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Falsch gepunktet – SCHUFA und Kreditscoring

 

Wie man beim SCHUFA-Scoring ungeahnt ins Abseits geraten kann und wie man wieder herauskommt

Wenn beim Stammtischgespräch der Name „SCHUFA“ fällt, verstummen selbst die bierseligsten Zeitgenossen für kurze Zeit in stiller Ehrfurcht. Die SCHUFA Holding AG (auch: Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) hat in der Bevölkerung einen schlechten Ruf und über ihre Methoden kursieren die skurrilsten Geschichten. Keine davon ist wahr, jedoch weiß Herr Müller von nebenan oft nicht, welche Daten das Kreditbüro erhält, wie sie verarbeitet und an wen sie letztendlich weitergeleitet werden.
Seit einigen Jahren bietet die SCHUFA eine ganz besonders geheimnisvolle Dienstleistung an: Den Auskunft-Scoring-Service (ASS). Auf Basis von Kreditnehmermerkmalen wie „Kunde seit“, „Wohnort“, „Beruf“, „Sicherheiten“, aber auch „Alter“ werden Punkte vergeben, gewichtet und dann zu einer Bonitätis-Note zusammengefasst. Je kleiner der Scorewert (von engl. to score – punkten, score – Auswertung) ist, desto schlechter ist die Kreditwürdigkeit, umso höher ist das Ausfallrisiko. Dieser Gesamtscore soll die Vergabe von Krediten erleichtern. Ist die Bonität ausreichend, kann ein Kredit gewährt werden.

Geheimnisvoll ist dieser Service deshalb, weil die SCHUFA keinerlei Auskünfte darüber erteilt, wie das Scoring im Detail funktioniert. Die SCHUFA hält die genaue Berechnungsformel ihres Scoring-Systems unter Verschluss und hat sich bislang allen Aufforderungen, diese offen zu legen mit der Begründung widersetzt, dass die Art der Scoreberechnung ein Betriebsgeheimnis sei und das Unternehmen sich im Wettbewerb mit anderen Anbietern befinde.

Daten für SCHUFA-Scoring nicht immer fehlerfrei

Ob die Einschätzung bzw. Punktevergabe der mächtigen SCHUFA jedoch immer korrekt und angemessen ist, darüber lässt sich zumindest streiten. Denn oft wird Kunden ein Kredit oder Handyvertrag verwehrt, weil das SCHUFA-Scoring eine zu geringe Bonität aufweist und das auch in Fällen, in denen sich der Betroffene keiner Schuld bewusst ist.
Beispielsweise kann die Nichtbezahlung einer Rechnung durch Herrn Müller im Versandhandel auch damit zusammenhängen, dass die bestellte Ware bereits kaputt war, bevor sie ankam und Herr Müller Gewährleistungsrechte geltend macht. Der Versandhandel wäre jetzt nach den Regeln des „SCHUFA-Systems“ eigentlich dazu verpflichtet, wenigstens das Merkmal „Forderung bestritten“ an die SCHUFA Holding AG zu melden. In der Praxis unterbleibt diese Meldung durchaus öfters. In der Datenbank steht dann bei einer höchst streitigen Forderung ein Saldo, obwohl es keinerlei gerichtliche Feststellung zu diesem Saldo gibt.
Ein anderes Beispiel: Die Nichtrückzahlung eines Kredites kann sicherlich die Ursache haben, dass Herr Müller zahlungsunwillig ist. Sie kann aber auch alle möglichen anderen Umstände haben, z.B. weil sich die Parteien gerade über die Fälligkeit der Forderung streiten. Angenommen, die Bank stellt ein Darlehen über 80.000 Euro fällig, mit dem Herr Müller als Kunde eine Immobilie finanziert hatte. Herr Müller hat Einwendungen gegen die plötzliche Kreditkündigung. Trotzdem wird nun der Saldo als offene Forderung an die SCHUFA Holding AG gemeldet. Herr Müller steht damit am „SCHUFA-Pranger“. Dies kann große Probleme nach sich ziehen, denn bei zukünftigen Handyvertragsabschlüssen oder Kreditanfragen kann dieser ärgerliche Datenbankeintrag eine schlechte Bonitätsnote bedeuten. Die Folge: Der Handyvertrag wird verwehrt bzw. der erhoffte Kredit nicht genehmigt – und Herr Müller wundert sich.

Experten raten zu regelmäßiger Überprüfung der eigenen SCHUFA-Daten

Wie also kann Herrn Müller geholfen werden?
Gegen das Scoring-System an sich und auch gegen die Tatsache der Existenz solcher Datenbanken ist nichts zu sagen – es ist die Art und Weise, wie solche Datenbanken und Scoring betrieben werden. Der Score, gemessen in Werten zwischen 0 (schlechtester Wert) und 1.000 (bester Wert), soll also das durchschnittliche Risiko aller Personen mit gleichem Datenprofil charakterisieren. Er wird ergänzt um einen Prozentsatz, der angibt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Störung bei Kunden mit diesem Datenprofil ist. Das Scoring-System selbst ist also ein rein statistisches Verfahren. Es stammt in seinen Grundzügen aus den Vereinigten Staaten und war dort schon vor dem Ersten Weltkrieg gebräuchlich. Das Scoring-System kann nämlich nur dann richtig funktionieren, wenn auch die Daten, die den Scorewert beeinflussen, richtig sind. „Richtige Daten“ zu sammeln bedeutet, dass die Forderung dem Vertragspartner auch rechtlich zustehen muss. Nicht gerade selten sind die eingetragenen Daten jedoch falsch und bei einer Datenfülle von etwa 65 Millionen gespeicherten Personen, die gepflegt werden muss, ist dies offenkundig auch nicht anders zu erwarten. Um Negativeinträge löschen zu lassen, kommt ein Widerrufsanspruch gegenüber derjenigen Person in Betracht, die den Negativeintrag eingestellt hat. Hält ein Negativeintrag nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen stand, kann man diesen Anspruch auch gerichtlich durchsetzen.
Grundsätzlich ist das Hinzuziehen eines Fachmanns ratsam, denn die Rechtsprechung zum Thema Kreditscoring ist in ständiger Bewegung: Das Bundeskabinett hat am 30.07.2008 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) beschlossen. Nach dem Inhalt des Gesetzgebungsentwurfes soll die Tätigkeit von Auskunfteien zukünftig transparenter gemacht werden. Der Betroffene erhält einen Auskunftsanspruch, aus dem er ersehen kann, wie der ihn betreffende Scorewert zustande kam.

Dies ist eine grundlegende Voraussetzung, um sich überhaupt gegen unberechtigte Scorewerte wehren zu können.

Seit der Veröffentlichung des Artikels über die SCHUFA im Jahr 2005 hat sich die Rechtslage bezüglich des Scoring-Systems und der Datenschutzbestimmungen erheblich verändert. Diese Entwicklungen betreffen sowohl die Transparenz der Datenverarbeitung als auch die Rechte der Verbraucher.

Änderungen im Scoring-System und Datenschutz

Einführung des § 28b BDSG (2009)

Im Jahr 2009 wurde der § 28b des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) eingeführt, der die rechtlichen Rahmenbedingungen für Scoring-Verfahren festlegte. Dieser Paragraph erlaubt die Verwendung von Scoring zur Beurteilung von Vertragsverhältnissen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Ziel war es, mehr Rechtssicherheit und Transparenz für Verbraucher zu schaffen. Die Berechnung der Score-Werte muss auf mathematisch-statistischen Verfahren basieren, und die verwendeten Daten müssen für die Berechnung relevant sein.

Erweiterte Auskunftsrechte für Betroffene

Mit der Novellierung des BDSG wurden auch die Auskunftsrechte der Verbraucher gestärkt. Betroffene haben nun Anspruch auf Informationen darüber, wie ihr Scorewert zustande kommt und welche Daten dabei verwendet werden. Dies soll es den Verbrauchern ermöglichen, unberechtigte Negativeinträge leichter anzufechten und ihre Bonität transparenter nachzuvollziehen[3][4].

Aktuelle Entwicklungen durch den EuGH (2023)

In den letzten Jahren gab es bedeutende Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die das Scoring-System der SCHUFA erneut in den Fokus rückten. Im Dezember 2023 entschied der EuGH, dass das Scoring der SCHUFA gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen kann, wenn Unternehmen maßgeblich auf diese automatisierten Bewertungen bei ihren Vertragsentscheidungen vertrauen. Dies bedeutet, dass Entscheidungen über Kredite oder Verträge nicht allein auf Basis von automatisierten Scores getroffen werden dürfen.

Folgen des EuGH-Urteils – Hoffnung ab 2023

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die Praxis der SCHUFA und ihrer Vertragspartner. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie bei ihren Entscheidungen auch menschliche Faktoren berücksichtigen und nicht ausschließlich auf den SCHUFA-Score vertrauen. Diese Entwicklung könnte dazu führen, dass Verbraucher weniger häufig aufgrund eines schlechten Scores abgelehnt werden.

Fazit

Die Veränderungen seit 2005 zeigen einen klaren Trend hin zu mehr Transparenz und Schutz für Verbraucher im Umgang mit ihren Daten und dem Scoring-System. Die rechtlichen Anpassungen zielen darauf ab, das Gleichgewicht zwischen den Interessen von Kreditgebern und Verbrauchern zu wahren und sicherzustellen, dass Entscheidungen über Kreditwürdigkeit fairer und nachvollziehbarer getroffen werden. Die jüngsten Urteile des EuGH könnten zudem eine grundlegende Neubewertung der Praktiken von Auskunfteien wie der SCHUFA nach sich ziehen, was langfristig zu einer Verbesserung der Situation für Verbraucher führen könnte.

 

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 566 vom 13. Oktober 2008 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich