Im Zuge der fortschreitenden Internationalisierung und Technisierung des Handelsverkehrs zieht es heutzutage auch immer mehr deutsche Unternehmen zur Firmengründung in die USA. Allein 65 Gesellschaften haben bereits bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht einen Prospekt zum Verkauf ihrer Wertpapiere hinterlegt. Die Tendenz ist weiterhin steigend.
Dies mag zum einen daran liegen, dass das amerikanische Gesellschaftsrecht sehr liberal geprägt ist und in einigen Staaten die Gründung einer Corporation sehr viel einfacher ist, als z.B. die Gründung einer GmbH in Deutschland, zum anderen aber auch daran, dass die Kapitaleinlage sehr gering bzw. überhaupt nicht nötig ist. Für die Gründung einer Kapitalgesellschaft ist daher nur ein geringer Kapitaleinsatz ganz im Gegenteil zur Gründung einer deutschen Aktiengesellschaft notwendig.
Vorteilhaft ist auch, dass bei der US-amerikanischen Corporation keine direkte Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat notwendig ist. In der Gründungsphase reicht eine Person zur Geschäftsführung aus, später kann man mit zwei bis drei Mitgliedern im Board of Directors auskommen. In der deutschen Aktiengesellschaft sieht es da schon wesentlich ungünstiger aus, schreibt das Aktiengesetz doch Vorstand und Aufsichtsrat vor, mit einer Mindestbesetzung von einem Mitglied im Vorstand und drei bis hin zu 21 Mitgliedern im Aufsichtsrat.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass eine Durchgriffshaftung auf den einzelnen Gesellschafter in Form des sog. piercing the corporate veil nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig ist, wenn die Gesellschaft als mere instrumentality erscheint, also nur zur „Verschleierung“ eigentlich eigener Geschäfte des Gesellschafters dient, um eben eine solche Haftung zu umgehen.
Die Vorteile liegen also klar auf der Hand. Was bleibt, ist allerdings die Frage nach der genauen Rechtslage. Vor allem die Frage nach der Haftung der Mitglieder des board of directors einer solchen Gesellschaft.
Die corporation an sich ist gemäß Art. XXV Abs. 5 Satz 2 Freundschaft-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 (BGBl. II 1956, 487 f.) sowohl partei- als auch prozessfähig und kann vollumfänglich als juristische Person in Deutschland, wie auch in den USA, handeln, auftreten und prozessieren (BGHZ VIII ZR 155/02). Dementsprechend haftet die corporation auch vollumfänglich nach deutschem Recht, sofern und soweit sie in Deutschland tätig ist und sich einer solchen Haftung aussetzt. Jedoch bleiben die amerikanischen Gesellschaftsgrundsätze und Haftungsausschlüsse des jeweiligen Gesellschaftsvertrages unangetastet und schützen den Einzelnen auch vor deutschen Rechtsansprüchen (begrenzte Durchgriffshaftung).
Dies klärt allerdings noch nicht die Frage nach der Haftung der einzelnen Person, die einen Posten als executive oder non-executive officer im board of directors einnimmt, denn auch das amerikanische Gesellschaftsrecht kennt eine Haftung eines Gesellschafters in seiner ihm eigenen Funktion. Um darauf eingehen zu können, muss vorab zuerst die Struktur einer corporation geklärt werden.
Aufbau einer Corporation
Die corporation wird vom board of directors (bod) als Organ, bestehend aus den einzelnen directors, geleitet und verwaltet. Der board of directors stellt eine Mischung von Vorstand und Aufsichtsrat dar, bietet aber nicht die gleichen Kontrollfunktionen. Für den board of directors handeln die so genannten directors of board. Neben den directors of board gibt es weitere leitende Angestellte, sog. officer, welche namens und in Vollmacht der corporation die täglichen Geschäfte übernehmen. Namentlich handelt es sich hierbei meist um den president oder den CEO (chief executive officer) als Gesamtbevollmächtigten, den secretary (also einen Schriftführer) und einen treasurer (Schatzmeister oder Finanzvorstand). Die Schaffung weiterer Positionen steht der Gesellschaft frei.
Das Amt des secretary und des president sollten nicht auf eine Person vereint werden, da es die Aufgabe des secretary ist, Entscheidungen des president gegenzuzeichnen. Andere Positionen können in Personalunion wahrgenommen werden.
Haftung des board of directors und der einzelnen directors
Der board of directors kann sowohl in seiner Gesamtheit (als Organ) haften, als auch jedes einzelne Mitglied als selbstständiger director. Neben der deliktischen Handlung kommen vor allem das common law und vertragliche und gesetzliche (written law) Regelungen als Haftungsgrundlagen in Betracht.
Nach dem common law kommt eine Haftung der directors bei absichtlicher (in bad faith) Überschreitung ihrer Vertretungsmacht und Verletzung der Treue- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft in Betracht.
Für vertragliche Ansprüche gegenüber der Gesellschaft kann ein einzelner director nur von Dritten in Anspruch genommen werden, sofern er persönlich gebunden ist, als Partei oder Bürge. So z.B. wenn ein director ausdrücklich einem Dritten gegenüber die Garantie für die Zahlung / Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft übernimmt.
Für eine gesetzliche Haftung der directors nach Landessrecht ist zwar (anders als beim common law) bad faith nicht erforderlich, jedoch ist die Exkulpation mit Nachweis auf die Ausübung seiner Pflicht und Beachtung der Treue- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft möglich. Im Falle einer dennoch eintretenden gesetzlichen Haftung, haftet der board of directors (jedenfalls die an der fraglichen Beschlusssitzung teilnehmenden Mitglieder) gesamtschuldnerisch. Bei Inanspruchnahme einzelner Mitglieder findet ein Ausgleich im Innenverhältnis statt. In Betracht für eine solche gesetzliche Haftung kommen vor allem folgende Fälle:
1) Verstoß bei der Ausschüttung von Dividenden oder der Vermögensverteilung gegen Landesgesetz oder die articles of incorporation (jedoch besteht hier eine Haftungsbegrenzung auf den Differenzbetrag zwischen tatsächlicher und zulässiger Ausschüttung/Verteilung) [§8.33 R.M.B.C.A.].
2) Bei eigenem Anteilserwerb eines director oder des board of directors unter Ausnutzung der Position innerhalb der Gesellschaft und bei unangemessener Gegenleistung (auch hier ist eine Haftung auf den Differenzbetrag zwischen tatsächlicher und Zulässiger Gegenleistung beschränkt) [§ 8.33 R.M.B.C.A.].
3) Wenn im Falle der Liquidation der Gesellschaft deren Vermögen ohne die Beachtung von Gläubiger- und Mitgesellschafterinteressen von einem director oder dem board eigenmächtig veräußert wird [§14.05 R.M.B.C.A.].
4) Bei Missachtung bzw. Fehlen der Mindesteinlage oder einer Darlehensgewährung an Gesellschaftsfunktionäre über die Grenzen der landesgesetzlichen Regelungen hinaus (jedoch sind solche landesrechtlichen Bestimmungen heutzutage nur noch in wenigen Staaten anzutreffen. In den meisten Staaten fehlt es an derartigen Beschränkungen).
5) Bei Verstoß gegen geltendes Bundesrecht. So z.B. beim insider trading und ähnlichen schweren Vergehen eines directors (siehe federal securities law, Security Exchange Act, Sherman Antitrust Act etc.)
Haftung der officers
Neben den directors kann es natürlich auch für die bevollmächtigten officers zu einer Einzelhaftung gegenüber Dritten kommen. Insbesondere sind folgende Beispiele denkbar, unter denen eine Haftbarkeit üblicherweise angenommen wird:
– Der einzelne officer (z.B. der CEO) übernimmt gegenüber Dritten eine ausdrückliche Garantie für die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch die Gesellschaft [siehe Lutz vs. Gatlin, 590 P.2d 359].
– Der officer handelt in unklarer Vertretungslage bzw. ohne den Gebrauch seiner Vertretungsmacht (confusion of roles), er handelt in eigenem Namen und weist nicht auf seine Vertretung hin (in solchen Fällen kommt eine Haftung gemäß der Grundlagen des sog. law of agency gegenüber dem Dritten in Betracht).
– Der einzelne officer verstößt gegen Steuergesetze, indem er z.B. Steuern nicht vorschriftsmäßig abführt [siehe z.B. §6672(a) Internal Revenue Code].
Haftung innerhalb der corporation
Auch innerhalb der corporation kann es zur Haftung der directors oder officers gegenüber anderen Organen der Gesellschaft und Anteilseignern kommen, da ihnen eine besondere Treue- und Sorgfaltspflicht (duty of care / loyality) gegenüber der gesamten Gesellschaft obliegt.
Der nach duty of care Verpflichtete hat so zu handeln, wie eine vernünftige Person in seiner Lage handeln würde [§ 8.30 R.M.B.C.A.]. Diese Sorgfalt unterliegt der gerichtlichen Überprüfung gemäß der sog. business judgement rule bei Verstößen oder Schäden innerhalb der Gesellschaft. Eine materielle Überprüfung durch das Gericht und somit eine Haftung entfällt, sofern der Handelnde ohne Eigeninteresse, nach Einholung angemessener Erkundigungen und nach seiner Überzeugung und rational belief im Sinne der Gesellschaft gehandelt hat / haben wollte.
Gemäß seiner duty of loyality hat der director / officer in gutem Glauben (good faith) und fairem Handeln (fair dealing) gegenüber der Gesellschaft zu agieren. Als Beispiele für eine Verletzung dieser Pflicht kommen vor allem folgende Fallgruppen in Betracht und führen zu einer Haftung innerhalb der Gesellschaft:
1) Ein officer / director tritt eigenmächtig in unzulässigen Wettbewerb mit der Gesellschaft und nutzt seine Position und sein Wissen dafür aus.
2) Ein officer / director nutzt seine Position dazu aus Geschäftsabschlüsse, die eigentlich der Gesellschaft angetragen wurden, in eigenem Namen und zu seinem Vorteil zu tätigen.
3) Es wird die Kontrolle über die Gesellschaft mittel- oder unmittelbar durch einen officer / director gekauft oder verkauft.
4) Es werden Insichgeschäfte getätigt. Der Betreffende tritt sowohl in seiner Position als Vertreter, als auch als Vertragspartner der Gesellschaft gegenüber auf.
5) Es wird Insiderhandel betrieben (hier greift natürlich in gegebenem Falle auch noch die bundesgesetzliche Haftung ein, s.o.).
Regress / Indemnification
Nachdem nun die häufigsten Fälle einer Haftung des einzelnen Mitgliedes einer corporation umrissen wurden, stellt sich abschließend die Frage, was für Möglichkeiten oder Rechte bestehen, um sich als Einzelner vor den Kosten eines solchen Rechtsstreites zu schützen.
Es sei hier auf die Möglichkeit der indemnification innerhalb der Gesellschaft hingewiesen.
Klagt ein Dritter gegen ein einzelnes Mitglied der Gesellschaft, welches seinerseits in gutem Glauben, vernünftiger Weise und in der Ansicht für das Wohl der Gesellschaft gehandelt zu haben, im Rechtsverkehr auftrat, so steht diesem ein Regress innerhalb der Gesellschaft zu.
Die Kosten für solche Verfahren gegen einzelne Organe trägt somit die gesamte Gesellschaft.
Die Gesellschaft wiederum kann sich durch eine sog. D&O liability insurance gegen solche Kosten versichern lassen. Dieses Recht zur Versicherung ist inzwischen sogar in § 8.75 R.M.B.C.A. kodifiziert und erfreut sich großer Beliebtheit.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die corporation als Kapitalgesellschaft mit geringem Kapitalaufwand gegründet werden kann. Hierdurch ist auch in Deutschland die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen begrenzt. Durch die Ausgabe von shares des Gesellschaft kann im Bereich von Private Equity und im Bereich des Parketthandels Fremdkapital eingesammelt werden. Hierzu ist allerdings in der Regel ein Wertpapierprospekt notwendig.
Die corporation schützt die Gesellschafter und Geschäftsführer vor der persönlichen Haftung im oben benannten Umfang und bewahrt vor einer hohen Kostenbelastung durch einen Wasserkopf an Aufsichtsratsmitgliedern. Sie ist daher eine ideale Möglichkeit grade im Bereich von Private Equity Anlegergelder zu sammeln, um neue Geschäftsmodelle ohne Bankkredite oder hohen Einsatz an Eigenmitteln zu finanzieren.