„Man traut sich ja kaum noch auf die Straße!“ – Ein Satz, den man vor allem von älteren Menschen hört. Verunsichert von der unverhältnismäßigen Berichterstattung in den Medien fürchten sich viele ältere Menschen vor gewalttätigen Raubüberfällen. Randalierende oder auch nur lärmende Jugendliche beispielsweise in öffentlichenVerkehrsmitteln tun ihr Übriges, die Furcht vor einer Gewalttat außerhalb der eigenen vier Wände zu verstärken. – Völlig ungerechtfertigt, sagt die Polizei: Das Risiko, Opfer eines Raubüberfalls oder einer Gewalttat zu werden, sei im Alter nicht höher – im Gegenteil: Am häufigsten werden junge Männer auf offener Straße überfallen. Genau genommen sinkt mit zunehmendem Alter insgesamt das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden.
Gerade mal 6,1% aller Opfer von Straftaten im Jahre 2006 waren über 60 Jahre alt, meldete das Justizministerium Brandenburg, und das seien im Verhältnis zur Einwohnerzahl auch keineswegs mehr als in den Jahren zuvor. Die Fallzahlen seien gegenüber der jüngeren Vergangenheit etwa gleich bleibend, auf lange Sicht sogar rückläufig. – Soweit die guten Nachrichten.
Trickdiebstähle und Betrügereien zu Lasten älterer Menschen nehmen zu
Tatsächlich aber, und auch das kann man auf den Internetseiten von Polizei und Justizministerien in ganz Deutschland nachlesen, gibt es eine Reihe von Straftaten, deren Opfer häufiger oder sogar fast ausschließlich ältere Menschen sind, und das nicht selten innerhalb der eigenen vier Wände.
Denn neben Taschendieben sind es vor allem Trickdiebe und Trickbetrüger, die es auf ältere Menschen abgesehen haben. Schauspielerisch begabte Kriminelle nutzen bei neben den im Alter bisweilen schwindenden Gedächtnisleistungen vor allem die Hilfsbereitschaft und Höflichkeit älterer Menschen aus, um sie zu bestehlen oder zu übervorteilen. Viele Opfer von Trickdiebstahl und Trickbetrug sind weit über 60 Jahre alt, und die Dunkelziffer ist hoch.
Die brandenburgische Justizministerin Beate Blechinger weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass „diese Delikte sich auf die körperliche und psychische Verfassung älterer Menschen oft verheerend auswirken.“ Selbst bei Taschendiebstählen findet meist kaum Körperkontakt statt, die Senioren nehmen also in den allermeisten Fällen keinen körperlichen Schaden – aber Scham und Schuldgefühle sind groß. Gerade bei Trickbetrug in der eigenen Wohnung geht der Schaden oft in die Tausende und die Betroffenen leiden nicht selten still für sich allein – nicht zuletzt auch, weil sie die Reaktion ihrer Angehörigen fürchten.
Ideale Opfer – Viele ältere Menschen sind vermögend, und immer mehr leiden an Demenz
Zwischen einer Demenzerkrankung und dem Vermögen eines Menschen gibt es natürlich keinen Zusammenhang, wohl aber zwischen den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und dem erreichbaren Lebensalter. Denn je höher die Altersbezüge, beziehungsweise je größer das Vermögen eines Menschen, desto eher werden seine Lebensumstände ein hohes Alter begünstigen. Mit höherem Lebensalter aber nimmt das Risiko einer Demenzerkrankung zu, und damit auch das Risiko, einem Betrug zum Opfer zu fallen. Es ist grundsätzlich so, dass die Zahl älterer Menschen und ihr Anteil an der Bevölkerung steigen und somit auch das grundsätzliche Risiko, dass als Opfer einer Straftat ein älterer Mensch betroffen ist. Zudem sind ältere Menschen besonders für Trickbetrüger und -diebe lukrative Opfer, denn diese Bevölkerungsgruppe besitzt große Teile des privaten Vermögens in Deutschland.
In der Grauzone zwischen legal und illegal, zwischen Straftat und unlauterem Wettbewerb tummeln sich vor allem Vertreter und Vermittler. Da wird Rentnern in Münchener Etagenwohnungen beispielsweise Schutz gegen Berufsunfähigkeit oder Hochwasser verkauft. Seriös scheinende Herren in dunklen Anzügen bieten unnötige und teure Versicherungen, Aktienpakte für die lieben Enkel oder Immobilien auf Mallorca, immer natürlich zu sensationellen Konditionen. Derart weit reichende Entscheidungen aber sollte man in Ruhe und am besten im Beisein und mit Hilfe einer Vertrauensperson treffen und keinesfalls zwischen Tür und Angel. Schon gar nicht, wenn der Vertreter versucht Druck auszuüben, etwa indem er behauptet, das Angebot bestehe nur noch für kurze Zeit. Manche geben auch vor, sie seien alte Bekannte oder der Junge von gegenüber, und nur darum geben sie überhaupt ihr Insider-Wissen weiter. Gutgläubigkeit, Geldgier oder der Wunsch, die Lieben versorgt zu wissen – die Gründe, warum Menschen in hohem Alter überhaupt noch Versicherungspakete oder riskante Wertanlagen kaufen sind so verschieden wie die Menschen selbst, die Vorgehensweisen der Betrüger hingegen ähneln sich.
Heute sind bereits rund 12 Millionen Menschen älter als 65 Jahre, und je älter ein potentielles Opfer ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Täter Erfolg haben. Denn dann erleichtern neben körperlichen Gebrechen und schwindenden Sinnen auch Erkrankungen wie etwa die Alterdemenz den Tätern die „Arbeit“ und erschweren die Strafverfolgung. Ab dem 70. Lebensjahr steigt der Prozentsatz der Demenzkranken steil an: In der Altergruppe der 70- bis 80-Jährigen ist bereits jeder Zwanzigste erkrankt, von den 80- bis 90-Jährigen leiden 10 bis 20% an einer Demenz und bei den über 90-Jährigen ist jeder Dritte betroffen. Demenzerkrankungen – die bekannte Alzheimer Demenz ist nur eine, wenn auch häufige Form – sind gekennzeichnet durch den schleichenden Verlust kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten. Besonders betroffen sind vor allem Kurzzeitgedächtnis und logisches Denkvermögen sowie Sprache und Motorik. Das macht die Betroffenen zu leichten Opfern für Trickbetrüger und dreiste Diebe.
Ein weiteres Merkmal von einigen Demenzerkrankungen ist die falsche Beschuldigung anderer, etwas gestohlen zu haben. Vertraut sich also ein alter Mensch im Falle eines Trickdiebstahls seinen Angehörigen an, so muss er unter Umständen auch noch befürchten, dass ihm nicht geglaubt wird. Wenn die Angehörigen endlich begreifen, dass Oma den Schmuck nicht verlegt oder Opa die goldenen Manschettenknöpfe nicht verschenkt hat, ist der Täter längst über alle Berge – ein Problem, dass auch in Krankenhäusern und Seniorenresidenzen immer wieder auftaucht, können sich Fremde hier doch besonders leicht einschleichen.
Trickdiebe unterwegs und daheim
Attraktiv für den Betrug an der Haustür oder auf der Straße sind ältere Menschen auch insofern, da sie häufig erhebliche Mengen Bargeld und Schmuck Zuhause aufbewahren – sei es, weil sie den Banken misstrauen oder weil sie aus Gewohnheit und/oder Unsicherheit bargeldlose Zahlungsweisen meiden. So ist es sehr verbreitet, das Seniorinnen und Senioren am Anfang des Monats ihre gesamte Rente in einem Betrag von der Bank holen. An dieser Stelle setzt der so genannte „Nachläufer-Trick“ an: Der oder die Täter beobachten das Abheben des Geldes am Automaten oder Schalter und nehmen dann die Verfolgung auf, um dem Opfer bei passender Gelegenheit die Handtasche oder Geldbörse zu entreißen, oder mit Hilfe eines Ablenkungsmanövers heimlich zu entwenden. Wenn die Täter vorher die Gelegenheit hatten, die Pin-Nummer zu erspähen, oder diese wohlmöglich sogar im Portemonnaie aufbewahrt wird, dann ist das Konto innerhalb kürzester Zeit leer. Wenn man also Bargeld abhebt, ob große oder kleine Summen, sollte man das möglichst unauffällig tun, also mindestens am Schalter, besser noch in einem Nebenraum der Bank, und am besten in Begleitung. In begründeten Einzelfällen können Menschen über 75 Jahre übrigens einen kostenlosen Service der Post in Anspruch nehmen und sich ihre Rente nach Hause bringen lassen.
Vor allem, aber nicht nur am Monatsanfang rechnen die Diebe daher auch mit einer guten Ausbeute bei der Anwendung des „Taschenträger-Tricks“. Die Polizei Berlin weist darauf hin, dass es sich hier fast ausschließlich um Einzeltäter deutscher Herkunft handelt, die der alten Dame im Supermarkt „hilfsbereit“ anbieten, die schweren Taschen für sie nach Hause zu tragen. Die Einkäufe stellen sie dann auch noch vor der Wohnungstür ab, doch bevor die Seniorin nach ihrem Portemonnaie suchen kann, um dem freundlichen jungen Mann ein paar Euros zum Dank zu überreichen, ist dieser mit demselben auch schon verschwunden.
Ist das Geld erstmal sicher Zuhause, lassen sich die häufig in Banden organisierten und „berufsmäßigen“ Trickbetrüger immer neue Varianten altbekannter Tricks einfallen, um sich das Vertrauen ihrer Opfer zu erschleichen und Zugang zu deren Wohnungen zu verschaffen. Trickdiebe sind oft zu zweit unterwegs, so dass einer für die Ablenkung sorgt, während der andere ungehindert Schmuck und Bargeld suchen und entwenden kann.
Die Täter gehen dabei nach wenigen Grundprinzipien vor – was aber die konkrete Ausführung der Tat betrifft, so erfinden die oft schauspielerisch begabten Kriminellen immer wieder neue Varianten, um an ihr Ziel zu kommen. Zunehmend stehen Dieben und Betrügern mit den Neuen Medien auch neue Wege zum Vertrauen und die Wohnungen älterer Menschen zur Verfügung. Und das unter Umständen sogar, wenn das Opfer nicht einmal einen Computer besitzt – wie jüngst ein Fall in Stolberg zeigte.
Von echten und falschen Vertretern – Grenzfälle im Haustürgeschäft
Zwar kann man wegen der Tatsache, dass zwei Vertreter eines Telekommunikationsanbieters einer 84-jährigen Dame einen DSL-Vertrag verkauft haben, obwohl diese nicht einmal einen Computer besitzt, rein strafrechtlich wohl nicht von Betrug sprechen – unlauter ist diese Art der Kundenwerbung aber ganz sicher, wenn nicht sittenwidrig. „Das angebotene Paket hörte sich günstig an“, sagte die Rentnerin später zu den Polizeibeamten, ihr waren glücklicherweise sehr schnell Zweifel gekommen, ob die beiden netten jungen Männer sie nicht doch „über‘ s Ohr gehauen“ hatten. Die Beamten widerriefen den 2-Jahres-Vertrag sofort per Telefon, denn für diese wie auch die meisten anderen Arten von so genannten „Haustürverträgen“ gilt ein gesetzliches Widerrufsrecht.
Innerhalb der Widerrufsfrist von meist zwei Wochen kann ein Kunde ohne die Angabe von Gründen von einem an der Haustür, auf der Straße oder auf Freizeitveranstaltungen wie Kaffeefahrten geschlossenen Kauf- oder Dienstleistungsvertrag zurücktreten. In der Regel bekommt man bei solchen Gelegenheiten nur maßlos überteuerte Waren von minderer Qualität, unsinnige Produkte und Dienstleistungen sowie Verträge mit viel zu langen Laufzeiten. Es vereinfacht den Widerruf sehr, wenn man belegen kann, wann der Vertrag geschlossen wurde – unseriöse Vertreter setzen diesen nämlich gerne ohne oder mit einem unleserlichen Datum auf. Der Widerruf sollte immer schriftlich per Einschreiben erfolgen. Am besten allerdings kauft man grundsätzlich nichts an der Tür, und unterschreibt niemals etwas, das man nicht in allen Einzelheiten verstanden hat, denn eine Unterschrift ist niemals „nur eine Formsache“.
Die Methoden vieler Haustürvertreter sind sicher mehr als zweifelhaft, doch bewegt man sich hier dank der gesetzlichen Vorschriften zum Verbraucherschutz in den meisten Fällen noch mit Netz und doppeltem Boden, selbst wenn man voreilig seine Unterschrift unter einen Vertrag gesetzt haben sollte. Deutlich mehr kriminelle Energie zeigen Trickbetrüger und „berufsmäßige“ Trickdiebe, die die Hilfsbereitschaft und Höflichkeit, aber auch die Gefühle und Schwächen älterer Menschen schamlos ausnutzen, um sich zu bereichern.
Da sind zunächst falsche Vertreter, die keineswegs weniger seriös aussehen als die echten. Sie sind sehr oft zu zweit unterwegs und wollen eigentlich gar keine Versicherungen oder Zeitschriften-Abos verkaufen, sondern die Gelegenheit nutzen, in der Wohnung nach Wertsachen zu suchen. Lehnt der Wohnungsinhaber das Produkt ab, so akzeptieren sie das sofort, aber bevor sie gehen, müssen sie noch mal schnell ins Bad… Vor einigen Wochen ließ eine Trickdiebin die minderwertigen Tischdecken, die sie angeblich hatte verkaufen wollen, sogar in der Wohnung einer gehbehinderten Frau in Eisenhüttenstadt zurück. Der Besuch hatte nur wenige Minuten gedauert, viel später erst bemerkte die Frau, dass aus ihrem Portemonnaie mehrere Hundert Euro gestohlen wurden. Wer prinzipiell nichts an der Tür kauft, der ist immerhin vor vergleichsweise harmlosen Trickdieben wie dieser jungen Frau geschützt. Besonders Betrüger greifen tiefer in die Trickkiste und verursachen oft auch höhere finanzielle und seelische Schäden.
Der „Enkeltrick“ und andere dreiste Lügen
Ein sehr häufiges Grundprinzip bei Trickbetrug wie auch bei Trickdiebstahl zu Lasten älterer Menschen ist das Vortäuschen einer persönlichen Beziehung. Angefangen von dem jungen Mann auf der Straße, der eine ältere Dame mit den Worten „Ach Tantchen, wie schön, dass wir uns mal wieder sehen!“ überschwänglich in die Arme nimmt und ihr dabei das Portemonnaie entwendet, bis hin zum berühmten „Enkeltrick“ – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
„Hallo Oma – rate mal, wer dran ist!“ – So oder so ähnlich meldet sich beim so genannten „Enkeltrick“ ein junger Mann oder seltener auch eine junge Frau am Telefon, in der Hoffnung, dass die Dame am anderen Ende auch wirklich Enkelkinder hat und so überrascht ist auszurufen: „Julia, mein Herzchen, wie schön, dass Du mal wieder anrufst!“ – Dann folgt eine mehr oder weniger plausible Geschichte, warum der Enkel oder die Enkelin ganz schnell ein paar Hundert oder auch ein paar Tausend Euro braucht, nur geliehen, versteht sich: Auto- oder Computerkauf, Wohnungskaution, ein Unfall oder eine nicht näher beschriebene finanzielle Notlage. – „Oma, ich hab Mist gebaut. Nur du kannst mir helfen, zu Mutti und Vati kann ich nicht gehen, du weißt doch wie sie sind…“ – So schmeicheln sie und suchen Mitleid zu erregen, was ihnen leider nur allzu oft auch gelingt. Ein Bekannter wird das Geld abholen, das angebliche Enkelkind schärft „Oma“ noch ein, dass sich dieser mit einem Kennwort identifizieren wird, denn einen Fremden soll man ja nicht einfach so hereinlassen…
… Auch nicht, wenn dieser behauptet, er sei ein alter Bekannter, Verwandter oder Kollege auf der Durchreise, und auch nicht, wenn dieser seinen Besuch sogar telefonisch angekündigt hat – es sei denn, man kennt die Person ganz sicher. Das ist nicht leicht: Wer will sich schon die Blöße geben einen ehemaligen Schulfreund einfach vergessen zu haben, wer käme nicht in Zweifel, wenn seit dem letzten Treffen Jahrzehnte vergangen sind? Manchmal sind es sogar nur angebliche Bekannte von Freunden oder Verwandten, so genannte „Grußbestellschwindler“ oder „falsche Unglücksboten“, die sich auf diese Weise Zutritt in eine fremde Wohnung verschaffen wollen. Auch Anbieter minderwertiger Waren geben sich häufig als alte Bekannte aus, die zudem in einer Notlage stecken und nur deshalb den Schmuck, die Pelze oder Lederwaren überhaupt und noch dazu so günstig verkaufen. Diese „Blenderwaren“, die auch in Fußgängerzonen und auf der Straße angeboten werden, sind in der Regel nur einen Bruchteil dessen wert, was die Betrüger als Entschädigung verlangen. Misstrauen ist ganz besonders angebracht, wenn angebliche Schnäppchen oder gar Geschenke versprochen werden.
„Bitte, kommen Sie doch herein“ – Hilfsbereitschaft als Falle
Eine andere Variante, die wie bei falschen Unglücksboten, Blenderwaren und Enkeltrick sehr gerne mit dem Vortäuschen einer persönlichen Beziehung kombiniert wird, ist das Vortäuschen einer Notlage. Ein Glas Wasser, Papier und Stift für eine Nachricht an einen Nachbarn, ein schreiendes Baby, das gewickelt werden muss, ein Unfall und die Bitte das Telefon benutzen zu dürfen – die Begründungen sind vielfältig, und die Betrüger lassen sich nicht immer einfach abwimmeln. Da ist das Treppenhaus zu dunkel, das Kind muss dringend auf die Toilette, man wird verfolgt, die Fruchtblase platzt – wie soll man bloß unterscheiden, ob eine Notlage echt oder vorgetäuscht ist? – Die Antwort ist ganz einfach: Gar nicht. Das überlässt man am besten anderen, indem man entsprechend die Polizei oder den Notarzt ruft. Wasser, Papier und Stift, einen Stadtplan oder was auch immer der oder die Fremde so dringend benötigt, kann auch bei geschlossener Sicherheitskette durch die Tür gereicht werden. Geschenke oder Bestellungen für Nachbarn sollte man ohne vorherige Absprache grundsätzlich nicht annehmen. Auf der sicheren Seite ist man, wenn man nicht nur prinzipiell nichts an der Haustür kauft, sondern grundsätzlich keine Fremden in die Wohnung lässt.
„Können Sie sich ausweisen?“
Das sollte man fragen, wenn der Fremde vor der Tür beispielsweise behauptet, er habe „von Amts wegen“ das Recht, hereingelassen zu werden. Auch beim Vortäuschen einer Befugnis zum Betreten der Wohnung gibt es viele verschiedene Rollen, in die die Täter schlüpfen. Denn egal, unter welchem Vorwand auch immer, sind sie erst einmal drin, dann wissen sie genau, wo sie suchen müssen. Denn leider machen viele ältere Menschen es den Dieben nicht besonders schwer: Sparbücher liegen in Küchenschubladen, Portemonnaies auf der Anrichte neben der Wohnungstür, der Schmuck in einer Schachtel im Kleiderschrank. – Da benötigen die Diebe nur wenige unbeobachtete Augenblicke und die Wertsachen sind fort. Manche geben vor, Kriminalbeamte in Zivil zu sein oder Gerichtsvollzieher, oder sie behaupten, als Mitarbeiter einer Kirche oder einer sozialen Einrichtung Spenden zu sammeln. Angebliche Vertreter der Krankenkasse, der Rentenversicherung oder der Bank bitten um Einlass in überaus dringenden Angelegenheiten. Wieder andere verkleiden sich als Handwerker oder geben an, sie seien im Auftrag der Hausverwaltung unterwegs. Sie wollen Strom- und Gaszähler ablesen, die Heizung reparieren oder nur mal nach dem Rechten sehen. Und wieder stellt sich die Frage, wie erkennt man nur, ob der Fremde die Wahrheit sagt oder nicht? – Hier gilt: im Zweifel gegen den Angeklagten, denn niemand hat so ohne weiteres das Recht, in eine fremde Wohnung einzudringen, weder der Vermieter noch Polizisten oder Vertreter der Behörden und auch nicht die Mitarbeiter von Elektrizitäts- oder Wasserwerken. Da es aber prinzipiell aber keinen Grund gibt, diesen Menschen, wenn sie denn ein berechtigtes Interesse haben, den Zutritt zu verwehren, sollte man ihre Angaben überprüfen. Das kann man beispielsweise anhand des Dienstausweises, den viele der genannten Personen bei sich tragen müssen. Dessen Echtheit lässt sich vielleicht nicht immer nur durch genaues Betrachten von Foto und Stempel sicher feststellen. Es ist in jedem Fall ratsam, die Angaben des Fremden vor der Tür telefonisch zu überprüfen, indem man beim Vermieter, der Hausverwaltung, dem Amt oder dem Unternehmen anruft, in dessen Auftrag der angeblich Befugte die Wohnung betreten will. Die Telefonnummer sollte man dabei unbedingt selbst raussuchen, sonst spricht man wohlmöglich mit einem Komplizen des Täters statt mit der Polizeidienststelle.
Zu spät – Was nun?
Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, so ist Scham fehl am Platz. Die Täter sind gut organisiert, sie betreiben die Trickbetrügereien und -diebstähle berufsmäßig und sie wissen genau, was sie tun. Es ist alles andere als eine Schande, gutgläubig und hilfsbereit zu sein. Jede Tat sollte zur Anzeige gebracht werden, denn nur so kann man den Gaunern das Handwerk legen. Und je schneller die Täter gefasst werden, desto höher ist die Chance, dass Diebesgut sichergestellt werden kann. Darüber hinaus ist es wichtig, über das Geschehene zu reden, um es zu verarbeiten. Gerade der Diebstahl in der eigenen Wohnung, von einem Täter, den man selbst hineingelassen hat, stellt eine massive Bedrohung der eigenen Person dar, die nicht nur ältere Menschen nicht so ohne weiteres verkraften.
Im Bereich von Telekommunikation und Internet rollt zudem eine neue Generation von Trickbetrügern auf eine immer älter werdende Gesellschaft zu. Die digitalen Medien erleichtern das Herstellen von gefälschten Ausweisen, Dokumenten oder Rechnungen. Fingierte Briefe von angeblichen Lotteriegesellschaften oder falsche Rentenbescheide, die mit der Aussicht auf einen unerwartete Geldsegen zum Rückruf bei einer teuren 0900er Nummer auffordern, sind hier nur die Spitze des Eisberges.
Neue Maschen im Internet
Die ältere Generation erobert sich das Internet und erwirbt aktive Medienkompetenz. Das ist erfreulich und zugleich gefährlich. Ältere Personen sind für Datenauspähungen und Kontoplündereien im Bereich Phising besonders anfällig. Auch wird dem Glücksboten vertraut, der per Mail einen Gewinn ankündigt. Ebensolches gilt für den Bereich von EBAY Betrügereien und Abofallen. Hier kann Langeweile mit Inkompetenz sowie Fahrlässigkeit hohe Vermögensschäden verursachen. Ebensolches gilt für die Fragen der kostenpflichtigen Telefonnummern (Sexualität, Gesundheit, Wahrsagerei, Partnerschaftszusammenführung etc.). Viele einsame Personen zeigen hier regelrechtes Suchtverhalten. Hier gilt auch: je oller, je doller. Schäden werden aus Scham verschwiegen.
Spezielle Opfer im Bereich Kapitalanlagenrecht
Der klassische Fall ist immer noch: Die fast neunzigjähre Bewohnerin eines Pflegeheims erwirbt aus Steuerspargründen eine Schiffsbeteiligung, die bis zum 105 Geburtstag Bindungswirkung entfaltet. Hier wird sich der Verkaufsdruck der Banken und Versicherungen teilweise fatal aus. Schlimm ist auch, wenn Bankmitarbeiter sich das Vertrauen von älteren Menschen erschleichen und dann in die eigene Tasche wirtschaften. Wie soll denn bitte Onlinebanking funktionieren mit Personen, die Orientierungsschwierigkeiten haben?
Es gilt, zu retten, was zu retten ist. (Selbst-) Vorwürfe sind fehl am Platz, stattdessen sollte man Beweise sichern und auf betrügerische oder sittenwidrige Weise erschlichene oder einfach nur vorschnell geschlossene Verträge so schnell wie möglich widerrufen. Und auch wenn der Vertreter das Datum auf dem Vertrag „vergessen“ hat oder „nur“ ein bisschen aufdringlich war, dann sollte man sich wehren – in schwierigeren Fällen auch mit der Hilfe eines Anwalts.
Das ungelöste Demenzproblem
Die Rechtsordnung steht hier vor großen Aufgaben, weil der schleichende Verlust der Geschäftsfähigkeit durch Krankenheiten oder Alterungsprozessen nicht zügig gelöst wird. Im Falle des Verlustes der Geschäftsfähigkeit kann eine Betreuung amtlich angeordnet werden. Dieser Schritt wird von vielen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen als entwürdigend empfunden. Niemand möchte als nicht mehr leistungsfähig eingestuft werden. In Familien sind damit häufig Tabubereiche verbunden, weil die Unterstellung der Probleme im Bereich der Geschäftsfähigkeit der Elterngeneration auch als Angriff auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der möglichen Erblasser empfunden wird.
Eines gilt heute schon in der Statistik: Alte sind vermögend und Alte sind dement; also kann der Kriminelle Beute machen. Aus diesem Grunde ist es Aufgabe der Umgebung einen wachen Blick auf die Älteren zu haben und notfalls auch die Auseinandersetzung nicht zu scheuen, um einen entsprechenden Schutz aufzubauen.
Einen der gemeinsten Tricks am Schluß: Witwen bekommen häufig kurz nach der Beerdigung Post von Firmen: Der Verstorbene hat dieses oder jenes bestellt und jetzt wurde die Bestellung storniert. Die Stornokosten sollen bitte überwiesen werden. Wie viele Trauernde zahlen dann freiwillig? Leider haben sich wegen alle dieser geschilderten Fälle Verwandte oder Bekannte von Geschädigten gemeldet. Nicht allen ausgeplünderten älteren Leuten kann aber im Nachgang noch geholfen werden.
Thema im Ausschuss des Deutschen Bundestages Oktober 2020
Ältere Menschen werden immer öfter Opfer von finanzieller Ausbeutung und bedürfen eines erhöhten Schutzes. Dies war das einhellige Votum der Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag über einen Antrag der FDP-Fraktion (19/15254), die unter anderem eine wissenschaftliche Erforschung dieser Form der Ausbeutung und ihre finanziellen, psychischen und gesellschaftlichen Auswirkungen fordert. Dazu zählen beispielsweise Betrügereien bei Haustürgeschäften und Kaffeefahrten oder der sogenannte Enkeltrick, bei dem sich die Täter als nahe Verwandte ausgeben und nach Bargeld oder Wertgegenständen fragen.
Der Kriminologe Thomas Görgen von der Deutschen Hochschule der Polizei bestätigte, dass das Thema eine beträchtliche kriminal- und seniorenpolitische Relevanz habe. Einerseits würde die Gefahr, Opfer einer Straftat zu werden, mit zunehmenden Alter statistisch geringer, dafür würden aber Menschen ab dem 80. Lebensjahr sehr viel häufiger Opfer von Eigentums- und Vermögensdelikten, die auf Täuschung beruhten. Diese Delikte beruhten entweder auf Täuschung des Opfers über die Identität und die Handlungsmotive des Täters oder auf Ausnutzung bestehender Vertrauensverhältnisse zwischen Täter und Opfer, zum Beispiel im Fall von Vorsorgevollmachten. Allerdings sei diese Form der Kriminalität noch weitgehend unerforscht und die wenigen Studien bewegten sich im Bereich der Dunkelfeldforschung.
Auch die Kriminalhauptkommissarin Annett Mau von der Berliner Polizei warnte vor finanzieller Ausbeutung älterer Menschen in Betreuungsverhältnissen. Mit fast jeder Reform des seit 1992 geltenden Betreuungsrechts sei der Einsatz von Vorsorgevollmachten vom Gesetzgeber stärker gefördert worden. Deshalb fänden sie zunehmende Verbreitung und Anwendung. Der Missbrauch von solchen Vorsorgevollmachten sei jedoch nur sehr schwer beweisbar, es fehle an entsprechenden Rechtsnormen, immer wieder würden Verfahren von den Staatsanwaltschaften wieder eingestellt ohne Konsequenzen für die Täter.
Claudia Mahler vom Deutschen Institut für Menschenrechte mahnte, dass der finanzielle Missbrauch oder die finanzielle Ausbeutung älterer Menschen in Deutschland deutlich weniger in der Diskussion als in anderen Staaten stehe. Sie verwies darauf, dass das Thema vor allem während der Corona-Pandemie verstärkt eine Rolle spiele. Dies zeigten Berichte aus den USA und Irland.
Guido Kump, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, sprach sich dafür aus, den Schutz älterer Menschen anlog zum Kinder- und Jugendschutz verstärkt in den Fokus zu rücken. Prävention und Information stellten hierfür einen wichtigen Baustein dar. Aber es bedürfe mehr Menschen, die eine Art „Wächterfunktion“ für ältere Menschen wahrnehmen könnten. Dazu zählten neben den Angehörigen und Seniorenorganisationen beispielsweise auch die Mitarbeiter von Banken im Fall von außergewöhnlich hohen Geldabhebungen. Klump plädierte zudem für eine zügige Reform des Betreuungsrechts und eine verstärkte Unterstützung der Betreuungsvereine. Es brauche effektivere Kontrollen in allen Bereichen, in denen Menschen aufgrund von Krankheit, Behinderung und Pflegebedarf in Abhängigkeit von anderen Menschen leben.
Wolfram Friedersdorff von der Volkssolidarität wies darauf hin, dass die polizeiliche Präventionsarbeit vor allem die Menschen erreiche, die trotz hohen Alters in Begegnungsstätten, Treffen von Ortsgruppen, Chören und Sportgruppen gesellschaftlich integriert seien. Der Staat müsse Altenarbeit deshalb als Pflichtaufgabe fördern, um mehr alten Menschen die Möglichkeit der Partizipation zu geben. Zu erweitern sei deshalb auch eine aufsuchende Sozialarbeit.