Der Bundesgerichtshof hat eine wichtige Entscheidung rund um Prozesskostenhilfe getroffen und betont, dass Gehaltsunterlagen und Vermögensnachweise grundsätzlich nur dem Gericht vorgezeigt werden müssen.
Guter Rat ist teuer – gerade vor Gericht. Rechtsanwaltskosten und Gerichtskosten können sich viele Betroffene nicht leisten. Da Gerechtigkeit und gleicher Zugang zu Gericht ein wichtiges Gut in einem Rechtsstaat sind, erhält eine wirtschaftlich nicht leistungsfähige Partei staatliche Unterstützung (Prozesskostenhilfe – bis zum 1981 sprachlich schöner: „Armenrecht“).
Voraussetzungen Prozesskostenhilfe
Die Prozesskostenhilfe ist von zwei Voraussetzungen abhängig:
Der geplante Prozess oder die Verteidigung in einem Prozess müssen eine „hinreichende Aussicht auf Erfolg“ bieten, d.h. dürfen nicht von vornherein ganz aussichtslos sein. Das prüft das Gericht vor dem eigentlichen Gerichtsverfahren.
Die Partei, die staatliche Beihilfe bekommt, muss wirtschaftlich bedürftig sein i.S.d. Gesetzes.
Die Armut im Sinne des Gesetzes weist der Antragsteller i.d.R. durch entsprechende Unterlagen wie eine Steuererklärung und das Ausfüllen eines amtlichen Formulars nach. Das Formular ist unten auf der Website auszudrucken. Früher wurde der Nachweis der Armut durch die Wohnsitzgemeinde auch „Armutszeugnis“ genannt.
Darf der Prozessgegner die Unterlagen zur „Armut“ einsehen?
Bisher war seit vielen Jahren klar geregelt, dass diese höchstpersönlichen Daten in einem Prozess nicht der Gegenseite offenbart werden dürfen, sondern vertrauliche Gerichtsunterlagen sind.
Der Bundesgerichtshof hat diese Auffassung trotz einer Gesetzesänderung seit 2014 jetzt bestätigt.
In einem Scheidungsverfahren war dem Ehemann Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte die Ehefrau, ihr die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehemannes gemäß § 117 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zugänglich zu machen. Nachdem das Familiengericht sowie das Oberlandesgericht diesen Antrag abgelehnt hatten, hat nun der Bundesgerichtshof am 29. April 2015 unter dem Aktenzeichen XII ZB 214/14 diese Rechtsauffassung bestätigt.
Der Bundesgerichtshof stellt zunächst klar, dass ein Akteneinsichtsgesuch nach abgeschlossenem Gerichtsverfahren nicht an das Gericht, sondern an die Gerichtsverwaltung zu richten sei, die die Akten aufbewahrten. Die Einsicht richte sich dabei nach § 299 Abs. 2 ZPO, da der Gegner nach abgeschlossenem verfahren ein unbeteiligter „Dritter“ sei, der ohne Einwilligung nur ein Akteneinsichtsrecht erhalte, wenn er „ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht“ habe. Ein rechtliches Interesse ist hierbei nur zu bejahen, wenn sich ein solches aus einer Rechtsnorm ergibt, wenn es der Abwehr von Ansprüche dient, wenn ein dritter Schuldner sich Auskunft über Vermögenspositionen des Schuldners erhofft, die er in dem Verfahren gemacht hat oder wenn er die Angaben im Zwangsvollstreckungsverfahren kontrollieren möchte.
Der Bundesgerichtshof betonte, dass die Prüfung, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer Partei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen, allein Sache des Gerichts sei und nicht der gegnerischen Prozesspartei, so dass der Gegner bereits während eines laufenden Prozesses kein Akteneinsichtsrecht in diese Angaben habe. Daran ändere sich durch § 117 Abs. 2 S. 2 ZPO nichts, wonach die Erklärung und die Belege dem Gegner auch ohne Einwilligung der antragstellenden Partei zugänglich gemacht werden kann. Denn Zweck dieser Vorschrift sei es gewesen, für den Fall eines bestehenden materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs über die Vermögenslage des anderen die Erklärung dem Gegner zur Stellungnahme zuleiten zu können; dies sollte eine verbesserte Aufklärung durch das Gericht ermöglichen, zugleich aber (durch das Erfordernis eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs) den Hilfsbedürftigen datenschutzrechtlich absichern. Einen Auskunftsanspruch kann der Prozessgegner hieraus daher nicht ableiten. Oder in den klaren Worten des höchsten deutschen Zivilgerichts: Die Norm des § 117 Abs. 2 ZPO „dient nicht der Befriedigung von – im Einzelfall streitigen – privatrechtlichen Auskunftsansprüchen der Parteien, sondern nur der verbesserten Amtsaufklärung. Subjektive Ansprüche auf Auskunftserteilung sind weiterhin in einem darauf gerichteten Hauptsacheverfahren geltend zu machen.“
Fazit: „Armenrecht“ – Prozesskosten – Richtige Angaben bei Prozesskostenhilfe
Die Prozesskostenunterlagen bleiben grundsätzlich unter Verschluss.
Wichtig ist aber der Hinweis: Falsche Angaben in Prozesskostenhilfe-Anträgen führen nicht nur, wenn sie denn doch herauskommen, rückwirkend zur Aufhebung der Prozesskostenhilfe und damit zu einer erheblichen Kostenlast (so etwa Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2012, Aktenzeichen IV ZB 16/12) führen, sondern stellen auch einen Betrug dar (§ 263 Strafgesetzbuch), der mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann.