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BGH verhandelt am 28.10.2014 über die Verjährung von Ansprüchen auf Rückforderung von Bearbeitungsgebühren

BGH: Bearbeitungsgebühr-AGBs sind unwirksam

Mit Urteilen vom 13.05.2014 (Aktenzeichen XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13) hat der Bundesgerichtshof allgemeine Geschäftsbedingungen, nach denen die Bank bei Abschluss eines Verbraucherdarlehens ein Bearbeitungsentgelt verlangen können, für unwirksam erklärt. Die Klausel benachteilige den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinne des § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unangemessen, könne die Bank doch nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Absatz 1 Satz 2 BGB die anfallenden Kosten der Kreditbearbeitung und -auszahlung durch den laufzeitunabhängig bemessenen Zins abdecken und daher grundsätzlich daneben kein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt verlangen. Diese Kosten, die die Bank grundsätzlich im eigenen Interesse nach der gesetzlichen Wertung zu tragen habe, könne er daher nicht auf den Kunden abwälzen. Bereits gezahlte Bearbeitungsgebühren müssten daher nach § 812 Absatz 1 Satz 1 Variante 1 BGB von den Banken zurückgezahlt werden.

Verjährungsproblem

Bislang noch nicht zu entscheiden hatte der Bundesgerichtshof dagegen die Frage, wann dieser Rückforderungsanspruch verjährt. Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre, beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB aber erst „mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger den von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste“. Vor allem der Verjährungsbeginn ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten: Reicht die Kenntnis vom Vertragsabschluss und der Zahlung des Bearbeitungsentgeltes aus (dann drei Jahre ab dem Schluss des Jahres des Vertragsabschluss mit der Folge, dass vor dem Jahre 2011 gezahlte Bearbeitungsentgelte nicht mehr zurückverlangt werden können) oder bedarf es auch der Kenntnis von der Unwirksamkeit der Vertragsklauseln und damit eines Rückforderungsanspruchs (dann nach § 199 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 BGB zehn Jahre ab dem Schluss des Jahres des Vertragsabschluss mit der Folge, dass sämtliche Bearbeitungsentgelte, die 2004 oder später gezahlt wurden, noch immer zurückverlangt werden können)?

Angesichts der Flut an Rückforderungsbegehren, denn sich die Banken derzeit ausgesetzt sehen, ist dies eine geradezu elementare Frage. Beim Bundesgerichtshof sind derzeit etwa 100 Revisionen hierzu anhängig und die Ombudsleute der Banken haben ca. 3000 Fälle alleine zu diesem Problem zur außergerichtlichen Einigung vorzuliegen.

Fall 1: BGH, XI ZR 348/13

Am 28.10.2014 verhandelt der Bundesgerichtshof nunmehr über die ersten beiden dieser Fälle: Im Fall 1 (Aktenzeichen XI ZR 348/13) schloss der Kläger mit der Bank am 8.12.2006 einen Darlehensvertrag über 7.164,72 EUR und zahlte eine „Bearbeitungsgebühr inkl. Auszahlungs- und Bereitstellungsentgelt“ von 189,20 EUR, am 13.10.2008 einen weiteren Darlehensvertrag über 59.526,72 EUR zuzüglich einer Bearbeitungsentgelts von 1.547,10 EUR sowie am 24.6./22.07.2011 einen dritten Darlehensvertrag über 12.353,04 EUR, wofür eine Bearbeitungsgebühr von 343 EUR anfiel. Mit der im Dezember 2012 erhobenen Klage begehrte der Kläger die Rückzahlung sämtlicher bearbeitungsentgelte in Höhe von insgesamt 2.079,30 EUR. Die Bank erkannte den Anspruch in Höhe von 1.015,96 EUR – darunter die Bearbeitungsgebühr für das 2011 ausgekehrte Darlehen – an und erhob im Übrigen die Einrede der Verjährung. Zu Recht, wie das Amtsgericht Stuttgart (Urteil vom 21.03.2013 – 3 C 600/12) und das Landgericht Mönchengladbach (Urteil vom 18.12.2013 – 13 S 127/13) meinen, seien dem Kläger doch mit der Unterzeichnung der Darlehensverträge alle den Anspruch begründenden Tatsachen bekannt gewesen.

Fall 2: XI ZR 17/14

Genau konträr entschieden die Vorinstanzen in Fall 2 (Aktenzeichen: XI ZR 17/14): Der dortige Kläger schloss am 5.2.2008 mit seiner Bank einen verbraucherdarlehensvertrag über 18.500 EUR und zahlte ein Bearbeitungsentgelt von 555 EUR, die er mit seiner im Jahre 2013 erhobenen Klage zurückverlangte. Auch hier berief sich die bank auf Verjährung. Zu Unrecht, wie das Amtsgericht Stuttgart (Urteil vom 24.07.2013 – 13 C 2949/13) sowie das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 18.12.2013 – 13 S 127/13) meinten: Im Falle einer Rechtsunkenntnis aufgrund einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage werde der Verjährungsbeginn hinausgeschoben.

Bisherige Tendenz in der Rechtsprechung

Zwischen diesen beiden divergierenden Sichtweisen wird sich der Bundesgerichtshof entscheiden und ein Grundsatzurteil fällen muss, um für Klarheit zu sorgen, angesichts der Vielzahl der Betroffenen möglichst bald. Betrachtet man die bisherige Rechtsprechung, so spricht mehr für die zweite Sichtweise:

Entscheidend für die den Verjährungsbeginn auslösende Kenntnis des Kunden ist zwar nicht die rechtliche Würdigung, sondern die Kenntnis allein der anspruchsbegründenden Tatsachen (so zuletzt Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.03.2005 – III ZR 353/04). Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn sich besondere rechtliche Probleme stellen, es sich also um eine verwickelte Rechtslage handelt, die erhebliche Zweifel am Erfolg einer Klage aufwerfen. So hat der Bundesgerichtshof etwa entschieden (Urteil vom 02.04.1998 – III ZR 309/96), dass im Falle einer Amtspflichtverletzung durch eine Straftat eine „Kenntnis“ des Verletzten davon, dass die Handlung des Amtsträgers widerrechtlich und schuldhaft war, nicht vor der rechtskräftigen strafrechtlichen Entscheidung gegeben sein könne. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 18.07.2006 – 17 U 320/05) entschied, dass der Kapitalanleger, der eine kreditfinanzierte Immobilienfondsbeteiligung über einen Treuhänder finanzierte und diesen nun wegen Unwirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Treuhänder sowie der Vollmacht an diesen wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz (heute: Rechtsdienstleistungsgesetz), „Kenntnis“ von den „Tatsachen“ seines Rückforderungsanspruchs vor der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28.09.2000 – IX ZR 279/99 – „Notarentscheidung“) hierzu und deren Ausdehnung auf kreditfinanzierte Immobilienbeteiligungen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2001 – XI ZR 321/00) nicht bestanden haben könne; als Laie brauchte der Kläger sogar erst ab 2002 Kenntnis gehabt haben.

Erwartbares Ergebnis: Rückforderung von seit 2004 gezahlten Bearbeitungsentgelten bis 31.14.2014

Überträgt man letzteres auf die Problematik der Bearbeitungsentgelte, so muss man zwar einräumen, dass es erste obergerichtliche Rechtsprechung zu Rückforderungsansprüchen auf das Bearbeitungsentgelt vermehrt im Jahre 2011 gab, zusammen mit ersten Presseberichten auch für den juristischen Laien, so dass die dreijährige Verjährungsfrist auch für ältere Verträge erst Ende 2011 zu Laufen begann und erst am 31.12.2014 endet. Angesichts der 10-jährigen kenntnisunabhängigen Verjährungshöchstfrist können somit bis Ende 2014 noch Rückforderungsansprüche geltend gemacht werden, die auf Darlehensverträgen beruhen, die seit dem 1.1.2004 geschlossen wurden.

Sollte der Bundesgerichtshof diese Sichtweise teilen, so würde er die Rückzahlungsverpflichtungen der Banken zwar weit lassen, begrenzt jedoch bis zum 31.12.2014 und damit ein durchaus salomonisches Urteil. Da bislang unklar ist, wann der Bundesgerichtshof sein Urteil verkünden wird, sollten sämtliche Kunden, die seit 2004 Bearbeitungsgebühren bezahlt haben, diese noch dieses Jahr geltend machen und notfalls einklagen.

Update 28.10.2014, 16.30 Uhr

Bundesgerichtshof entscheidet am 28.10.2014 genau in diesem Sinne, so dass sich die rechtliche Prognose der Rechtsanwälte Dr. Schulte und sein Team voll erfüllt hat.

 

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 1425 vom 28. Oktober 2014 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

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