Viele Unternehmen glauben, dass der Feind außen kommt, Einbruchsdiebstahl, Raub, Banküberfälle sind die häufigen Angstbegriffe. Hier wird in Videoüberwachung, Wachschutz und Versicherungen investiert. Doch hier gibt es häufig nur Bagatellschäden.
Wirtschaftlich bedeutsamer Schaden durch Mitarbeiter
Korruption, Produkt- und Markenpiraterie, Betrug, Unterschlagung oder Spionage – Wirtschaftskriminalität in Unternehmen kann viele Formen annehmen; häufig sind eigene Mitarbeiter beteiligt. Die Rechtsanwälte kennen diese Fallgruppen aus unterschiedlichen rechtlichen Konstellationen. Der jährliche Gesamtschaden beträgt demnach rund 6 Milliarden Euro, wobei die individuelle Höhe des Schadens erheblich von der Größe des Unternehmens abhängt. So liegt die durchschnittliche Schadenssumme eines Großunternehmens bei 6,7 Millionen Euro, sagt eine Studie eines großen deutschen Wirtschaftsprüfungsinstituts.
Dem gegenüber steht, dass dieses Thema in deutschen Unternehmen immer noch vernachlässigt wird. Mittelständler verfügen in der Regel überhaupt nicht über ein entsprechendes Bewußtsein. So verfügt nur etwa jedes dritte Unternehmen über entsprechende Versicherungen, wie etwa eine Vertrauensschadenversicherung. In den Vereinigten Staaten von Amerika sind es rund 70 Prozent. Allerdings bekam nur ein Drittel der versicherten Unternehmen in Deutschland den Schaden auch ersetzt.
Überdies wird laut PriceWaterhouseCoopers nur etwa jeder dritte Täter angezeigt, in Berlin und Brandenburg sind es noch weniger. Das aktuelle „Kriminalitätsbarometer Berlin Brandenburg“ zeigt, dass die Bereitschaft von Unternehmen, Straftaten überhaupt anzuzeigen, insgesamt zwar leicht ansteigt. Neben Vandalismus und Einbruchdiebstahl machen Wirtschaftsdelikte wie Korruption, Wettbewerbsverstöße und Spionage aber nur etwa 10 bis 15 Prozent der angezeigten Straftaten in der Region aus. Laut dem Berliner Tagesspiegel gehen Experten von einer 10-fach höheren Dunkelziffer in diesem Bereich aus. Knuth Thiel, der für das Kriminalitätsbarometer zuständige Mitarbeiter der IHK Frankfurt/Oder, vermutet, dass neben versicherungstechnischen Gründen auch mangelndes Vertrauen in die Kompetenz von Polizei und Strafverfolgungsbehörden die Unternehmen davon abhält, derartige Straftaten anzuzeigen. Tatsächlich wird nur etwa die Hälfte der angezeigten Täter tatsächlich verurteilt, denn oft ist es schwierig, den Tätern die Straftaten auch eindeutig nachzuweisen.
Gelegenheit macht Diebe
Grund genug also, sich die Ursachen von Wirtschaftskriminalität in Unternehmen sowie die Motive der Täter einmal genauer anzuschauen. Denn es gibt einige Besonderheiten dieser Gruppe von Kriminellen, die Unternehmen helfen können, das Risiko von Wirtschaftsdelikten zumindest unwahrscheinlicher zu machen.
Wer (unzufriedene) Mitarbeiter hat, braucht keine Feinde
Dass Unternehmen häufig von einer Anzeige absehen, liegt auch in der Tatsache begründet, dass mindestens jeder zweite Täter aus den eigenen Reihen kommt. Diese Konflike werden häufig in Arbeitsrechtsstreitigkeiten deutlich, wo plötzlich Umstände bekannt werden oder Daten auftauchen, die extrem sensibel sind. Entlassene Mitarbeiter präsentieren auf einmal Beweise und Informationen, die sie nicht haben dürften. Hintergrund ist, dass z.B. die unbefugte Datenüberspielung auf private Datenträger technich extrem einfach ist. Um das Ansehen des Unternehmens nach außen nicht zu beschädigen, werden derartige Vorfälle lieber intern geregelt – insbesondere wenn die Täter eine hohe Position im Unternehmen hatten. Denn die Täter sind durchschnittlich schon seit acht Jahren Mitarbeiter des Unternehmens, bevor sie zu Tätern werden. Externe Täter stehen den betroffenen Unternehmen oft als Kunden, Lieferanten oder Geschäftspartner nahe. Dann ergibt sich ein Zusammenspiel zwischen internen und externen Tätern. Nur selten werden Wirtschaftsdelikte in Unternehmen von Fremden verübt. Tatsächlich ist der typische Wirtschaftsstraftäter der „normale“ sozial angepasste Mitarbeiter und somit im Vorfeld kaum zu identifizieren. Geld kann ja jeder gebrauchen. Die geschädigten Opferunternehmen gehen sehr häufig extrem fahrlässig vor, weil einfachste Sicherheitsvorkehrungen nicht gegeben sind und sogar im Arbeitsvertrag entsprechende Klauseln fehlen. Dann kann ein Täter, der bei einem Versuch erwischt worden ist, häufig noch nicht einmal einfach gekündigt werden.
Viele Täter handeln nicht allein, häufig gibt es mindestens Mitwisser. Die überwiegende Mehrheit der Täter ist männlich und zwischen 30 und 50 Jahren alt. Immerhin ein Fünftel davon sind so genannte Amtsträger. Viele haben Eigenschaften, die Unternehmen an Mitarbeitern schätzen: entscheidungsfreudig, karrierebewusst, erfolgsorientiert und extrovertiert – man spricht auch von so genannten „Risk Seekern“. Neben den unternehmerisch aktiven Tätern gibt es noch die Gruppe der sich unverstanden fühlenden Kreativen sowie angeblich uneigennützig handelnde Täter. Diese erkennen sich selbst nur bedingt als Straftäter und setzen sogar bisweilen eigene Gelder begleitend zu einer Straftat ein.
Zumeist werden Informationen genutzt, um expresserisch vorzugehen, die eigene Selbständigkeit vorzubereiten oder die Daten an Mitbewerber zu verkaufen. Wir leben in einer Informationsgesellschaft, sowohl bei Prozessen als auch im marktwirtschaftlichen Wettbewerb ist eine Informationshoheit durch Datendiebstahl ausschlaggebend.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder heraus
Wünsche nach Macht und Luxus können sich als Habgier mit einer aktiven Verfolgung dieser Ziele äußern. Frustration, berufliche Enttäuschung und mangelnde soziale Anerkennung führen leicht zu einer latenten Suche nach persönlichen Vorteilen. Eine gewisse Naivität begünstigt bei Zusammentreffen mit einer zufälligen Gelegenheit die Rechtfertigung der Tat als Existenzsicherung. Immer aber sind es mehrere Faktoren, die zusammenwirken, und an dieser Stelle können Unternehmen ansetzen.
Denn je mehr sich Menschen „ihrem“ Unternehmen auch verbunden fühlen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr Wissen über Schwächen und Lücken im Sicherheitssystem ausnutzen. Kontinuität ist ein wichtiger Faktor. So sind langjährige Mitarbeiter seltener unter den Tätern zu finden, hier steht die Loyalität zum Unternehmen im Vordergrund.
Gelegenheiten wird es immer geben, denn vollständige Kontrolle ist eine Illusion. Und je höher die Position, desto mehr Bewegungsspielraum benötigt ein Mitarbeiter. Scharfe Kontrollen fördern zudem die Bereitschaft, kriminelle Handlungen zu begehen beziehungsweise zu decken und zu verschleiern. Der „sportliche“ Anreiz, Lücken zu suchen, steigt – das eher unbewusst über die kriminelle Handlung angestrebte Erfolgserlebnis wird noch erstrebenswerter. Persönlichen Merkmale und individuellen Ursachen der Täter können von Unternehmen kaum beeinflusst werden, die Bindung an und das Zusammengehörigkeitsgefühl zum Unternehmen hingegen schon. Geld ist nicht alles und nur vordergründig geht es im Arbeitsleben um Geld. Natürlich ist die Sicherung der eigenen Existenz eine grundlegende Motivation. Ist diese aber gegeben, dann arbeiten Menschen nicht zuletzt auch wegen sozialer Anerkennung und um Erfolge zu erleben. Zahlreiche Untersuchungen zur Arbeitszufriedenheit zeigen, dass soziale Kontakte, Wertschätzung und Selbstverwirklichung eine größere Rolle spielen als die Höhe des Gehalts.
Ein gutes Betriebsklima und eine Identifikation mit dem Unternehmen helfen immer.
Ergebnisse
Betriebsinterne Wirtschaftskriminalität ist unterschätzt; externe Gefahren sind überschätzt. Auf 1 € Beute aus einem Banküberfall kommen nach Erfahrung des Autors eher 200 € also 100 € Schaden, der von den Mitarbeitern der Bank verursacht wird.
Klare Regelungen erschweren betriebsinternes Wirtschaftskriminalität (Vertragsklauseln mit Vertragsstrafe, klare Kompetenzen und Zuweisung von Verantwortung).
Kontrolle ist besser als Nachsorge. Es muß zur Unternehmenskultur gehören, dass Sicherheitsstandards selbstverständlich sind (hierzu gehört das gute alte Vieraugenprinzip, Datensicherung (wer arbeitet wie mit welchen Daten, etc.,), Revision)
Dr. Schulte, Rechtsanwalt in Berlin
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Die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte ist mit einem Team von vier Rechtsanwälten wirtschaftsberatend tätig. Zu den Hauptarbeitsgebieten zählt das Bank- und Kapitalmarktrecht, sowie verbraucherschutzrechtliche Themenstellungen. Die Kanzlei verfügt über Büros in Berlin (2 x), Dresden und in Frankfurt am Main.