Bundesgerichtshof bleibt konsequent
– Klarstellungen zum Haustürwiderruf bei Verbundgeschäften –
Mit einem am 12.12.2005 verkündeten Urteil (II ZR 327/04) hat der zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofes seine konsequent anlegerfreundliche Linie bei verbundenen Immobilienfondsfinanzierungen fortgesetzt. Dabei scheint sich eine Entspannung zwischen dem zweiten und dem elften Zivilsenat in einigen Fragen abzuzeichnen. Zugleich wird wesentlichen Argumentationsketten der finanzierenden Banken in den unteren Instanzen der Boden entzogen.
Zu entscheiden war ein Fall, der typischer kaum sein könnte:
Die klagende Bank nimmt zwei Anleger eines Immobilienfonds auf Zahlung der gesamten, zur Finanzierung des Fonds aufgenommenen Darlehenssumme in Anspruch. Die Anleger haben Widerklage auf Rückzahlung der geleisteten Zinsen und Tilgungen erhoben. Zu dem fragwürdigen Engagement bei dem Immobilienfonds, der zwischenzeitlich Zahlungsunfähig geworden ist und dessen Initiator rechtskräftig verurteilt worden ist, kamen die Anleger nach einem Besuch eines Anlagevermittlers in ihrer Privatwohnung „Ende Juni / Anfang Juli 1993“. Kurze Zeit später, „im Juli 1993“ unterzeichneten die Anleger eine undatierte Beitrittserklärung zu dem Fonds, der durch einen treuhänderisch tätigen Rechtsanwalt im August 1993 vollzogen werden sollte. Am 14.07.1993, also zwei Wochen nach dem ersten Besuch des Anlagevermittlers in der Privatwohnung und möglicherweise nach Ablauf der damals einwöchigen Widerrufsfrist für den Fondsbeitritt, unterzeichneten die Anleger einen Darlehensantrag, wobei die Unterschriften von einem Notar beglaubigt wurden. Wann der Darlehensantrag von der finanzierenden Bank angenommen wurde, wird in dem Urteil nicht mitgeteilt. Die Darlehenssumme wurde ausgezahlt. Am 30.06. / 12.07.1999 wurden die Darlehenskonditionen geändert.
Während die Kläger den Fondsbeitritt und das Darlehen wegen arglistiger Täuschung und Widerruf nach dem Haustürwiderrufgesetz gekündigt haben, hielt die Bank die Darlehen für wirksam und klagte auf Zahlung. In der ersten Instanz wurde die Klage abgewiesen und die Widerklage der Anleger positiv beschieden, während das Oberlandesgericht Schleswig genau anders herum entschied: Die Bank sollte die Darlehenssumme erhalten, die Anleger blieben auf dem unrentablen Fondsanteil sitzen.
Der BGH hat der Ansicht des Oberlandesgerichts Schleswig ebenso wie einer in den Instanzgerichten nunmehr im Vordringen befindlichen anlegerfeindlichen Haltung eine Abfuhr erteilt. Insbesondere vor dem Berliner Kammergericht und den Berliner Landgerichten wäre ein derartiger Fall voraussichtlich nicht zu gewinnen gewesen. Wie das Kammergericht im Urteil 4 U 41/04 vom 02.11.2004 entschieden hat, ist eine Haustürsituation nicht mehr bestimmend für den späteren Darlehensvertragsabschluss, wenn zwischen Unterzeichnung des Fondsbeitritts und eines Darlehensantrages am 24.05.1996 einige Wochen ins Land gehen und erst im Juni 1996 der Darlehensvertrag rechtskräftig unterzeichnet wird.
Die Begründung des Kammergerichts: Der Anleger hätte ja bis zum endgültigen Abschluss des Darlehensvertrages eine Woche lang Zeit gehabt, seinen Beitrittsantrag zu dem Fonds zu widerrufen und das finanzielle Engagement zu überprüfen. Da er dies nicht getan hat, wirke die ursprüngliche Haustürsituation auf den später abgeschlossenen Darlehensvertragsabschluss nicht mehr fort.
Die der Kammergerichtsentscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation ist mit derjenigen des aktuellen BGH-Urteils absolut vergleichbar. Der BGH kommt jedoch zu einem ganz anderen Schluss, nämlich dazu, dass ein „Bestimmen“ gemäß des HaustürWG vorliegt. Denn:
Ein derartiger Zusammenhang ist schon dann anzunehmen, wenn die Haustürsituation für den späteren Vertragsschluss mit ursächlich geworden ist. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist nicht erforderlich. Es genügt, dass der später geschlossene Vertrag ohne die Haustürsituation nicht oder nicht so wie geschehen zustande gekommen wäre. …
Auch in weiteren Punkten entscheidet der BGH zugunsten des Verbrauchers. So wird zunächst festgestellt, dass es nicht erforderlich ist, dass der Darlehensvertrag in der Haustürsituation tatsächlich unterschrieben wird. Erforderlich ist lediglich, dass die auf den Darlehensvertrag hinzielenden Verhandlungen in einer Haustürsituation vorgenommen wurden.
Ebenso verbraucherfreundlich wie deutlich wendet sich der Bundesgerichtshof auch von der bisher vertretenen Auffassung sowohl des zweiten als auch des berüchtigten elften Zivilsenates ab, dass eine Haustürsituation der Bank auch unter den besonderen Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB zurechenbar sein muss. Nach dieser Norm war die Haustürsituation nur dann zurechenbar, wenn die Bank wusste oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass eine Haustürsituation vorgelegen haben kann. Diese Ansicht war stark kritisiert und fand in den Gesetzesbegründungen kaum eine Stütze. Der Europäische Gerichtshof hat diese Auffassung auch durch Urteil vom 25.10.2005 für nicht europarechtskonform angesehen. Demgemäß ist es nur folgerichtig, dass der zweite Zivilsenat nach ausdrücklicher Absprache mit dem elften Zivilsenat, „der insoweit keine Einwende hat“ nicht mehr an dieser Ansicht festhält. Zumindest in diesem Punkt scheint somit eine Annäherung der Rechtsprechung der beiden Zivilsenate zu gelingen.
Auch einem weiteren Standardverteidigungsvorbringen der Banken ist durch das aktuelle BGH-Urteil der Boden entzogen worden. Üblicherweise sind die für die Finanzierung der Fondsbeteiligungen ausgegebenen Darlehen mit einer fünf bis zehnjährigen Zinsbindungsfrist versehen gewesen, so dass nach Ablauf der Frist die Darlehenskonditionen neu verhandelt werden müssten. Die Argumentation der Banken in diesem Punkt ist stets, dass durch die geänderten Konditionen stets ein neuer Vertrag abgeschlossen würde und dieser neue Vertrag den Zusammenhang mit dem Fondsgeschäft beseitigen würde. Zumindest für den „alten Vertrag“ bis zum Ablauf der Zinsbindungsfrist könne daher kein Haustürwiderruf mehr erklärt werden, da dieser vollständig erledigt sei. Für den neuen Vertrag liege gar keine Haustürsituation vor, so dass auch dieser nicht widerrufen werden könnte. Auch diese Argumentation ist von dem BGH abgelehnt worden. Zumindest für den Fall der Änderung der Darlehenskonditionen „handelt es sich nicht um neue Darlehensverträge, sondern … um eine Konditionenanpassung“.
Der zweite Zivilsenat des BGH hält somit an seiner anlegerfreundlichen Linie auch unter dem neuen Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Götte fest. Es bleibt nur zu hoffen, dass auch die Instanzgerichte dem BGH nunmehr Folge leisten werden.