HolidayCheck
Holidaycheck.de betreibt nach eigenen Angaben das größte deutschsprachige Meinungsportal für Reise und Urlaub im Internet. Zu ihren Kernkompetenzen zählt die große und stetig wachsende Hotelbewertungsdatenbank mit umfangreichem Urlaubsbilder-Archiv. Ihr Geld verdient das Unternehmen, hinter dem sich das Verlagshaus Hubert Burda Media befindet (das Hauptgesellschafter der Tomorrow Focus AG ist, die eine Mehrheitsbeteiligung an der börsennotierten HolidayCheck AG hält), hauptsächlich mit einem angeschlossenen TÜV-zertifizierten Online-Reisebüro, das mit Reiseveranstaltern zusammenarbeitet.
Neben der Verlockung für Besitzer von Hotels und Ferienanlagen, ihre Mitarbeiter gefälschte Urlauberbewertungen mit ausschließlich Lob für die „tolle Anlage“ schreiben zu lassen, müssen sich Hotelbesitzer auch immer wieder mit negativen Bewertungen auseinandersetzen.
A&O gegen HolidayCheck
So verhandelt der Bundesgerichtshof seit dem 23.10.2014 über eine erneuten Unterlassungsklage von A&O Hotels and Hostels Holding AG, Köpenicker Straße 126, 10179 Berlin (www.aohostels.com), nachdem die Berliner Low-Budget-Hotelkette bereits mehrfach versuchte, negative Bewertungen löschen zu lassen. So wurde das in der Nähe des Ostbahnhofs gelegenes A&O Hostel Berlin- Mitte bewertet mit Aussagen wie „die Matratze besteht aus ca. 4 cm Schaumstoff, die Zimmer bzw. betten waren mit Bettwanzen befallen, eine Mitarbeiterin [des Hostels] habe behauptet, dass dies schon mal vorkomme, die verseuchten Zimmer seien (erst) auf mehrmalige telefonische Nachfrage geschlossen worden, das Zimmer sei mit einem Fernseher anno 91 ausgestattet gewesen und das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt, da bei Beschädigung 50,- € gezahlt werden müssten“.
Um derartige Bewertungen einstellen zu können, müssen Nutzer von Holidaycheck sich mit einer E-Mail anmelden, woraufhin sie eine bestätigungs-E-Mail erhalten, die angeklickt werden muss. Jede von so registrierten Nutzern eingestellte Bewertung durchläuft vor ihrer Veröffentlichung ein automatisiertes Prüfungsverfahren, das ggf. zu einer „manuellen Tiefenrecherche“ durch Mitarbeiter von Holidaycheck führt.
A&O mahnte Holidaycheck wegen der obigen Bewertung ab. Daraufhin entfernte Holidaycheck die beanstandete Bewertung. Nunmehr verlangt A & O von Holidaycheck, es zu unterlassen, bestimmte in dem beanstandeten Bericht enthaltene Behauptungen aufzustellen oder entsprechende Behauptungen Dritter zu verbreiten.
Das Landgericht Berlin (Urteil vom 16.02.2012 – 52 O 159/11) und Kammergericht Berlin (Urteil vom 16.04.2013 – 5 U 63/12) wiesen die Klage zurück.
Rechtsgrundsätze im Internet
Um dies rechtlich richtig zu durchdringen, muss man sich der Rechtsgrundsätze bei ehrverletzenden Äußerungen im Internet bewusst sein:
- Übertragungsgrundsatz
Zunächt gilt der sog. Übertragungsgrundsatz, d.h. die Rechtsregelungen der realen Welt sind grundsätzlich zu übertragen, wenngleich die Besonderheiten des Internets einzubeziehen sind. Prüfungsgrundsatz: Wie wird die Rechtsfrage offline beantwortet? Hier ist grundsätzlich ein Parallelfall zu bilden, etwa, wie die entsprechende Rechtsaussage in einem Meinungsforum zu bewerten wäre, wenn sie in einer Zeitung oder im Fernsehen im Rahmen einer Diskussion geäußert worden wäre.
Insbesondere bei ehrverletzenden Äußerungen im Internet ist grundsätzlich – wie sonst auch – die Meinungsfreiheit des Einzelnen gegen die geschützten Rechte Dritter (insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die eigene Ehre sowie das Recht am eigenen Bild [Foto] etc. beinhaltet) abzuwägen. Die hier in der realen Welt festgelegten Grenzen der freien Rede gelten auch im Internet: So unterfallen falsche, ehrverletzende Tatsachenbehauptungen (z.B. Herr Müller greift immer in die Kasse und veruntreut Geld) dem Straftatbestand der üblen Nachrede (§ 186 des Strafgesetzbuchs) und sollten daher unterbleiben. Dies gilt generell für ehrverletzende Tatsachenbehauptungen, da hier derjenige, der die Äußerung trifft, die materielle Beweislast für die Wahrheit der behaupteten Tatsache trägt und somit das volle (Verurteilungsrisiko) trägt, wenn der Beweis der Wahrheit der Tatsachenaussage vor Gericht (aus welchem Grund auch immer) nicht erbracht werden kann.
Eine weitere Grenze der freien Rede stellt der Beleidigungs-Tatbestand dar (§ 185 Strafgesetzbuch), der Angriffe auf die innere Ehre (sog. Selbstwertgefühl) oder/und die äußere Ehre (der gute Ruf) unter Strafe stellt. Zwar sind Werturteile grundsätzlich vom Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt, jedoch nur soweit sie nicht darauf gerichtet ist, die Persönlichkeit des anderen herabzusetzen, so dass nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des anderen im Mittelpunkt steht – der andere wird also bewusst „durch den Dreck gezogen“. Beispiel: Der Geschäftsführer einer Gesellschaft wird als „unfähiger Taugenicht, ein elender Wurm und Halsabschneider“ bezeichnet. Derartige Äußerungen sind nach dem Übertragungsgrundsatz gleichfalls im Internet strafbar. Zivilrechtlich kann deren Unterlassung und Beseitigung verlangt werden.
- Grundsatz des Eigenschutzes im Internet
Hierbei gilt jedoch (leider) der sogenannte Grundsatz des Eigenschutzes im Internet: So gehen Gerichte wie die Diskussion in der Literatur davon aus, dass Betreiber von Meinungsforen oder Suchmaschinenbetreiber wie Google nicht ständig ihre Seiten nach rechtswidrigen Inhalten durchsuchen müssen, da dies unzumutbare Prüfpflichten bedeuten würde; vielmehr hat jeder Betroffene sich in erster Linie selbst zu schützen. Hierzu empfiehlt es sich, den eigenen Namen in gewissen Zeitabständen selbst zu googeln und die ausgegebenen Seiten nach verletzendem Inhalt zu überprüfen. Derartige Seiten sind Forenbetreibern oder Suchmaschinenbetreibern zu melden. Denn ansonsten würde man eine umfassende Pflicht von Foren- oder Suchmaschinenbetreibern statuieren, ihre Seiten ständig zu überwachen. Dies wird grundsätzlich als zu weitgehend und unzumutbar gehalten. Ausnahmen gibt es lediglich dort, wo ein Forenbetreiber einen Thread bewusst provozierend anmoderiert oder sich fremde Aussagen zu eigen macht.
- Grundsatz der faktischen Wiederholung
Erst wenn seitens eines Nutzers konkrete rechtswidrige Äußerungen beanstandet werden, ist der Internet-Administrator verpflichtet, diese Kommentare von der Internetseite zu nehmen. Hierhinter steckt der „Grundsatz einer faktischen Wiederholung“, wie er rechtlich für Rechtsverletzungen in Funk und Fernsehen entwickelt wurde: Dort ist inzwischen anerkannt, dass die sog. mediale Privilegierung für rechtsverletzende Meinungsäußerungen in Live-Sendungen sich nicht auf Wiederholungen erstreckt, da dem Veranstalter hier die Möglichkeit offen steht, die durch eine Wiederholung erfolgende erneute Verbreitung von ihm bekannten ehrverletzenden Äußerungen Dritter während der Sendung durch eine Zensur zu verhindern; erfolgt dies nicht, so haftet der Veranstalter. Diese gleichen Grundsätze sind auf den Betreiber einer Internetseite übertragbar. Entfernt dieser den rechtswidrigen Inhalt auf eine konkrete Beanstandung hin nicht unverzüglich, wofür teilweise nur wenige Stunden seitens der Rechtsprechung zugebilligt werden, so kann er abgemahnt oder gegen ihn mittels einstweiliger gerichtlicher Verfügung vorgegangen werden.
- Adressatentheorie
Die Reichweite der Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche des Verletzten (Beleidigten) richten sich hierbei nach dem konkreten Adressaten: Der Betreiber eines Internetforums hat (wie jeder Host-Provider) die ehrverletzende Äußerung vom Netz zu nehmen und mittels zuverlässiger Filtertechnik dafür zu sorgen, dass vergleichbare Inhalte nicht erneut auf der Internetseite landen.
Betreiber einer Suchmaschinenseite haben den Eintrag in ihren Suchmaschinen, der auf eine Seite mit rechtswidrigem Inhalt verweist, zu löschen sowie ihren Crawler entsprechend umzuprogrammieren, dass dieser Beitrag nicht zu einem späteren Zeitpunkt auf Grund von Aktivitäten des Betreibers der entsprechenden Internetseiten oder Veränderungen bei der Programmierung der Suchmaschine wieder in die Ergebnisliste ausgenommen wird. Ein Access-Provider hat auf Mitteilung von Seiten mit ehrverletzendem Inhalt ihm zumutbare Maßnahmen zu treffend, z.B. DNS- oder IP-Sperren. Sofern der Adressat des Beseitigungsbegehrens mehrere Rollen inne hat, treffen ihn sämtliche entsprechende Pflichten.
Entscheidung des Kammergerichts
Überträgt man dies auf den vorliegenden Fall, so erkennt man, dass es primär darum geht, ob sich Holidaycheck durch die Veröffentlichung die fremde Bewertung zu Eigen gemacht hat und damit unmittelbar auf Unterlassung haftet. Das Kammergericht hatte dies mit der Argumentation verneint, hierfür reiche es nicht aus, dass eingehende Bewertungen Privater zu einem Durchschnittswert und einer Weiterempfehlungsrate ausgewertet und dies geschäftlich genutzt würde. Da das „TÜV-zertifizierte Prüfverfahren“ zwar in der Standard-E-Mail an jeden, der eine Bewertung einsende, auftauche, ein unbefangener Leser von Bewertungen hiervon aber nichts erfahre, müsse dies außer Betracht bleiben. Zudem werde „Derjenige, der lediglich verschiedene Meinungen und Standpunkte zu einem bestimmten Thema zusammen- und gegenüberstellt, damit den Meinungsstand zu diesem Thema dokumentiert und gleichsam einen „Markt der Meinungen” eröffnet, wird von der Haftung als Verbreiter grds. ausgenommen“. Zudem sei der Diensteanbieter nach §§ 7 Absatz 2, 10 Satz 1 des Telemediengesetzes (TMG) nicht dazu verpflichtet, die Angaben eines Dritten vor der Einstellung in das Bewertungsportal inhaltlich zu überprüfen.
Kritik und Ausblick auf die BGH-Entscheidung
Dem wird solange zu folgen sein, wie für einen Leser des Bewertungsportals sich eine Prüfung nicht ergibt, denn eine solche – mag sie auch nur Schmähkritik auszufiltern – sorgt dafür, dass der Betreiber des Portals nur bestimmte Inhalte veröffentlicht. Am Ende der Seite befindet sich jedoch der allgemeine Hinweis, so dass auch jedem durchschnittlichen Leser klar sein muss, dass nur „geprüfte […] Hotelbewertungen und Hotelbilder“ veröffentlicht werden. Es liegt daher nahe, dass dies entsprechend der bisherigen Rechtsprechung etwa zur Veröffentlichung von Kochrezepten nach einer Prüfung durch die Betreiberin einer Koch-Homepage ausreichend ist, um ein Sich-zu-Eigen-Machen seitens HolidayCheck zu bejahen. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof derart strenge rechtliche Grenzen für Bewertungsportale weiterhin mitzutragen bereit ist. Notwendig sind sie allemal, damit dem Eindruck vieler Menschen, im Internet herrsche noch immer der „Wilde Westen“ ohne taugliche Schutzrechte, endlich entgegengewirkt wird.