Alte Tricks und neue Opfer
Vermeintliche internationale Bankhebelgeschäfte als Falle
von RA Dr. jur. Thomas Schulte, Berlin
Sie sind angeblich äußerst lukrativ, sie kommen vielsprachig und geheimnisumwoben daher – so genannte internationale Bankhebelgeschäfte. Beeindruckend klingende Fachbegriffe wie „Client information“, „Proof of Investment“, „letter of intent“, „Standby Letter of Credit“ oder „Bank Guarantees“ sind trügerisch. Doch wie funktioniert die Masche? Und wie machen manche aus einem Euro ein riesiges Vermögen?
Wichtig für den Erfolg der professionellen Anlagebetrüger sind lückenhafte Englischkenntnisse sowie mangelnde Kenntnisse der Mathematik, des Bankgeschäftes, sowie eine gewisse Wundergläubigkeit der auserwählten Opfer. Von den Spitzen der deutschen Wirtschaft bis in die letzte Kneipe in der westfälischen Pampa – das Profil ihrer potentiellen Opfer passt auf ca. 98 % aller deutschen Anleger. Denn gesucht werden vermögende Opfer, die mit den üblichen Zinsen und Renditen klassischer Kapitalanlagen unzufrieden sind. Verständlich, denn bei einer konservativen Anlage erhielte der Anleger jährlich drei Prozent Zinsen. Inflationsbereinigt bleibt da unterm Strich nicht viel übrig.
In englischer Sprache verfasste Unterlagen werden präsentiert, damit das Opfer die letzten Winkelzüge nicht verstehen kann. Wer gibt da schon gern zu, dass sein Schulenglisch nicht ausreicht, um die Informationen zu durchdringen? Zudem muss das Opfer oftmals zu Terminen reisen und wird wochenlang vertröstet. Dann wird behauptet, dass eine ausländische Bank die Möglichkeit einer lukrativen Kapitalanlage durch Hebelgeschäfte biete. Derlei Geschäfte gibt es zwar in der Praxis nicht, das Opfer will die Geschichte aber gern glauben. Das eigentliche „Geldvermehrungsprogramm“ gibt es in verschiedenen Versionen.
Bei einer sehr verbreiteten Variante erhält ein Investor (Bank) durch die Hergabe eines Vermögensgegenstands – z.B. durch Verpfändung, Sicherungsübereignung, Abtretung etc. – die Verfügungsmöglichkeit über diesen Vermögensgegenstand. Aufgrund der Sicherheit erhält die Bank dann einen Kredit von der staatlichen Währungsbank, der dann an Dritte weiter vergeben wird.
Problemlose 25 % Rendite? Ein Rechenbeispiel:
Der geköderte Anleger „investiert“ beispielsweise 10.000 Euro in die Hebelgeschäfte. Mit dieser Sicherheit erhält die Bank daraufhin angeblich von der Währungsbank ein Darlehen in Höhe von 50.000 Euro, das an einen Dritten als Kredit herausgereicht wird. Bei den vermeintlichen Bankhebelgeschäften erhält der Anleger die Hälfte des Ertrages durch den Kredit von der Bank bei vereinbarter Kostenteilung. Konkret gerechnet heißt das, ein Kredit von 50.000 Euro kostet bei der Währungsbank fünf Prozent jährlich, also 2.500 Euro. Der an Dritte vergebene Kredit bringt nun Zinsen in Höhe von 15 Prozent und damit einen Zinsertrag von 7.500 Euro. Werden die Kosten von 2.500 Euro abgezogen, verbleiben 5.000 Euro als Reingewinn – also je 2.500 Euro Ertrag für den Anleger und die Bank. Fantastische 25 Prozent Zinsen. Die Rendite des eingesetzten Kapitals steigt im Vergleich zur dreiprozentigen Rendite einer konservativen Anlage gar um 800 Prozent, denn anstatt 300 Euro pro Jahr erhält der Kunde eben 2.500 Euro.
Und wem 25 % Prozent Rendite noch nicht genug sind – kein Problem. Durch verschiedene Variationen von Geldeinsatz und Zinssatz versprechen die Abzocker dem unvorsichtigen Anleger schlichtweg unglaubliche Renditechancen.
Gibt der Kunde nicht 10.000 Euro, sondern beispielsweise 100.000 Euro, indem er seine Wertpapiere im Wert von 100.000 Euro der Bank verpfändet und die Bank ihm ein Darlehen von 90.000 Euro mit einem Zinssatz von 5% pro Jahr gewährt, erhält die Bank von der Zentralbank nun 500.000 Euro, die wiederum für 15 % Kreditverzinsung für ein Jahr an einen Dritten ausgeliehen werden. Der Ertrag für den Kunden beträgt bei dieser Kalkulation nach Abzug aller Kosten 20.500 Euro – eine Rendite von über 200 Prozent pro Jahr.
Auch beim so genannten Tranchengeschäft werden den geköderten Anlegern astronomische Gewinne versprochen. Bei einer Investition von 10.000 Euro, durch die die Bank wiederum ein Darlehen der Währungsbank von 50.000 Euro erhält, das nun an Dritte als Kredit herausgereicht wird. Der Kredit bringt angeblich Zinsen von drei Prozent pro Woche. Dem Kunden wird erklärt, die Bank würde die 50.000 Euro alle ein oder zwei Wochen ausleihen und zurückerhalten. Solche Kurzläufer werden mit kurzfristigen Importgeschäften begründet. Werden auf 50.000 Euro alle zwei Wochen drei Prozent Verzinsung fällig, ergibt sich ein Zinsertrag von 39.000 Euro pro Jahr. Nach Abzug aller Kosten und der vermeintlichen paritätischen Teilung bleiben für den Anleger 17.000 Euro – eine Rendite von 170 Prozent in Jahresfrist.
Weitere Varianten dieser Betrugsmasche ergeben sich aus anderen Kombinationen von Kapitaleinsatz und Verzinsung und führen zu tausenden Prozenten Rendite. Und das alles ohne Risiko und im Schlaf! Spätestens jetzt sollten bei den Anlegern alle Alarmglöckchen schrillen. Da die Abzocke aber professionell und im großen Stil geplant ist, gibt es auch auf die häufigsten Kundenfragen die passenden Antworten.
Schlaue Fragen – schöne Antworten
Wundert sich ein Kunde, warum die Bank den kleinen Bankkunden an diesem klassischen Kreditgeschäft beteiligen sollte, wird ihm erklärt, dass die Bank unbedingt Fremdkapital benötigt, um das kostengünstige Darlehen von der Währungsbank zu erhalten. Diese Vorgabe ergäbe sich aus gesetzlichen Normen der Bankenaufsicht.
Diese Antwort ist falsch, da die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland oder Amerika eine volkswirtschaftliche Verantwortung einer Bank vorsehen, die regelmäßigen Kontrollen unterliegt. Für Deutschland gilt beispielsweise das auf Europarecht basierende Kreditwesengesetz (KWG). So legt Paragraph 10 dieses Gesetzes fest, dass eine Bank einer gewissen Solvabilität entsprechen muss. Es muss also Eigenkapital vorhanden sein, das einen Grundstock bildet. Hat eine kleine Raiffeisenkasse beispielsweise ein Eigenkapital in Höhe von 10 Millionen Euro, dann könnte ein Kredit über 100 Millionen nicht gegeben werden, weil damit die Anteilsgrenze von 8 Prozent überschritten würde. Also braucht die Bank bei einem solchen Kredit Hilfe von einer anderen Bank oder mehr Fremdkapital.
Der Paragraph 11 des KWG umschreibt die goldene Bankenregel, nach der eine Bank immer so viele Mittel vorhalten muss, dass fällig werdende Kundenansprüche auch bedient werden können. Ähnliche Regelungen gelten überall auf der Welt.
Auch auf die Frage, warum sich der kleine Bankkunde an einem riskanten Darlehen beteiligen sollte, schließlich könnte der Kredit ja durch die Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers ausfallen, gibt es die passende Antwort: Hier wird behauptet, dass der Vermögensgegenstand nur der Zentralbank „gezeigt“ wird oder nur in das Vermögen der Bank übergeht und der Vermögensgegenstand nicht mit dem Darlehen an den Dritten verknüpft wird. Die Bonität der Bank und nicht die Bonität des Kreditkunden sei entscheidend, weil der Bankkunde nicht das Kreditausfallrisiko trage.
Die Antwort ist falsch: die Bank beteiligt einen Vertragspartner nur dann an einem Ertrag, wenn er auch ein Risiko trägt.
Oft stellt sich dem auf diese Anlageform hingewiesenen Opfer auch die Frage, warum der kleine Bankkunde an dem lukrativen Geschäft beteiligt werden sollte? Hier wird von den Betrügern teilweise behauptet, dass die Währungsbank oder Zentralbank aus religiösen oder politischen Gründen den Kunden fördern würde.
Die Antwort ist im Wesentlichen falsch, weil Staaten keine individuelle Wirtschaftsentwicklung über ihre Zentralbanken betreiben.
Die Frage, warum er, der Kunde, noch nie etwas über das System gehört habe, wird mit der Verschwiegenheit des Banksystems erklärt. Banken wickeln große und lukrative Geschäfte vertraulich im inneren Zirkel ab und speisen die Kunden mit Kleinigkeiten ab.
Die Antwort ist teils falsch, teils richtig: Viele Kunden erhalten einen minimalen Zinssatz und eine minimale Rendite – das aber zumeist, weil sie sich nicht informieren und unbeweglich sind. In einer globalen, offenen Informationsgesellschaft können Betriebsgeheimnisse nicht über längere Zeit geheim bleiben, weil eine sehr große Gruppe von diesen Geschäften erfahren würde und dieses Goldgräberwissen sofort verbreitet würde.
Warum der Kunde für diese Geschäfte Quellenschutzvereinbarungen unterschreiben und Vertraulichkeit zusichern muss, Reisen auf sich nehmen soll oder Informationen nur in mehreren Schritten bekommt? Man wolle den Kunden neugierig machen und testen, behaupten die Betrüger. Einen wirklichen Grund gibt es nicht. Ein Nebeneffekt ist sicher, dass der Kunde durch solche Psycho-Tricks ein vermeintliches Vertrauen aufbaut.
In der Regel kommen diese Geschäfte häufig nicht zustande, weil sich das Gros der Kunden während der Vertragsabwicklung doch nicht für das Modell entscheiden kann. Betrüger versuchen dann über Referenzen oder Anfütterungsgeschäfte den Deal zu retten. Der Geldverlust tritt ein, weil entweder eine Vermittlungsprovision, die vorab zu zahlen ist, geleistet wurde oder ein aufgenommenes Darlehen zurückgezahlt werden muss bzw. der eingezahlte oder vorgelegte Vermögensgegenstand verschwunden ist.
Der Autor Dr. Thomas Schulte ist seit 1995 selbständiger Rechtsanwalt in Berlin und Bankkaufmann (IHK). Spezialisiert auf Verbraucher- und Kapitalanlageschutz, vertritt er Geschädigte und Opfer.
Weitere Informationen zu Autor und Thema finden Sie unter
https://www.dr-schulte.de/index.php?option= com_letterman&task=view&Itemid=62&id=49
oder unter http://apie-online.com/images/ kapitalbetrug_2005.pdf