Hinausgedrängt und Abgefunden: Squeeze Out

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

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Gerichtsgebäude / Pixabay

Besitzen Sie Aktien? Und glauben Sie, es liegt in Ihrer Hand, wann und zu welchem Kurs Sie Ihre Anteile verkaufen? – Dann haben Sie wohl noch nichts von „Squeeze Out“ gehört?!

Das englische Verb „to squeeze out“ bedeutet so viel wie „ausquetschen“ oder „hinausdrängen“ und damit trifft der Begriff den bezeichneten Sachverhalt auf den Punkt. Denn Squeeze-out bezeichnet den durch den Mehrheitsaktionär einer Aktiengesellschaft initiierten zwangsweisen Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus einem Unternehmen. Besitzt ein Aktionär mindestens 95% des Grundkapitals einer Gesellschaft, kann er – jederzeit und ohne besonderen Grund – alle anderen Aktionäre gegen Zahlung einer entsprechenden Abfindung aus dem Unternehmen drängen. Dieses Verfahren, das seit dem 1. Januar 2002 in §§ 327a-327f Aktiengesetz (AktG) geregelt ist, kann sowohl in börsennotierten als auch in nicht börsennotierten Aktiengesellschaften (AG) oder Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) angewandt werden. Für die Minderheitsaktionäre bestehen nur begrenzte Möglichkeiten, sich gegen ein Squeeze-out zur Wehr zu setzen, – diese beziehen sich vor allem auf die Höhe der Abfindung.

Strategische Überlegungen, Liquidation oder Delisting – mögliche Gründe für ein Squeeze-out gibt es viele, aber sie spielen für die Anwendbarkeit des Verfahrens keine Rolle: ein spezieller Grund ist nicht erforderlich. Die Vorteile für das Unternehmen liegen insbesondere in der Verringerung des Verwaltungsaufwandes (Hauptversammlungen, Börsenpräsenz) und in der Vermeidung von sogenannten „Reibungsverlusten“, etwa durch Anfechtungsklagen von (unbequemen) Kleinaktionären. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) ein Squeeze-out nicht unbedingt gegen bereits anhängige Anfechtungsklagen schützt (BGH, Az. II ZR 46/05). Das Ziel, die noch verbliebenen Minderheitsaktionäre „loszuwerden“, konnte ein Hauptaktionär bisher auch schon über eine so genannte „übertragende Auflösung“ (vgl. § 179a AktG) erreichen; ein in der Rechtsprechung allerdings umstrittenes und aufgrund uneingeschränkter Anfechtungsmöglichkeiten bisweilen sehr langwieriges Verfahren.

Nudeln und Brot, Bier, Software oder Strom – Squeeze-out erfreut sich wachsender Beliebtheit
Mit der gesetzlichen Regelung des Squeeze-out steht dem Hauptaktionär seit einigen Jahren ein vergleichsweise einfaches Verfahren zur Verfügung, um Minderheitsaktionäre wirksam aus dem Unternehmen zu drängen; und diese Möglichkeit wird auch rege genutzt. Betroffen sind vor allem erfolgreiche mittelständische Unternehmen. So sind in den letzten Jahren unter anderem der italienische Pastahersteller Barilla mit der Bäckereikette Kamps, die Deutsche Bahn mit dem Logistikunternehmen Stinnes oder die Firma Radeberger mit der Dortmunder Actienbrauerei diesen Weg gegangen.

Die Hauptversammlung der Vattenfall Europe AG zur Übertragung der Anteile der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin Vattenfall AB fand im Februar 2006 statt. Damals stimmten 99% der Aktionäre für die Übertragung. Einige Aktionäre hatten allerdings Anfechtungsklagen erhoben und die von Vattenfall beantragte Freigabe zur Eintragung erfolgreich abwenden können, so dass das Unternehmen im November 2007 schließlich den Freigabeantrag zurückgenommen hat. Das Landgericht Berlin hatte im Januar 2007 die Anfechtungsklagen gegen das Squeeze-out abgelehnt, die Entscheidung liegt nunmehr beim zuständigen Berufungsgericht, dem Berliner Kammergericht.

Auch die HypoVereinsBank AG (HVB) versucht gemeinsam mit Unicredit schon seit geraumer Zeit die nach dem Zusammenschluss der beiden Unternehmen verbliebenen Minderheitsaktionäre der HVB auszuschließen. Diese halten zusammen noch etwa 4% der Aktien und haben bisher das im Juni 2007 beschlossene Squeeze-out erfolgreich verhindern können. Die italienische Bankengruppe Unicredit hatte im Jahr 2005 die HVB übernommen. Ende 2006 beschloss dann die außerordentliche Hauptversammlung mit den Stimmen von Unicredit den Verkauf eines, wenn nicht: des Sahnestückchens der HVB – der Bank Austria – an die Unicredit. Allein gegen den Verkauf der Bank Austria liegen beim Landgericht München knapp 50 Anfechtungsklagen vor, gegen den Zwangausschluss per Squeeze-out sind es mehr als doppelt so viele.

Im Dezember beantragte die HVB dann die Freigabe der Eintragung somit also die Durchführung des Squeeze-out Beschlusses durch Eintragung der neuen Mehrheitsverhältnisse im Handelsregister, um endlich in die Alleinherrschaft zu gelangen. Aktuell haben die HVB-Kleinaktionäre allerdings erst einmal eine Schlacht gewonnen: Das Landgericht München hat Ende Januar entschieden, dass der Beschluss der Hauptversammlung, die Bank Austria an Unicredit zu verkaufen, aufgrund fehlender Informationen nicht rechtmäßig und damit nichtig sei. Das Gericht hatte schon früher mitgeteilt, dass es die Auffassung der Minderheitsaktionäre insofern teilt, dass der Verkauf der österreichischen Tochtergesellschaft an die Konzernmutter wohl deutlich unter Wert erfolgt sei. Im Mai dieses Jahres soll noch einmal eine große Hauptversammlung stattfinden. Sicher ist im Moment nur, dass in diesem Fall das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Sollte das Gericht am Ende im Sinne der Kleinaktionäre entscheiden, dann drohen der drittgrößten europäischen Bankengruppe Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe.

Noch ganz am Anfang des großen Rauswurfs stehen die freien Aktionäre der Allianz Leben und des französischen Softwareherstellers Business Objects. Mitte Januar gab die Allianz Deutschland AG in einer Ad-hoc-Meldung bekannt, dass sie, da sie nunmehr über 95% der Anteile an der ebenfalls zur Allianz SE gehörende Allianz Lebensversicherungs AG hält, den Antrag auf ein Squeeze-out stellen wird. Die entsprechende Hauptversammlung soll am 7. Mai 2008 stattfinden. Und die SAP AG besitzt seit Anfang Februar 95,35% von Business Objects, womit die Voraussetzungen für das bereits im Vorfeld angekündigte Squeeze-out nun erfüllt sind.

How to squeeze out – Einzelnheiten des Verfahrens

Wer ist Mehrheitsaktionär?

Anders als beim übernahmerechtlichen Squeeze Out, das in Folge des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 8. Juli 2006 in § 39 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) geregelt ist, ist für ein gesellschaftsrechtliches Squeeze-out keine Stimmenmehrheit erforderlich. Entscheidend ist, dass der Mehrheitsaktionär direkt oder indirekt über von ihm abhängige Unternehmen mindestens 95% des Unternehmenskapitals hält (vgl. § 16 Abs. 2 und 4 AktG).

Um die notwendige Mehrheit für ein Squeeze-out herbeizuführen, können beispielsweise Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtausschluss eingesetzt werden. Optionen oder Wandelschuldverschreibungen hingegen kommen nicht in Frage. Wichtig ist, dass die Mehrheit von 95% sowohl zum Zeitpunkt der entsprechenden Hauptversammlung besteht, als auch „auf Dauer“ angelegt ist. Die nur vorübergehende Zusammenlegung der Anteile von zwei oder auch mehr Hauptaktionären mit der Absicht ein Squeeze-out durchzuführen, wird hingegen von der Rechtsprechung als unzulässig angesehen. So ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts München auch ein Wertpapierdarlehen mangels Dauerhaftigkeit grundsätzlich keine ausreichende Begründung für die Stellung als Mehrheitsaktionär (OLG_München, Az._23 U 2306/06). Eine Möglichkeit, wie mehrere Aktionäre zu einem Mehrheitsaktionär verschmelzen können, bietet beispielsweise die Gründung einer offenen Handelsgesellschaft (oHG) gemäß § 105 Absatz 2 Handelsgesetzbuch.

Einleitung des Verfahrens

Der Mehrheitsaktionär kann jederzeit und in frei gewählter Form den Gesellschaftsvorstand zur Einleitung des Verfahrens auffordern, wobei die Abfindungsansprüche der Minderheitsaktionäre gesichert sein müssen. Eine entsprechende Gewährleistungserklärung eines inländischen Kreditinstituts gemäß § 127b AktG muss dem Vorstand schon vor der Einladung zur maßgeblichen Hauptversammlung vorliegen.

Informationspflichten

Der Vorstand ist neben der Einberufung der Hauptversammlung auch verantwortlich für die Erfüllung der gesetzlichen Informationspflichten. Nach § 15 Wertpapierhandelgesetz (WpHG) besteht insbesondere die Pflicht zur Veröffentlichung von so genannten Ad-hoc-Meldungen zur Vermeidung von Insiderhandel. Die Einladung zur Hauptversammlung muss darüber hinaus Angaben über den Hauptaktionär und die Höhe der Abfindung beinhalten.

Sobald die Hauptversammlung einberufen wurde, müssen in den Geschäftsräumen des Unternehmens folgende Unterlagen zur Ansicht ausliegen: der Entwurf des Übertragungsbeschlusses, die Jahresabschlüsse und Lageberichte für die letzten drei Geschäftsjahre, der Bericht des Hauptaktionärs sowie der Prüfungsbericht zur Abfindung. Jeder Aktionär kann zudem eine kostenlose Abschrift der genannten Unterlagen per Post anfordern.

Weiterhin muss der Hauptaktionär in einem schriftlichen Bericht die Voraussetzungen der Übertragung und die Angemessenheit der Abfindungshöhe erläutern und begründen, auf eventuelle zulässige Lücken aufgrund zu erwartender Nachteile bei Offenlegung (§ 293a Abs. 2 AktG) ist hinzuweisen. Der Hauptaktionär ist nicht verpflichtet, im Rahmen der Hauptversammlung weitere Erklärungen abzugeben.

Die Abfindung

Aufgrund der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (vgl. Art. 14 Abs 1 Grundgesetz) haben die Minderheitsaktionäre das Recht auf eine angemessene Abfindung. Nur unter dieser Voraussetzung ist die zwangsweise Enteignung der Minderheitsaktionäre in einem Squeeze-out-Verfahren überhaupt zulässig.

Die Minderheitsaktionäre erhalten eine Barabfindung, sie haben keinen Anspruch auf Aktien des Hauptaktionärs wie etwa bei einer Mehrheitseingliederung gemäß § 320 AktG.

Die Höhe der Abfindung richtet sich nach der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zum Zeitpunkt des Übertragungsbeschlusses und wird in der Regel mindestens in der Höhe des aktuellen Aktienkurses anzusetzen sein, wenn nicht höher. Das wichtigste Bewertungsinstrument ist das so genannte Ertragswertverfahren, bei dem die Prognose über zukünftige Erträge eine entscheidende Rolle spielt. Bei börsennotierten Gesellschaften ist der durchschnittliche Börsenkurs der vergangenen drei Monate vor der letzten Hauptversammlung ein wichtiger Referenzwert.

Entscheidendes Manko ist hier, dass der Mehrheitsaktionär den Kurs zunächst selbst bestimmen kann. Die Bewertung der Aktienanteile wird hierzu meist von einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen vorgenommen, welches in gutem geschäftlichen Kontakt zum Mehrheitsgesellschafter steht. Die Bewertungen sind daher zumeist am unteren Ende einer Bewertungsskala angesiedelt.

Da der Abfindungsanspruch ab dem Zeitpunkt der Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister besteht, jedoch erst mit Einreichen der Aktien fällig wird, muss der jeweilige Betrag in der Zwischenzeit verzinst werden, und zwar mit 2 % über dem Basiszinssatz nach § 247 Bundesgesetzbuch.

Prüfung zur Abfindungshöhe

Der Hauptaktionär muss auf eigene Kosten beim zuständigen Gericht die Bestellung eines externen Wirtschaftsprüfers beantragen. Dieser ist gegenüber dem Unternehmen mit umfassenden Auskunftsrechten ausgestattet und prüft, ob die Höhe der Abfindung angemessen ist. Zwar kann der Hauptaktionär einen Prüfer vorschlagen, das Gericht ist an diesen Vorschlag aber nicht gebunden. Die Minderheitsaktionäre haben die Möglichkeit, sowohl auf die externe Prüfung als auch auf den Bericht des Mehrheitsaktionärs zu verzichten.  HIer wird meist die oben bereits beschriebene Variante mit dem nah verbundenen Wirtschaftsprüfungsunternehmen gewählt, was die Stellschrauben entsprechend ein wenig fester anzieht, um dem Unternehmen nicht zuviel potential zu entlocken.

Der Übertragungsbeschluss

Der Übertragungsbeschluss wird auf der Hauptversammlung getroffen, wobei dieser Angaben zum Hauptaktionär und der Höhe der Abfindung enthalten muss. Im Anschluss ist es Sache des Vorstands, diesen zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.

Und die Rechte der Minderheitsaktionäre?

Die Möglichkeiten der Minderheitsaktionäre, sich gegen ein Squeeze-out zu wehren, sind relativ begrenzt, wenn auch (noch) nicht unbedingt überschaubar. In diesem Zusammenhang darf auch das Urteil im Fall von Unicredit und HypoVereinsBank mit Spannung erwartet werden.

Die Einflussnahme der Minderheitsaktionäre beschränkt sich in erster Linie auf die Angemessenheit der Abfindung. Einwendungen bezüglich der Abfindungshöhe rechtfertigen allerdings keine Anfechtungsklage und sind nur nach (!) der Durchführung des Squeeze-out in einem Spruchstellenverfahren (auch Spruchverfahren, welches sich nach einem extra hierfür geschaffenen Gesetz richtet) möglich. Dies ist in den meisten Fällen ratsam, fällt doch die gerichtlich überprüfte Abfindung meist höher aus als das Angebot.

In Bezug auf den zugrunde liegenden Wert der Gesellschaft sind unzulässige Kursmanipulationen von zulässigen Maßnahmen zur Beeinflussung des Unternehmenswertes durch den Mehrheitsaktionär, wie etwa der Kündigung von Verträgen, zu unterscheiden. Wurde die externe Prüfung der Abfindung durch den vom Hauptaktionär vorgeschlagenen Squeeze-out-Prüfer vorgenommen, kann sich dies als Vorteil für die Minderheitsaktionäre entpuppen, da ein solches Vorgehen, das allein zwar keinen Anfechtungsgrund darstellt, unter Umständen als Verdachtsmoment gewertet werden kann.

Ansatzpunkte für Anfechtungsklagen bieten vor allem Verstöße gegen die Informationspflichten, beispielsweise wenn kein oder nur ein ungenaues (nicht: unangemessenes) Abfindungsangebot vorliegt. Unter welchen Umständen ein Ausschluss der Minderheitsaktionäre grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, beschäftigt die Gerichte nachhaltig und ist bisher nicht eindeutig zu beantworten.

Da Anfechtungsklagen in der Regel die Eintragung ins Handelsregister verhindern, kann das betroffene Unternehmen versuchen, im Rahmen eines Eilverfahrens einen so genannten Unbedenklichkeitsbeschluss erwirken. Dieses so genannte Freigabeverfahren ermöglicht die Eintragung des Übertragungsbeschlusses trotz anhängiger Anfechtungsklagen. Hintergrund ist die Verhinderung von Nachteilen durch missbräuchliche Anfechtungsklagen.

Für die ehemaligen Minderheitsaktionäre bedeutet ein solcher Unbedenklichkeitsbeschluss allerdings, dass ihnen im Falle der nachträglichen Aufhebung des Übertragungsbeschlusses im Anfechtungsverfahren nur noch der Weg der Schadensersatzklage gegen das Unternehmen offen steht.

Schulte
Rechtsanwalt

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Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 516 vom 20. Februar 2008 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich

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