Beitritt zum Immobilienfonds: Rechtsschutzversicherung verurteilt
Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 29.06.2006 (AZ I-4 U 183/05) eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf bestätigt. Hintergrund des Rechtsstreits war die Weigerung einer Rechtsschutzversicherung gewesen, die Schadensersatzklage einer Anlegerin wegen einer wertlosen Kommanditbeteiligung an einem Immobilienfonds zu finanzieren. Die Berufung der erstinstanzlich zur Zahlung verurteilten Versicherung wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hatte sich im Jahr 2000 an einen geschlossenen Immobilienfonds beteiligt. Hierzu hatte sie zwei Kommanditanteile im Wert von jeweils 100.000 DM an der O.V. GmbH & Co. KG erworben. Gesellschaftszweck des Fonds waren der Erwerb, der Betrieb, die Verwaltung und die Vermietung sowie Verwertung von gewerblichen und wohnungswirtschaftlichen Immobilien. In den Fonds waren überwiegend Wohnanlagen, Einkaufszentren und Seniorenpflegeheime eingebracht worden. Insgesamt hielt der Fonds über Beteiligung an Objektgesellschaften 46 Objektgruppen. Die Klägerin hatte vor dem Landgericht Berlin eine Klage (10 O 1108/04) anhängig gemacht, mit der sie Schadensersatz gegen die Fondsbetreiber forderte. Nach ihrer Ansicht war sie durch einen fehlerhaften Prospekt und durch Täuschung über die tatsächlich und wirtschaftlichen Hintergründe des Fonds zu der Beteiligung veranlasst worden. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens vor dem Landgericht Düsseldorf verweigerte den Rechtsschutz unter Hinweis auf § 3 (1) b, cc der ARB 98. Nach dieser Vertragsvorschrift besteht kein Rechtsschutz für die Wahrung rechtlicher Interessen im ursächlichen Zusammenhang mit „dem Erwerb oder der Veräußerung eines vom Versicherungsnehmer nicht selbst genutzten Gebäudes oder Gebäudeteils“. Das Landgericht Düsseldorf hatte der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Gewährung von Deckungsschutz verurteilt. Das Gericht war der Auffassung, die Ausschlussklausel betreffe den vor dem Landgericht Berlin anhängigen Rechtsstreit nicht. Zum einen habe die Klägerin kein unmittelbares Eigentum an den Grundstücken des Fonds erworben. Es bestehe lediglich ein stufenweise gemitteltes Gesamthandseigentum der Klägerin an den Grundstücken. Eine solche Eigentumsposition sei von dem Begriff des „Erwerbs“ zumindest aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht erfasst. Für das Gericht war entscheidend, dass ein aufgeklärter Verbraucher nicht davon ausgehe, ein nicht selbst genutztes Gebäude zu erwerben: Die Klägerin habe Anteile an einer Publikums-KG erworben; diese KG sei Treuhandkommanditistin einer weiteren KG gewesen, welche die eigentliche Fondsgesellschaft dargestellt habe. Durch das der Treuhandkommanditistin der Klägerin zur Verfügung gestellte Kapital sei diese in der Lage gewesen, dieses einer Fondsgesellschaft zum Immobilienerwerb zur Verfügung zu stellen. Gegen dieses Urteil wandte sich die Rechtsschutzversicherung mit der Berufung. Ihr Argument: Der Begriff des Erwerbs erfasse auch die Erlangung des rein wirtschaftlichen Eigentums an Immobilien. Das OLG Düsseldorf ist dieser Ansicht nicht gefolgt. Entscheidend war für das Gericht, ob der durchschnittliche Versicherungsnehmer seine Fondsbeteiligung als Erwerb eines von ihm nicht selbst genutzten Gebäudes betrachtet. Dies, so das OLG, könne zwar je nach Größe des Fonds und Ausgestaltung der Prospektangaben unterschiedlich zu beantworten sein. Im vorliegenden Fall handle es sich aber um eine reine Kapitalanlage in für die Klägerin anonyme Objekte, die diese nur vom Papier kenne. Da die Klägerin an einem Fonds beteiligt war, der bundesweit in Großobjekte investierte, stehe ihr nicht vor Augen, mit minimalsten Anteilen wirtschaftlich oder dinglich beteiligt zu sein. Wichtig seien für die Klägerin die Betriebsergebnisse der Fonds insgesamt. Ergänzend argumentierte das OLG mit der Natur des Rechtsstreites vor dem Landgericht Berlin: Dieser sei auf die Kriterien des Anlagerechts gestützt, unter anderem auf Prospekthaftung und Anlagebetrug.
Das Urteil ist zu begrüßen. In zunehmendem Maße versuchen die Rechtsschutzversicherungen, ihren Pflichten aus dem Wege zu gehen, indem sie die Vertragsbedingungen unvertretbar restriktiv auslegen. Im Rechtsschutzfall muss der Versicherungsnehmer seine Klage selbständig finanzieren und feststellen, seine Prämien sinnlos erbracht zu haben. Mit Urteil vom 15. März 2006 hat bereits der vierte Zivilsenat des BGH (IV 4/05) entschieden, dass Rechtsschutzversicherungen schadensersatzpflichtig sind, wenn der Versicherungsnehmer einen begründeten und durchsetzbaren Anspruch gegen einen Dritten infolge der verweigerten Deckungszusage nicht durchsetzen kann. Im zugrundeliegenden Fall waren der Klägerin so genannte Gewinnbenachrichtigungen zugegangen. Nach verlorenem erstinstanzlichen Verfahren verweigerte ihr die Rechtsschutzversicherung die Deckungszusage für die Berufung, obwohl die Klägerin deutlich gemacht hatte, bei einer Ablehnung von einer Weiterführung des Prozesses absehen zu müssen. Der Versicherer hatte seine Weigerung unter anderem auf § 3 Abs. 2 Buchstabe f) der ARB 94 gestützt. Diese Vorschrift schließt Rechtsstreitigkeiten vom Versicherungsschutz aus, die in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie mit Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften stehen. Nach Ansicht des BGH war die Ablehnung vertragswidrig, weil der Gewinnanspruch aus § 661a BGB auf einer einseitigen schuldrechtlichen Verpflichtung des Mitteilenden beruhe. Die Klägerin hatte allerdings mit ihrem Altvertrag Glück, denn die ARB 2000 nehmen ausdrücklich auch Gewinnversprechen vom Versicherungsschutz aus. Die Autoren raten Versicherungsnehmern, eine Deckungsverweigerung genau auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Neuerdings tendieren die Versicherungen auch dazu, den Begriff des „vergleichbaren Spekulationsgeschäfts“ in der erwähnten ARB-Klausel auf Kapitalanlageverträge mit überzogenen Renditeversprechen auszudehnen, was ebenfalls auf erhebliche Bedenken stößt.