Recht und Gesetz

Rechtsprechung konkretisiert Bankenhaftung bei Immobiliengeschäften

Lang­sam ver­deut­li­chen sich­ die Um­ris­se der Mög­lich­kei­ten ei­ner zu­sätz­li­chen Haf­tung der fi­nan­zie­ren­den Ban­ken in den Fäl­len der fehl­ge­schla­ge­nen Im­mo­bi­lien-Ka­pi­ta­lan­lagen. Die deut­sche Recht­spre­chung hat nun­mehr be­reits in meh­re­ren Ent­schei­dun­gen aus­ge­führt, un­ter wel­chen Um­stän­den ei­ne Haf­tung der Bank ge­gen­über dem An­le­ger für der­ar­ti­ge Ka­pi­tal­an­la­gen bzw. Steu­er­spar­mo­del­le in Fra­ge kommt.

Grund­sätz­lich ist im Fall ei­ner der­ar­ti­gen Ka­pi­tal­an­la­ge bzw. bei ei­ner Falsch­be­ra­tung im Zu­sam­men­hang mit dem Er­werb ei­ner fremd­fi­nan­zier­ten und fremd­ge­nutz­ten Ei­gen­tums­woh­nung je­des sich dar­aus er­ge­be­ne Ver­trags­ver­hält­nis ge­son­dert zu be­ur­tei­len. Wäh­rend seit lan­gem an­er­kannt ist, dass die Ver­käu­fer­sei­te ei­ner sol­chen Im­mo­bi­lie für Falsch­be­ra­tun­gen des ein­ge­schal­te­ten Ver­trie­bes haf­ten muss, war ein Vor­ge­hen ge­gen die fi­nan­zie­ren­de Bank mit Hin­der­nis­sen ver­bun­den.

Ent­schei­dend ist näm­lich, dass der Dar­le­hens­ver­trag mit der fi­nan­zie­ren­den Bank recht­lich zu­nächst nicht mit dem Kauf­ver­trag gleich­ge­setzt wer­den kann. Dies hat zur Fol­ge, dass fal­sche Aus­sa­gen von Ver­trieb­sor­ga­ni­sa­tio­nen – an­ders als bei dem Ver­käu­fer der Ka­pi­tal­an­la­ge – nicht oh­ne wei­te­res der fi­nan­zie­ren­den Bank zu­ge­rech­net wer­den kön­ne, da die Ban­ken re­gel­mä­ßig nicht Auf­trag­ge­ber der Ver­trieb­sor­ga­ni­sa­tio­nen sind. Den­noch ist es häu­fig so, dass die Ban­ken tat­säch­lich eng mit der Ver­käu­fer­sei­te bzw. der Ver­triebs­sei­te zu­sam­men­ar­bei­ten und nach Zu­lie­fe­rung der fi­nan­ziel­len Eck­da­ten des Käu­fers (bei­spiels­wei­se durch ei­ne Selbst­aus­kunft des Er­wer­bers) oh­ne mit dem Er­wer­ber di­rekt Kon­takt auf­ge­nom­men zu ha­ben, ent­spre­chen­de Dar­le­hens­ver­trag­san­ge­bote in un­ter­schrifts­rei­fer Form dem spä­te­ren Er­wer­ber zu­lei­ten.

Ge­nau hier setzt die Recht­spre­chung bei ih­rer Be­ur­te­ilung an, ob auch die Bank in die Haf­tung ge­nom­men wer­den kann. Ei­ne Haf­tung der Bank ist grund­sätz­lich dann mög­lich, wenn es zwi­schen der Bank und dem Ver­käu­fer bzw. der Ver­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on zu ei­nem so ge­nann­ten „ins­ti­tu­tio­na­li­sier­ten Zu­sam­men­wir­ken“ kommt. Die­ser Be­griff wur­de in vier Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ge­richts­ho­fes vom 16.05.2006 ge­prägt. Er­for­der­lich ist dem­nach, dass zwi­schen Ver­käu­fer und In­i­tia­tor, den von ih­nen be­auf­trag­ten Ver­mitt­lern und der fi­nan­zie­ren­den Bank stän­di­ge Ge­schäfts­be­zie­hun­gen be­stan­den. Die höchst rich­ter­li­che Recht­spre­chung greift da­für auf fol­gen­de In­di­zi­en zu­rück:

1.

Ver­triebs­ve­rei­nba­run­gen, Rah­men­ver­trä­ge oder kon­kre­te Ver­trieb­sab­sprachen zwi­schen den drei oben ge­nann­ten Be­tei­lig­ten.

2.

Anhalt­spunk­te kön­nen sich auch dar­aus er­ge­ben, dass den vom Ver­käu­fer oder In­i­tia­tor ein­ge­schal­te­ten Ver­mitt­lern von der Bank Bü­ro­räu­me über­las­sen oder von ih­nen – von der Bank un­be­an­stan­det – For­mu­la­re des Kre­dit­ge­bers be­nutzt wer­den,

3.

oder et­wa dar­aus, dass der Ver­käu­fer oder die Ver­mitt­ler dem fi­nan­zie­ren­den In­stitut wie­der­holt Fi­nan­zie­run­gen von Ei­gen­tums­woh­nun­gen oder Be­tei­li­gun­gen des­sel­ben Ob­jek­tes ver­mit­telt ha­ben.

Ein so ge­nan­ntes „ins­ti­tu­tio­na­li­sier­tes Zu­sam­men­wir­ken“ liegt dann nicht vor, wenn ei­n Kre­dit­in­sti­tut le­dig­lich von Zeit zu Zeit auf die Ini­tia­ti­ve des Ver­käu­fer Fi­nan­zie­rungs­wün­sche ge­prüft und Fi­nan­zie­run­gen über­nom­men hat (BGH, Ent­schei­dung vom 26.09.2006, Az: XI ZR 283/03).

In der neus­ten Recht­spre­chung schränkt er zu­stän­di­ge 11. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­ho­fes hier die Rol­le der Ban­ken im Rah­men ei­nes „ins­ti­tu­tio­na­li­sier­tes Zu­sam­men­wir­kens“ wie­der et­was ein.

Zwar kann ei­ne Bank ne­ben dem Ver­käu­fer auch auf Scha­dens­er­satz haf­ten, dies je­doch nur dann, wenn die Bank hier ih­re Ro­lle als rei­ne Kre­dit­ge­be­rin über­schrei­tet und zu­sätz­lich ei­nen so ge­nann­ten „Wis­sens­vor­sprung“ hat, d. h. über das ver­kauf­te Ob­jekt so viel weiß, dass hier der Er­wer­ber von die­sem zu­sätz­li­chen Wis­sen in­for­miert wer­den müss­te. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn hier durch die stän­di­ge Zu­sam­men­ar­beit der Bank mit dem Ver­käu­fer bzw. dem Ver­trieb­sun­ter­neh­men (bei­spiels­wei­se durch die Ver­käu­fe von Woh­nun­gen im glei­chen Ob­jekt) die Bank über die re­le­van­ten Rah­men­be­din­gun­gen bzw. die Wert­hal­tig­keit der Ob­jek­tes aus­rei­chend in­for­miert ist. Wenn sich in die­sem Zu­sam­men­hang bei­spiels­wei­se dem prü­fen­den Bank­mi­tar­bei­ter auf­drän­gen muss­te, dass der hier vom Er­wer­ber ver­lang­te Kauf­preis über­mä­ßig über­höht ist, und in Fol­ge des­sen auch ei­ne für den Dar­le­hens­neh­mer un­pas­sen­de Fi­nan­zie­rung zu­stan­de kom­men wür­de, müss­te hier die Bank ge­gen­über dem Er­wer­ber auf­klä­re­nd tä­tig wer­den.

Tut sie das nicht, kann sie zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet sein und ne­ben der Ver­käuf­er­sei­te haf­ten.

Al­ler­dings hat der Bun­des­ge­richts­hof in sei­ner neus­ten Recht­spre­chung die­se Er­for­der­nis­se be­reits wi­eder ein­ge­schränkt. Grund­sätz­lich ist ei­ne kre­dit­ge­ben­de Bank un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­nes Wis­sens­vor­sprun­ges nur dann ver­pflich­tet, den Kre­dit­ne­hmer bei der Kre­dit­ver­ga­be über die sit­ten­wi­dri­ge Über­teu­e­rung der zu fi­nan­zie­ren­den Ei­gen­tums­woh­nung auf­zu­klä­ren, wenn die Bank po­si­ti­ve Kennt­nis dav­on hat, dass der Kauf­preis knapp dop­pelt so hoch ist wie der Ver­kehrs­wert der Woh­nung.

Nach An­sicht des BGH steht die blo­ße Er­kenn­bar­keit der (re­gel­mä­ßig schwer be­weis­ba­ren) po­si­ti­ven Kennt­nis dann gleich, wenn sich die sit­ten­wi­dri­ge Über­teu­e­rung der Ei­gen­tums­woh­nung ei­nem zu­stän­di­gen Bank­mi­tar­bei­ter nach dem Um­stän­den des al­len­falls auf­drän­gen muss­te. Er sei dann nicht mehr be­rech­tigt, sei­ne Au­gen da­vor zu ver­schlie­ßen (BGH, Ent­schei­dung vom 29.04.2008, Az.: XI ZR 221/07).

Die­se ver­klau­su­lier­te For­mu­lie­rung des BGH be­deu­tet nichts an­de­res, als dass hier die Bank zwar nicht von sich aus ak­tiv den Kauf­vor­gang auf Un­ge­reimt­hei­ten über­prü­fen muss, je­doch bei er­kenn­ba­ren Un­ge­reimt­hei­ten hier nicht ein­fach „se­hen­den Au­ges“ den Dar­le­hens­ver­trag schlie­ßen darf.

Wie im­mer kommt es in­so­weit al­so auf den zu be­ur­tei­len­den Ein­zel­fall an. Ähn­li­ches kann je­doch auch bei ei­ner gra­vie­ren­den Falsch­be­ra­tung des Ver­trieb­sun­ter­neh­mens an­ge­nom­men wer­den. Wenn bei­spiels­wei­se die Bank schon an­hand der sei­tens des Ver­trieb­sun­ter­neh­mens ein­ge­reich­ten Selbst­aus­kunft des po­ten­ti­el­len Er­wer­bers er­ken­nen kann, dass die­ser hin­sicht­lich sei­ner fi­nan­ziel­len Leis­tungs­fä­hig­keit gar nicht für den Er­werb der zur fi­nan­zie­ren­den Woh­nung ge­eig­net ist und dies sich ge­ra­de­zu „auf­drängt“, so dürf­te der Fall nicht an­ders zu be­han­deln sein.

Viel­fach wer­den ja die po­ten­ti­el­len Er­wer­ber sei­tens der Ver­trieb­sun­ter­neh­mer für den Dar­le­hen­scheck der Ban­ken „fit“ ge­macht. So wer­den be­reits be­ste­hen­de Dar­le­hen von po­ten­ti­el­len Er­wer­bern ge­zielt ge­tilgt oder durch Ein­zah­lun­gen auf den Haus­ban­ken der Er­wer­ber die­se für die fi­nan­zie­ren­de Bank „kre­dit­wür­dig“ ge­macht. Obers­tes Ziel der Ver­trieb­sun­ter­neh­men ist es näm­lich, hier der fi­nan­zie­ren­den Bank ei­nen sol­ven­ten Kun­den zu prä­sen­tie­ren. Wenn al­so ei­ne fi­nan­zie­ren­de Bank von sol­chen Prak­ti­ken durch ih­re re­gel­mäßige Zu­sam­men­ar­beit mit den Ver­trieb­sun­ter­neh­men bzw. der Ver­käu­fer­sei­te Kennt­nis hat, so hat sie ei­ne grö­ße­re Prü­fungs­pflicht als bei völ­lig un­be­kann­ten Ver­trags­part­nern.

Zu be­ach­ten ist al­ler­dings, dass sich die Recht­spre­chung in Be­zug auf die Ban­ken­haf­tung erst lang­sam ent­wi­ckelt. Höchst rich­terliche Ent­schei­dun­gen sind sel­ten. In den Ins­tanz­ge­rich­ten wur­de zwar in der Ver­gan­gen­heit be­reits ver­ein­zelt ei­ne Haf­tung der Bank auch bei gra­vie­ren­der Falsch­bera­tung an­ge­nom­men, die­se wird je­doch der­zeit durch die Be­ru­fungs­ge­rich­te bzw. dem Bun­des­ge­richts­hof über­prüft. Es ist in na­her Zu­kunft da­mit zu rech­nen, dass hier sei­tens des Bun­des­ge­richts­ho­fes ei­ne neue Leit­sat­zent­schei­dung er­geht.

Bis da­hin kann ge­prell­ten Er­wer­bers von Ei­gen­tums­woh­nun­gen nur ge­ra­ten wer­den, ne­ben der Haf­tung der Ver­käu­fer­sei­te auch ei­ne mög­li­che Haf­tung der Ban­ken zu über­prü­fen. Ver­ein­zelt lässt sich ei­ne Mit­wir­kung der Ban­ken an dem Ver­kaufs­ge­schäft auch auf an­de­re Wei­se nach­wei­sen.

So kommt es bei­spiels­wei­se vor, dass Ver­tre­ter von fi­nan­zie­ren­den Ban­ken auch in Ei­gen­tü­mer­ver­sammlungen ge­schickt wer­den oder auch die Ban­ken selbst Ver­trags­part­ner des Kauf­ver­tra­ges sind.

Letz­tendlich lässt sich fest­stel­len, dass hier zwar dem Ver­brau­cher durch die Ein­be­zie­hung der Ban­ken in den Haf­tungs­kreis er­wei­ter­te Mög­lich­kei­ten an die Hand ge­ge­ben wer­den, hier von ei­ner an­de­ren Sei­te Scha­dens­er­satz zu er­lan­gen, an­de­rer­seits wer­den hier an die Haf­tung der Ban­ken nicht im­mer leicht zu rea­li­sie­ren­de Vo­raus­set­zun­gen ge­knüpft.

Al­ler­dings ist po­si­tiv zu wer­ten, dass nun auch die Recht­spre­chung be­ginnt die Re­ali­tä­ten zur Kennt­nis zu neh­men. Dar­le­hens­ver­trag und Kauf­ver­trag dür­fen nicht ge­trennt, son­dern müs­sen ge­mein­sam be­trach­tet wer­den.

Kontakt:

Telefon: (030) 71520670, Telefax: (030) 71520678, e-Mail: Internet: www.dr-schulte.de .dr.schulte@dr-schulte.de

Bildmaterial: Frau Antje König (Bürovorsteherin)

e-Mail: antje.koenig@dr-schulte.de

Unser Büro ist mit einem Team von vier Rechtsanwälten wirtschaftsberatend tätig und deckt ein breites Spektrum wirtschaftsrechtlicher Themenstellungen ab. Der Verfasser arbeitet schwerpunktmäßig im Bereich des Banken- und Kapitalmarktrechtes. Die Rechtsanwälte sind ebenfalls im Bereichdes Immaterialgüterrechtes (Namensrecht, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht, Marken, Patente, Gebrauchsmuster, Sorten und Design), des Versicherungsrechtes sowie des Immobilienrechtes aktiv. Interdisziplinär kooperieren die Rechtsanwälte mit Steuerberatern. Die Kanzlei verfügt über Büros in Berlin (2 x), Freiburg und Dresden.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
22. Jahrgang - Nr. 553 vom 9. Oktober 2008 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich