Prospekthaftung ist weiterhin ein aktuelles Thema in der Rechtsprechung. Klagen von Anlegern, die nicht ausreichend und vor allem nicht richtig über eine Kapitalanlage aufgeklärt worden sind und hierdurch einen finanziellen Verlust erlitten haben, beschäftigen die Gerichte bis hin zum Bundesgerichtshof. Hierbei lässt sich feststellen, dass der Reigen der möglichen Verantwortlichen bis aufs Letzte ausgereizt wird. Anbieter und Vermittler von Kapitalanlagen stellen sich daher berechtigterweise sorgenvoll die Frage, der denn überhaupt für die Angaben im Prospekt und im Verkaufsgespräch haftet und in welchem Umfang eine Haftung vorhanden ist. Der Kreis der haftbaren Personen soll daher in diesem Beitrag beleuchtet werden.
- Grundlagen
Einen Schadensersatzanspruch kann geltend machen, wer eine Kapitalanlage gekauft hat. Allerdings muss es sich bei der Kapitalanlage um ein öffentliches Angebot handeln. Die Gesetzesbegründung erläutert das öffentliche Anbieten als eine über ein beliebiges Medium an einen unbestimmten Personenkreis gerichtete Aufforderung, ein Kaufangebot abzugeben. Der Anbieter muss sich also zielgerichtet an den inländischen Kapitalmarkt gewendet haben, wobei eine derartige Werbung auch über das Internet erfolgen kann.
Für die Anspruchsinhaber gibt zwei Haftungstatbestände: Zum einen richtet sich die Haftung nach § 13 VerkProspG, wenn für die Beurteilung der Vermögensanlagen wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig sind.
Wann dies der Fall ist, bestimmt sich zum einen für Vermögensanlagen nach § 8g I 1 VerkProspG in Verbindung mit der am 01.07.2005 in Kraft getretenen Verordnung über Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte, welche im einzelnen regelt, welche Angaben im Vermögensanlageverkaufsprospekt enthalten sein müssen.
Für Wertpapiere richtet sich die Haftung ebenfalls nach § 13 VerkProspG, allerdings wird der Inhalt dieser Art von Prospekten über das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und die hierzu ergangenen EU-Richtlinien bestimmt, wie sich aus § 7 WpPG ergibt.
Ausgangspunkt ist nach wie vor der Grundgedanke, dass die Anleger letztlich nur aufgrund des überreichten Prospekts in der Lage sind, eine Entscheidung über das „Ob und Wie“ ihrer Kapitalanlage zu treffen, weil der Prospekt ihre wesentliche Informationsquelle darstellt. Der Prospekt muss den Anleger über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung wesentlich sind, umfassend in Kenntnis setzen. Insbesondere müssen Werturteile und Prognosen ausreichend durch Tatsachen gestützt sein. Ferner muss der Prospekt in dem Zeitpunkt, in dem ihn der Anleger erhält, aktuell sein. Für den Anbieter der Kapitalanlage ergibt sich hieraus die Pflicht, den Prospekt in Bezug auf nachträglich eingetretene Tatsachen zu aktualisieren oder den Anleger in anderer Form darauf hinzuweisen.
Ein zweiter Haftungsgrund ist gemäß § 13a VerkProsG der gänzlich fehlende Prospekt. Voraussetzung ist hier, dass der Anlagenerwerb vor Veröffentlichung eines Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland stattgefunden hat. Handelt es sich um die Anlage eines Emittenten mit Sitz im Ausland und wurde die Anlage auch dort öffentlich angeboten, so besteht der Haftungsanspruch aber nur, sofern die Anlagenerwerb aufgrund eines im Inland abgeschlossenen Geschäfts erfolgt ist. Der Anspruch besteht nicht, wenn der Erwerber die Prospektveröffentlichpflicht des Anbieters beim Erwerb kannte. Also Pech für jeden aufmerksamen Leser dieses Artikels, der nunmehr informiert ist und für den § 13 a VerkProspG nun nicht mehr gilt. - Prospekthaftung im weiteren Sinne
Die Prospekthaftung im weiteren Sinne wird durch das „typisierte“ Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben begründet. Sie trifft im wesentlichen diejenigen Personen, die in der Anlagegesellschaft besonderen Einfluss ausüben und daher für die Prospektgestaltung Mitverantwortung tragen, letztlich also die „Hintermänner“ des Investitionsprojekts.
Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ab dem 1. Juli 2005 nunmehr ebenfalls gesetzlich geregelt: Mit Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes wurde das Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG), das bisher nur für nichtbörsliche Wertpapiere galt, auch für den grauen Markt anwendbar. Es normiert eine Prospektpflicht für im Inland öffentlich angebotene und nicht in Wertpapieren verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, für Treuhandvermögen sowie für Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds.
Damit sind die „klassischen“ Anlageformen des grauen Kapitalmarktes von der Prospektpflicht erfasst: Beteiligungen an Personenhandelsgesellschaften wie Publikumskommanditgesellschaften, der Erwerb von GmbH-Anteilen, GbR-Anteilen, Genossenschaftsanteilen sowie stille Beteiligungen an diesen Gesellschaften und ferner die Vermögensbeteiligung mittels einer zwischengeschalteten Treuhandgesellschaft. Nicht entscheidend ist die Art der Kapitalanlage. Es ist unerheblich, ob es sich bei der Investition sich um einen Immobilien- oder Medienfonds, oder einen Schiffs- oder Windanlagenfonds handelt. - Prospekthaftung im engeren Sinne
Die Prospekthaftung im engeren Sinne gründet sich auf das „persönliche“ Vertrauen des jeweiligen Beraters oder Vermittlers, das dieser geschaffen hat, indem er sich bei der Anlageberatung des Prospekts bedient und sich dessen Angaben zu eigen gemacht hat. - Haftung des Anbieters
Wen kann der geschädigte Anleger nun in die Pflicht nehmen? Adressat der Prospekthaftung ist gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 und 2 BörsG, der über die Vorschrift des § 13 VerkProspG auch für alle anderen prospektpflichtigen Angebote gilt:- wer für den Prospekt die Verantwortung übernommen hat
- und derjenige, von dem der Erlass des Prospektes ausgeht
Sämtliche Verantwortlichen haften nach § 44 Abs. 1 BörsG als Gesamtschuldner. Die Verantwortung für den Prospekt haben diejenigen Personen übernommen, die ihn im Sinne der Verordnung über Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte unterzeichnen.
- Haftung der Hintermänner
Geht der Prospekt von Personen oder Gesellschaften aus, die- seine tatsächlichen Urheber sind und die
- ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Investition haben, aber im Hintergrund die Fäden ziehen,
so müssen auch diese Hintermänner“ mit Einbeziehung in die Prospekthaftung rechnen. Hierdurch sollen letztlich Haftungslücken geschlossen werden. Bei unseriösen Kapitalanlagen muss der Anleger die Angehörigen dieser Personengruppe allerdings nicht selten selbst ermitteln.
- Haftung des Vermittlers
Es gibt noch eine dritte Personengruppe, deren Mitglieder dem Anleger als potentielle jedoch meist nicht sehr wirtschaftlich potente Schuldner zur Verfügung stehen können. Eine „persönliche“ Prospekthaftung im weiteren Sinne gründet sich auf die allgemeinen Kriterien der bürgerlich-rechtlichen Vertrauenshaftung. Sie besteht weiterhin neben den Ansprüchen des VerkProspG und trifft den Vermittler der Kapitalanlage. Dies kann auch eine Kapitallebensversicherung oder ähnliches sein. Die Haftung ist hier nicht auf den Bereich der Prospekthaftung beschränkt.
Hat ein persönlicher Anlagenberater oder -vermittler bei den Verhandlungen persönliches Vertrauen und besondere (angebliche) Sachkunde für sich in Anspruch genommen und sich dabei auf den unrichtigen Prospekt bezogen oder generell fehlerhafte und unvollständige Angaben gemacht, so hat er sich die falsche Angaben des Prospekts zu eigen gemacht und haftet ebenfalls als Prospektverantwortlicher auf Schadensersatz. - Haftung des Treuhänders
Auch der Treuhänder eines Kapitalanlagemodells kann unter Umständen dann der Prospekthaftung unterliegen, wenn er selbst als Initiator des Prospekts im Sinne der §§ 13 VerkProspG, 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG gilt.
Darüber hinaus ist der Treuhänder nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) dazu verpflichtet, die Interessen seiner Treuhänder wahrzunehmen (BGH NJW 2002, 888). Dazu gehört es auch, dass er diese über alle wesentlichen Umstände der Anlage aufklärt, die ihm bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssten und die für die Anleger zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung waren (OLG München, WM 2002, 689, OLG Hamm EWiR 2002, 799). Kommt der Treuhänder diesen Pflichten nicht nach, haftet er dem Anleger für den daraus entstandenen Schaden (BGH WM 1982, 758; NJW 2002, 1711). - Kausalität und Beweisproblematik
Ist der Verkaufsprospekt unrichtig, unvollständig oder nicht vorhanden, so kann der Anleger einen Schadensersatzanspruch allerdings nur geltend machen, wenn dieser durch die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität herbeigeführt wurde. Dies bedeutet, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der Unrichtigkeit des Prospekts, der konkreten Anlageentscheidung und dem eingetretenen Schaden bestehen muss.
§ 45 II Nr.1 BörsG stellt eine Vermutung für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Prospektfehler und der Anlageentscheidung (haftungsbegründende Kausalität) auf. Diese erleichtert dem geschädigten Anleger die Beweisführung in einem Gerichtsprozess. Es genügt hier die Behauptung des Anlegers, er hätte bei Kenntnis des zutreffenden Sachverhaltes den Erwerb der Anlage nicht vorgenommen.
Der Anspruchsgegner muss nun darlegen und beweisen, dass der Anleger die Investitionsentscheidung auch bei voller Kenntnis des Sachverhaltes getätigt hätte, was ihm praktisch nie gelingen wird.
In gleicher Weise besteht eine gesetzliche Vermutung gemäß § 45 II Nr.2 BörsG für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Prospektfehler und dem letztlich für den Anleger eingetretenen Schaden (haftungsausfüllende Kausalität). Wird sie nicht widerlegt, so besteht ein Prospekthaftungsanspruch auch dann, wenn zwar ein unrichtiger Prospekt ausgehändigt wurde, der Wertverlust der Kapitalanlage aber nicht auf dieser Unrichtigkeit beruht. Der Anspruchsgegner kann aber den Nachweis der fehlenden Kausalität antreten. Ein Beispiel zur Verdeutlichung:
Ein Immobilienfondsprospekt enthält grob fehlerhafte Quadratmeterzahlen und falsche bautechnische Daten über ein Großprojekt in Form eines Einkaufszentrums, gleichwohl sind Art und Wert der Anlage sowie die mit ihr verbundenen Risiken vollständig und richtig dargestellt. Nach Fertigstellung kommt es zum Leerstand der Immobilie, ohne dass dies mit den falschen Prospektdaten etwas zu tun hätte. Vielmehr ist dies der schwachen Konjunktur geschuldet, worauf im Prospekt hingewiesen worden war. Aus § 45 II Nr.2 BörsG geht hervor, dass die Anlegergesellschaft für den fehlenden Ursachenzusammenhang beweispflichtig ist. Die gesetzliche Kausalitätsvermutung zugunsten des Anlegers erschwert dem Anspruchsgegner in vielen Fällen die Beweisführung, denn regelmäßig scheitert seine Beweisführung schon dann, wenn nicht auszuschließen ist, dass die falschen Angaben für den Wertverlust der Kapitalanlage mitursächlich waren. In dem dargestellten Beispielsfall könnte er sich wegen der offenkundigen Irrelevanz der unrichtigen Daten wohl entlasten; anders wäre dies aber schon dann, wenn der Prospekt etwa zudem unrichtige Aussagen über die Verkehrsanbindung getroffen hätte, denn in diesem Fall kann der Flop des Einkaufscenters zumindest auch darauf beruhen.
- Verschulden
Zu beachten sind die unterschiedlichen Verschuldensmaßstäbe: Die Prospektverantwortlichen im weiteren Sinne nach § 45 BörsG haften nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Für fehlendes Verschulden trifft sie die Beweislast. Können sie beweisen, dass sie die Prospektfehler nicht kannten und dass diese Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht, so ist es ausgeschlossen, sie nach § 45 I BörsG in Anspruch zu nehmen.
Hierin besteht ein wichtiger Unterschied gegenüber der allgemeinen bürgerlichen Prospekthaftung, denn dort wird die Schadensersatzpflicht bereits durch einfache Fahrlässigkeit begründet. Haftbar ist hier z.B. der Vermittler, der somit keine Haftungserleichterung genießt und deswegen oftmals die letzte Person ist, die mit Erfolg verklagt werden kann.
Die erhöhten Anforderungen an das Verschulden der Prospektpflichtigen nach § 45 BörsG und die damit einher gehende Haftungsprivilegierung hielt der Gesetzgeber wohl wegen der hohen Sorgfaltsanforderungen, die bei der Prospekterstellung zu durchlaufen sind, offenbar gerechtfertigt. Ein Schutz, den die Hintermänner aus Sicht des Autors nicht immer zu Recht genießen. Oft kommt diesen nämlich eher der Zufall zu Gute, dass eine Beweisführung vor Gericht für das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit schwierig bis unmöglich ist. - Verjährung Die Verjährung
des klassischen Prospekthaftungsanspruchs nach §§ 13 VerkProspG, 44 BörsG tritt gemäß § 46 BörsG innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt ein, zu dem der Anleger Kenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Prospektangaben erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit Veröffentlichung des Prospekts. Demgegenüber richtet sich die Vermittlerhaftung im engeren Sinne nach der allgemeinen dreijährigen Verjährung der §§ 195, 199 BGB. Die Vermittler haften somit meist auch noch länger und über die Verjährungsfrist der klassischen Prospekthaftung hinaus.