremde Tatsachenbehauptungen verbreite, im Wettbewerbsverhältnis für die Richtigkeit der verbreiteten Tatsachenbehauptungen als Täter im Sinne des § 4 Nummer 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), ohne dass dies von der Einhaltung etwaiger Prüfpflichten abhängig wäre.

Das Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 11.9.2013 – 4 U 88/13, entschied demgegenüber, dass der Host-Provider seiner aus der Eröffnung eines Bewertungsportals resultierenden Pflicht, Störungen zu vermeiden, genüge, wenn er die Rüge eines Hotelbesitzers (das Hotel wurde als „Hühnerstall“ bezeichnet) an den Autor des Beitrags weiterleite; hält dieser darauf seine nicht im Bereich der Schmähkritik liegende Meinungsäußerung aufrecht, brauche der Beitrag noch nicht einmal entfernt zu werden.

Fall des Bundesgerichtshofs

Dieser Streit um die Pflichten eines Hotelbetreibers hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19.03.2015, Aktenzeichen I ZR 94/13) nun grundsätzlich entschieden:

Im konkreten Fall ging es um die Betreiberin eines Online-Reisebüros und eines damit verknüpften Hotelbewertungsportals mit 17,8 Mio. Aufrufen („Visits“) pro Monat. Die Hotelbewertungsdatenbank, auf der aktuell über 2 Millionen Bewertungen zu über 120.000 Hotels abrufbar sind, bildet dabei den Schwerpunkt des Bewertungsportals. Nutzer können im Portal Hotels auf einer Skala zwischen eins (sehr schlecht) und sechs (sehr gut) bewerten. Hieraus berechnet das Portal bestimmte Durchschnittswerte und eine Weiterempfehlungsrate. Bevor die Betreiberin Nutzerbewertungen in ihr Portal aufnimmt, durchlaufen diese eine Wortfiltersoftware, die u.a. Beleidigungen, Schmähkritik und Eigenbewertungen von Hotelinhabern auffinden soll. Unauffällige Bewertungen werden automatisch veröffentlicht. Ausgefilterte Bewertungen werden von Mitarbeitern der Betreiberin geprüft und dann ggf. manuell freigegeben.

Unter der Überschrift „Für 37,50 € pro Nacht und Kopf im DZ gabs Bettwanzen“ erschien im Hotelbewertungsportal eine Bewertung des Hotels der Klägerin, in der folgende Behauptungen vorkamen:

„a) die Matratze besteht aus ca. 4 cm Schaumstoff;

b) sauber war nur das Badezimmer;

c) die Zimmer bzw. Betten waren mit Bettwanzen befallen;

d) eine Mitarbeiterin der Klägerin habe behauptet, dass dies schon mal vorkomme;

e) die verseuchten Zimmer seien (erst) auf mehrmalige telefonische Nachfrage geschlossen worden;

f) das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 91 ausgestattet gewesen;

g) das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung EUR 50,- gezahlt werden müssten.“

Die Hotelbetreiberin mahnte die Betreiberin des Portals ab und verlangte eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung. Die Betreiberin entfernte die beanstandete Bewertung von ihrem Portal, gab aber die strafbewehrte Unterwerfungserklärung nicht ab. Daraufhin verklagte die Klägerin die Portalbetreiberin auf Unterlassung der unwahren, von der Klägerin als geschäftsschädigend eingestuften Tatsachenbehauptung.

Das Landgericht Berlin (Urteil vom 16.02.2012 – 52 O 159/11) sowie das Kammergericht Berlin (Urteil vom 16.04.20135 U 63/12) wiesen die Klage ab.

Grundsätze der Rechtsprechung zu diesem Thema

Mangels spezieller gesetzlicher Regelungen hat die Rechtsprechung einige Kriterien zur Beurteilung entwickelt. 

Übertragungsgrundsatz

Der Bundesgerichtshof zeigt durch seine Entscheidung zunächst, dass die Rechtsregelungen der realen Welt auf Internet-Sachverhalte grundsätzlich zu übertragen sind (sog. Übertragungsgrundsatz). Insbesondere bei ehrverletzenden Äußerungen im Internet ist grundsätzlich – wie sonst auch – die Meinungsfreiheit des Einzelnen gegen die geschützten Rechte Dritter (insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die eigene Ehre sowie das Recht am eigenen Bild [Foto] etc. beinhaltet) abzuwägen. Die hier in der realen Welt festgelegten Grenzen der freien Rede gelten auch im Internet: So unterfallen falsche, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen (z.B. Herr Müller greift immer in die Kasse und veruntreut Geld) dem Straftatbestand der üblen Nachrede (§ 186 des Strafgesetzbuchs) und sollten daher unterbleiben. Dies gilt generell für ehrverletzende Tatsachenbehauptungen, da hier derjenige, der die Äu­ße­rung trifft, die materielle Beweislast für die Wahrheit der behaupteten Tatsache trägt und somit das volle (Verurteilungsrisiko) trägt, wenn der Beweis der Wahrheit der Tatsachenaussage vor Gericht (aus welchem Grund auch immer) nicht erbracht werden kann.

Eine weitere Grenze der freien Rede stellt der Beleidigungs-Tatbestand dar (§ 185 Strafgesetzbuch), der Angriffe auf die innere Ehre (sog. Selbstwertgefühl) oder/und die äußere Ehre (der gute Ruf) unter Strafe stellt. Zwar sind Werturteile grundsätzlich vom Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt, jedoch nur soweit sie nicht darauf gerichtet ist, die Persönlichkeit des anderen herabzusetzen, so dass nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des anderen im Mittelpunkt steht – der andere wird also bewusst „durch den Dreck gezogen“. Beispiel: Der Geschäftsführer einer Hotelkette wird als „unfähiger Taugenicht, ein elender Wurm und Halsabschneider“ bezeichnet. Derartige Äußerungen sind nach dem Übertragungsgrundsatz gleichfalls im Internet strafbar. Zivilrechtlich kann deren Unterlassung und Beseitigung verlangt werden.

Keine eigene Behauptung der Portalbetreiberin

Der Bundesgerichtshof stellte jedoch zunächst klar, dass die Tatsachenbehauptung keine eigene „Behauptung“ der Portalbetreiberin darstelle, weil sie sich diese weder durch die Prüfung der Bewertungen noch durch deren statistische Auswertung inhaltlich zu Eigen gemacht habe.

Sekundäre Prüfpflicht und „Grundsatz einer faktischen Wiederholung“

Da die Haftung eines Diensteanbieters im Sinne des § 2 Nummer 1 Telemediengesetz (TMG), der – wie die Portalbetreiberin – eine neutrale Rolle einnehme, nach §§ 7 Absatz 2, 10 Satz 1 Nummer 1 TMG eingeschränkt sei, hafte  er nur dann für die unwahren Tatsachenbehauptungen eines Dritten, wenn er spezifische ihm zumutbare Prüfpflichten verletzt habe, deren Intensität sich nach den Umständen des Einzelfalles richte.

Hierhinter steckt – auch wenn der Bundesgerichtshof es leider nicht so klar ausführt – der „Grundsatz einer faktischen Wiederholung“, wie er rechtlich für Rechtsverletzungen in Funk und Fernsehen entwickelt wurde: Dort ist inzwischen anerkannt, dass die sog. mediale Privilegierung für rechtsverletzende Meinungsäußerungen in Live-Sendungen sich nicht auf Wiederholungen erstreckt, da dem Veranstalter hier die Möglichkeit offen steht, die durch eine Wiederholung erfolgende erneute Verbreitung von ihm bekannten ehrverletzenden Äußerungen Dritter während der Sendung durch eine Zensur zu verhindern; erfolgt dies nicht, so haftet der Veranstalter. Diese gleichen Grundsätze sind auf den Betreiber eines Internetportals übertragbar. Entfernt dieser den rechtswidrigen Inhalt auf eine konkrete Beanstandung hin nicht unverzüglich, so kann er abgemahnt oder gegen ihn mittels einstweiliger gerichtlicher Verfügung vorgegangen werden.

Keine Haftung auf Unterlassung

Eine Haftung auf Unterlassung bestehe in einem solchen Fall erst, wenn der Betreiber eines Internetportals Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt. Dieser Pflicht habe die Beklagte genügt und deshalb auch keine wettbewerblichen Verkehrspflichten im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG verletzt. Im Streitfall bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ein hochgradig gefährliches Geschäftsmodell betreibe, das besondere Prüfungspflichten auslöse.

Fazit

Der Gesetzgeber hat in einem Gesetzesentwurf zur Erreichung eines flächendeckenden WLAN-Netzes jüngst eine weitgehende Haftungsfreistellung des Betreibers von Hotspots unter bestimmten Voraussetzungen erwogen. Die für die Betreiber von Hotelbewertungsportalen bestehenden Rechtsunsicherheiten hat der Bundesgerichtshof mit der vorliegenden Entscheidung weitgehend beseitigt und für Klarheit gesorgt: Der Betreiber eines Hotelbewertungsportals habe wie der Betreiber eines Blogs lediglich eine sekundäre Prüfpflicht, wenn ihm ein Verstoß gemeldet werde.

Nochmals: der geschilderte Fall betrifft die Gruppe der Fälle, bei denen echte Verbraucher sich äußern.

Ansonsten gilt: Identitätsdiebstähle sind verboten. Wer so tut als sei er Verbraucher und seinen Mitbewerber heimlich schlechtmacht, haftet …..wesentlich härter. 

 

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 1576 vom 25. März 2015 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

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