Recht und Gesetz

Ausrutschen auf der Banane – das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo im 21. Jahrhundert im Zeitalter der Informationsgesellschaft – Datensammeln mit Kundenkarten

Der Käufer fällt über die Banane im Supermarkt und verletzt sich. Ein ungeschickter Mitarbeiter hatte die Banane nicht weggeräumt – also eine alltägliche Banalität. Jeder Jurist kennt diesen Schulfall mit dem Tausende von Juristen gelernt haben, dass das Bürgerliche Gesetzbuch gewisse Probleme nicht gesehen und einfach vergessen hatte.  Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ist die wichtigste Quelle des deutschen Privatrechts und trat bereits am 1.1.1900 in Kraft (genauer die Ausfertigung am 18. August 1896 und Verkündung am 24. August 1896).
Gott sei Dank haben wir ja Gerichte!  Bereits das Reichsgericht konnte dann aber den Fall im Jahre 1911 entscheiden (RGZ 78, 239 [1911). Am 7.12.1911 wurde festgehalten, dass ein Kaufhaus für einen Fehler eines Angestellten gegenüber einem Kunden aus Vertrag (Anbahnung eines Kaufvertrages) haftet. „Wer fällt kriegt Geld“.
Durch Gesetzesänderung wurde dann einhundert Jahre später der neue § 311 II BGB geschaffen, welche diese vergessene Fallgruppe regeln sollte (Vorschrift neu gefaßt durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001) zum 01.01.2001.
Wieder hat der Bürger Glück, dass der Gesetzgeber eine neunzig Jahre Anregung des Reichsgerichts in einem neuen Jahrhundert aufnimmt.

Die Wochenzeitung „Zeit“ (http://www.zeit.de/2004/34/Big_Brother) berichtet nun, dass diese Fallgruppe wieder von dem Aussterben bedroht ist. Im Rahmen der Kundenüberwachung mittels Kundenkarten/ Rabattkarten etc. können die Informationen auch gegen den Kunden verwandt werden. Thomas Fischermann schreibt in der Zeit, „Unter Verdacht“, über eine neue Fallgruppe aufgrund der Datensammelwut: „… Den Eindruck hatte Albrecht auch, als sie 1999 ihre Organisation Caspian (Customers Against Supermarket Privacy Invasion & Numbering) gründete und seither mit Fernsehauftritten wie auf Branchenkonferenzen Krawall schlägt. »Solche Karten erlauben es den Händlern, nie dagewesene Datenmengen über die Einkäufe und Gewohnheiten ihrer Kunden zu sammeln«, sagt sie. Bei Stop & Shop zum Beispiel werde längst auch ein System namens Smart Mouth entwickelt. Es könne Millionen von Kundendaten auf ihre Ernährungsgewohnheiten hin auswerten – ob man zum Beispiel zu viel Fett, Zucker oder Salz zu sich nehme. Bei einer Branchenkonferenz will Albrecht erfahren haben, dass das Management solche Daten schon einmal mit Krankenversicherern austauschen wollte. Als ein kalifornischer Kunde namens Robert Rivera vor einiger Zeit im Vons-Supermarkt auf einer Jogurtlache ausrutschte, wollte er den Markt wegen seiner gebrochenen Kniescheibe verklagen. Nach Auskunft seines Anwalts konterte der Supermarkt: Die Kaufgeschichte von Herrn Rivera deute darauf hin, dass der Mann Alkoholiker sei. Das werde man vor Gericht verwenden.
Längst sind es nicht mehr nur die Einkäufe selbst, die in den Datenbanken landen. Die Systeme der Firma Envirosell zum Beispiel erlauben es Supermarktbesitzern, jeden Kunden mit automatischen Kameras bei seiner ganzen Einkaufstour zu begleiten – und sogar auf sein Gesicht zu zoomen, wenn er irgendwo länger verweilt. Andere Firmen von IBM bis Brickstone, ShopperTrak bis KartSaver bieten vergleichbare Technologien an. Ein Unternehmen namens AccuData aus Florida verspricht Supermarkt-Managern, ihre Daten mit zusätzlichen Informationen aus anderen Datenbanken anzureichern – und ein noch kompletteres Bild ihrer Kundschaft zu erstellen. …“
Mit anderen Worten: Meiden Sie unbedingt Konsumverhalten mit elektronischer Schleifspur – sei es Payback, Kundenkarten, Rabattkarten, Kreditkarten etc, falls Sie eines Tages betrunken oder auch nicht im Supermarkt hinfallen sollten. Aufgrund der Videoüberwachung schlagen wir sicherheitshalber eine Vermummung vor.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 354 vom 18. August 2004 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

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