Geldeintreiben wie Moskau Inkasso oder doch lieber die Indianertechnik - Dr Thomas Schulte

Geldeintreiben wie „Moskau Inkasso“ oder doch lieber die Indianertechnik?

Der Gerichtssaal ist der Vorhof zur Hölle. Prozesse gewinnen, ist in Spanien und Deutschland gleichermaßen schwer. Der Richter fragt nach Beweisen, der Rechtsanwalt fragt nach einem Vorschuss und falls dann nach Jahren endlich der Prozess gewonnen ist, fangen die richtigen Schwierigkeiten erst an. Die Durchsetzung eines gewonnenen Urteils ist in der Praxis schwierig. Die Zwangsvollstreckung ist die Hölle.

Da flüchten die Schuldner weltweit, verschieben ihr Vermögen auf Treuhänder, machen sich arm und nutzen jeden legalen oder illegalen Trick, um dem Gläubiger die Zahlung doch nicht leisten zu müssen. Dieser lange Weg zermürbt und nach einiger Zeit ist dann doch wieder derjenige der Sieger, der eigentlich den Prozess verloren hatte. Der Schuldner lacht sich in das Fäustchen und freut sich über den Ausgang der langen Schlacht. Warum sind solche Schuldner immer wieder Sieger? Der Schuldner hat alle Zeit der Welt, ihm geht es darum, Zeit zu gewinnen, angesichts dessen versucht der Schuldner immer wieder durch das Umziehen, Verschleiern und das Erheben unsinniger Rechtsmittel Zeit zu gewinnen. Das Geld für solche Schikanen ist ja vorhanden. Während der Gläubiger Achtung vor dem recht hat, versucht der Schuldner häufig, sich unter Missbrauch des Rechts zu schützen.

Sowohl in Spanien als auch in Deutschland ist allerdings das Faustrecht verboten. Wer die Firma „Moskau Inkasso“ beauftragt, die überall mit kleinen Anzeigen für ihre rüden Inkassomethoden wirbt, geht ein erhebliches Risiko ein.  Mit anderen Worten: Derjenige, der sich sein gutes Recht auf eigene Faust beschaffen möchte, setzt sich selbst in das Unrecht und er wird Gefahr laufen, in Strafverfahren wegen Nötigung oder Bedrohung verwickelt zu werden. Der Formalismus des deutschen oder spanischen Rechts der Zwangsversteigerung und auch die Dauer des Verfahrens treiben allerdings die Gläubiger in Scharen zu Geldeintreibern, die versuchen, mit besonders kreativen Mitteln Gelder beizutreiben. Die Gefahr ist allerdings, dass auch der Auftraggeber für diese kreativen Maßnahmen haften kann.

Wie kann eine Zwangsvollstreckung nun erfolgreich betrieben werden? Das Mitleid der Justiz mit dem armen Gläubiger hält sich sehr in Grenzen. Also muss die legale Indianertechnik ausprobiert werden. Die Indianertechnik ist der richtige Weg; also anschleichen, im Morgengrauen überfallen und sofort zurückziehen.

Der kreative Gläubiger geht wie folgt vor: Schon während oder vor dem Prozess fragt er sich oder sein guter Rechtsanwalt fragt: macht der Prozess überhaupt Sinn? Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen. Der Schuldner ist in dieser Phase noch nicht mit Verschleierungen etc. beschäftigt. Jetzt lohnt sich das Geld für einen Privatdetektiv, der für einige hundert Euro wichtige Informationen beschafft. Die Register, die öffentlich zugänglich sind, werden natürlich eingesehen. Die kluge Häuptling schickt also tagsüber einen Spähtrupp los. Nach dem Prozess erfolgt dann der Überfall! Der Schuldner wiegt sich in Sicherheit. Die Zwangsvollstreckung wird nicht angekündigt, sondern sofort durchgesetzt.

Dieser Weg kann nur gelingen, falls die entsprechenden Informationen vorliegen. Notfalls greifen die Indianer von allen Seiten gleichzeitig an und versuchen, nicht nur Konten, sondern auch Grundstücke zu pfänden. Eine hübsche Idee: Pfändung der Rente. Diese Pfändung ist bereits bei jedermann möglich, der Gläubiger muss nur warten, bis der Schuldner in das Rentenalter kommt. Nett auch: die Pfändung von Steuererstattungsansprüchen. Viele zahlen dann entnervt freiwillig.

Falls der erste Überfall nicht erfolgreich war, lässt sich der Gläubiger geschickterweise nicht auf einen Zweikampf ein, sondern zieht sich schnellstens zurück und wird wieder wie ein Indianer sich anschleichen und dann wieder überfallen. Irgendwann könnte der Gläubiger erfolgreich  sein.

Rechtslage seit 2004

Im Jahr 2004 trat die Europäische Vollstreckungstitel-Verordnung (EuVTVO) in Kraft, die es Gläubigern ermöglicht, Titel aus anderen EU-Mitgliedstaaten direkt in Deutschland durchzusetzen. Diese Verordnung hat den Vollstreckungsprozess vereinfacht, da sie die Notwendigkeit einer nationalen Bestätigung für ausländische Vollstreckungstitel abschafft. Seitdem können Gläubiger schneller und effizienter auf ihre Ansprüche zugreifen, was insbesondere für grenzüberschreitende Forderungen von Bedeutung ist

Zusätzlich wurden im Jahr 2016 Änderungen im Zwangsvollstreckungsverfahren eingeführt, die einen Formularzwang einführten. Dies bedeutet, dass bestimmte Formulare bei der Einleitung von Zwangsvollstreckungen verwendet werden müssen, was den Prozess komplexer und langwieriger gestaltet hat. Diese Regelung sollte einerseits die Transparenz erhöhen, hat jedoch auch zu einem Anstieg der bürokratischen Hürden geführt

Überschuldung in Deutschland

Die Überschuldungsquote in Deutschland ist ein zentraler Indikator für die finanzielle Gesundheit der Bevölkerung. Im Jahr 2004 lag die Überschuldungsquote bei etwa 8,7 %. Bis zum Jahr 2024 wird sie auf 8,09 % geschätzt. Dies zeigt einen leichten Rückgang über zwei Jahrzehnte, auch wenn die Zahlen nach wie vor alarmierend sind

Aktuelle Statistiken zeigen, dass etwa 5,6 Millionen Erwachsene in Deutschland als überschuldet gelten. Diese Personen können ihren finanziellen Verpflichtungen über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen. Im Vergleich zum Vorjahr ist diese Zahl um rund 94.000 gesunken

Die Anzahl der Privatinsolvenzen hat ebenfalls eine bedeutende Rolle gespielt. Im Jahr 2023 wurden 96.321 Privatinsolvenzen gemeldet, was einen Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren darstellt, jedoch immer noch eine erhebliche Zahl ist

Die Entwicklungen seit 2004 zeigen eine ambivalente Situation: Während rechtliche Rahmenbedingungen verbessert wurden, um Gläubigern den Zugang zu ihren Ansprüchen zu erleichtern, bleibt die Zahl der überschuldeten Personen besorgniserregend hoch. Die Herausforderungen im Bereich der Zwangsvollstreckung und die Komplexität des Verfahrens haben dazu geführt, dass viele Gläubiger weiterhin Schwierigkeiten haben, ihre Forderungen durchzusetzen.

Überraschungsangriff

Nach einem Gerichtsurteil sollte der Gläubiger schnell handeln. Ein plötzlicher „Überraschungsangriff“ – das sofortige Einleiten der Zwangsvollstreckung – kann verhindern, dass der Schuldner sein Vermögen in Sicherheit bringt. Dies kann durch die Pfändung von Konten oder Immobilien geschehen.

Informationen sammeln

Eine gründliche Informationsbeschaffung über den Schuldner kann entscheidend sein. Detektive oder Wirtschaftsauskunfteien können wertvolle Informationen über Vermögenswerte liefern. Diese Informationen helfen dabei, gezielte Maßnahmen zur Vollstreckung einzuleiten.

Verhandeln statt kämpfen

In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, dem Schuldner eine Verhandlungslösung anzubieten. Eine Teilzahlung oder ein Vergleich kann beiden Seiten helfen und lange Verfahren vermeiden.

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 381 vom 23. August 2005 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich