Wenn die SCHUFA das Leben blockiert – und was Sie dagegen tun können
Ein Konto, ein Recht, ein Kampf um Würde und Teilnahme Wer ein Konto braucht, darf nicht von der SCHUFA blockiert werden. Das Recht auf P-Konto und Basiskonto schützt Verbraucher – trotz Schulden oder Pfändung.
Wenn das Konto zur Existenzfrage wird
Herr K., Familienvater aus Offenbach, hatte gerade einen neuen Job in Aussicht. Doch der Arbeitgeber wollte den Lohn nur auf ein Konto überweisen. Genau da lag das Problem: Nach einer gescheiterten Selbstständigkeit hatte Herr K. einen SCHUFA-Eintrag – keine Bank wollte ihm ein Konto eröffnen. Die Folge? Kein Konto, kein Job. Eine Spirale, wie sie in Deutschland täglich passiert.
Was viele nicht wissen: Seit Jahren gibt es klare gesetzliche Rechte – doch sie müssen durchgesetzt werden. Und oft braucht es anwaltliche Hilfe, um sich gegen Banken, Pfändungen und die Macht der SCHUFA zur Wehr zu setzen.
Ein Girokonto ist längst nicht mehr nur eine technische Infrastruktur für Zahlungsverkehr. Es ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Ohne Konto kann niemand Miete überweisen, Lohn erhalten oder online einkaufen. Wer kein Konto hat, ist vom modernen Leben faktisch ausgeschlossen. Dieser Ausschluss trifft besonders Menschen in wirtschaftlicher Not – und wird durch das Verhalten von Banken und der SCHUFA oft noch verschärft.
Immer mehr Gerichte erkennen den sozialen Sprengstoff solcher Ausgrenzung. In Entscheidungen wie dem Landgericht Bremen (Urteil vom 07.10.2005, Az. 7 O 2242/05) wird deutlich, dass die Weigerung, ein Konto zu eröffnen, grundrechtsrelevant ist. Der Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr wird dabei als Bestandteil der Menschenwürde interpretiert. Ein historischer Schritt in Richtung soziale Gerechtigkeit.
Das P-Konto: Ein Schutzschild in Krisenzeiten
Seit dem 1. Juli 2010 gibt es das sogenannte Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Es wurde eingeführt, um Menschen bei Pfändungen zu schützen. Die Idee ist einfach: Wer Schulden hat und gepfändet wird, soll trotzdem über das zum Leben notwendige Geld verfügen können. Das P-Konto stellt sicher, dass der Grundfreibetrag geschützt ist – aktuell 1.500 Euro monatlich.
Frau M. aus Leipzig erlebte das hautnah: Wegen unbezahlter Arztrechnungen hatte die AOK eine Kontopfändung veranlasst. Plötzlich war ihr gesamter Lohn blockiert – auch das Kindergeld. Erst durch die rasche Umwandlung ihres Girokontos bei der Commerzbank in ein P-Konto konnte sie wieder an ihr Geld. Das neue Gesetz macht es möglich: Innerhalb von vier Tagen muss die Bank handeln.
Doch der Preis ist hoch: Das P-Konto wird der SCHUFA gemeldet. Und obwohl es nur den gesetzlich garantierten Pfändungsschutz abbildet, führt es in der Praxis oft zu einer Abwertung des SCHUFA-Scores. Die Folge: Verträge werden abgelehnt, Konsum wird eingeschränkt, gesellschaftliche Teilhabe wird erschwert.
Das Urteil aus Bremen: Wegweisend für Millionen
Schon 2005 entschied das Landgericht Bremen, dass auch Menschen mit negativer SCHUFA ein Anrecht auf ein Guthabenkonto haben – gestützt auf die Selbstverpflichtung der Sparkassen von 1995. Ein arbeitsloser Mann aus Bremerhaven hatte sich gegen die Sparkasse Bremen gewehrt, die ihm ein Konto verweigerte – wegen eines alten Eintrags über 78 Euro.
Das Gericht sprach Klartext:
Die Zusage der Banken sei rechtlich bindend (§ 781 BGB) – und die Verweigerung eines Kontos könne gegen die Menschenwürde (Art. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 GG) verstoßen.
Diese Entscheidung war ein juristisches Erdbeben. Denn sie zeigte: Es gibt einen justiziablen Anspruch auf ein Konto – auch ohne ausdrückliches Gesetz. Und es wurde ein Zeichen gesetzt gegen die Willkür der SCHUFA-Datenmacht.
Das Urteil hat auch jenseits der Kontofrage Wirkung entfaltet: Es machte den Weg frei für weitere Klagen, in denen Gerichte Prüfpflichten von Banken und Löschpflichten der SCHUFA thematisierten. Wer sich gegen einen falschen Eintrag wehrt, kann nicht nur die Löschung, sondern unter Umständen auch Schadensersatz verlangen – so z. B. das Oberlandesgericht Koblenz in seinem Urteil vom 18.05.2022 (Az. 5 U 2141/21). Dort heißt es, die SCHUFA habe durch unrechtmäßige Speicherung das „Allgemeine Persönlichkeitsrecht“ des Klägers verletzt und sei deshalb zur Zahlung verpflichtet.
Basiskonto: Gesetzlicher Anspruch trotz SCHUFA
2016 folgte dann der nächste Schritt: Mit dem Zahlungskontengesetz wurde das Basiskonto eingeführt. Jeder Verbraucher hat seither das Recht auf ein Konto auf Guthabenbasis. Unabhängig von Herkunft, Einkommen oder Bonität.
Herr S., ehemaliger Gastronom aus München, hatte Insolvenz angemeldet. Die Deutsche Bank verweigerte ihm ein neues Konto. Erst durch anwaltlichen Druck und den Verweis auf das Zahlungskontengesetz lenkte die Bank ein. Heute empfängt Herr S. seine neue Rente auf dem Basiskonto – ein kleiner Sieg in einem langen Kampf.
Das Basiskonto kann ebenfalls als P-Konto geführt werden. Es ist die gesetzlich verankerte Antwort auf einen unregulierten Markt, in dem Menschen durch das Raster fielen.
Weitere gesetzliche Entwicklungen bis 2025
Mit dem Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PKoFoG) wurde ab dem 1. Dezember 2021 der Schutz weiter verbessert:
- Ansparoption: Freibeträge dürfen nun bis zu drei Monate angespart werden.
- Sozialleistungen wie Wohngeld oder ALG II sind besser geschützt.
- Freibeträge angepasst (seit 1. Juli 2024):
- 1.500 Euro Grundfreibetrag
- 561,43 Euro für die erste unterhaltspflichtige Person
- 312,78 Euro für jede weitere
Diese Regelungen bedeuten mehr Selbstbestimmung für Verbraucher – insbesondere in preären Lebenslagen.
Kritik: Die Schattenseite der SCHUFA bleibt
Trotz aller Reformen bleibt die SCHUFA ein Machtfaktor mit tiefgreifenden Folgen:
- Fehlerhafte Einträge bleiben oft zu lange stehen.
- Intransparente Score-Berechnung lässt keine gezielten Verbesserungen zu.
- Kleinste Rückstände haben mitunter große Folgen – auch Jahre später.
Frau T. aus Dortmund hatte ein P-Konto bei der Postbank geführt. Nach der Rückzahlung ihrer Schulden wurde ihr ein Kredit für eine Waschmaschine abgelehnt. Der Grund: Der SCHUFA-Eintrag war trotz Umwandlung des Kontos noch nicht aktualisiert.
Auch das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 07.11.2013 (Az. 324 O 264/13) klargestellt: SCHUFA-Einträge müssen gelöscht werden, wenn sie nicht mehr den Tatsachen entsprechen oder dem berechtigten Interesse des Betroffenen widersprechen. Das Urteil bezog sich auf einen Fall gegen die Modekette H&M, bei dem ein Eintrag nach Zahlung einer Forderung nicht rechtzeitig entfernt worden war.
Was Sie tun können: Tipps aus der Praxis
- SCHUFA-Selbstauskunft einholen
Einmal jährlich kostenlos nach Art. 15 DSGVO. - Fehlerhafte Einträge löschen lassen
Direkt bei der SCHUFA oder mit anwaltlicher Unterstützung. - Konditionsanfragen statt Kreditanfragen stellen
So wird der Score nicht beeinflusst. - Zahlungsverhalten verbessern
Rechnungen pünktlich begleichen, Mahnungen vermeiden. - Schadensersatz geltend machen
Bei rechtswidrigen Einträgen kann ein Anspruch auf Geldentschädigung bestehen.
Ausblick: Next Generation Scoring – ein neuer SCHUFA-Score?
Die SCHUFA will mit dem Next Generation Scoring (NGS) transparenter und fairer werden. Statt 150 Branchenscores soll es nur noch einen einheitlichen Score geben. Datenschützer sind skeptisch – bleibt abzuwarten, wie viel Fairness wirklich umgesetzt wird.
Fazit: Das Recht auf ein Konto ist das Recht auf Teilhabe
Ein Konto ist mehr als ein technisches Werkzeug. Es ist ein soziales Grundrecht. Und es darf nicht davon abhängen, wie ein Algorithmus in Wiesbaden eine Bonität berechnet. Die Entwicklungen der letzten zwanzig Jahre zeigen: Wenn Verbraucher sich wehren und der Gesetzgeber handelt, kann die Macht der SCHUFA relativiert werden.
Wer von einem falschen oder überholten SCHUFA-Eintrag betroffen ist, sollte nicht resignieren. Die Rechtsprechung ist zunehmend verbraucherfreundlich. Mit anwaltlicher Hilfe lassen sich Löschungen, Korrekturen und in vielen Fällen auch Schadensersatz durchsetzen. Die SCHUFA ist nicht allmächtig – und das Recht steht auf Seiten der Betroffenen.
Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte – Ihre Stimme gegen digitale Ausgrenzung
Seit über 30 Jahren vertreten wir Menschen, die zu Unrecht blockiert, abgewertet oder ausgeschlossen wurden. Unsere Erfahrung ist Ihre Chance.
Kontakt:
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Telefon: +49 (0) 30 – 22 19 220 20
Website: www.dr-schulte.de
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- Löschfristen-Chaos bei der SCHUFA
- Schufa – Wenn Betroffene durch das Tal der Tränen gehen
- Warum darf die Schufa meine Daten speichern?
- Basiskonto und P-Konto – Ein Überblick
- Schufa-Eintrag löschen – ein aktuelles Urteil
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