Prüft der Anwalt die Aussagen seines Mandanten nicht, haftet er dafür
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. So muss der Rechtsanwalt immer davon ausgehen, dass sein Mandant keine Kenntnisse im Bereich einer Zustellung besitzt, was ein Urteil laut BGH vom 14.02 2019 besagt. Unwissentlich dieser Angaben von seinem Mandanten reichte der Anwalt nach dessen Rauswurf aus dem Unternehmen eine Kündigungsschutzklage bei Gericht ein. Für eine solche Klage sieht das Gericht eine Drei-Wochen-Frist vor. Immer im Hinblick, dass die Angaben seines Mandanten der Richtigkeit entsprechen. Nachdem die gerichtliche Beweisaufnahme erfolgte, stellte sich allerdings heraus, dass hier keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht wurden. In diesem Fall hatte der Anwalt im Vertrauen seines Mandanten die Klage zu spät eingereicht. Dieser hatte ihm gesagt, die Post hätte er am 23. des Monats bekommen, was nicht stimmte, denn die Post erreichte den Mandanten schon einen Tag vorher am 22. des Monats. Der Mandant meinte daraufhin, woher solle er wissen, dass hier ein Tag eine Rolle spielt.
Der Rechtsanwalt war außer sich, da er die Angaben gerade vom Kläger erhielt.
Nachdem der Prozess damit geplatzt war, forderte Peter S. von seinem Anwalt den zwei Jahre verlorenen Verdienst. Das wollte der Anwalt nicht auf sich sitzen lassen und sagte zu seiner Verteidigung: wie und warum sollte ich wissen, dass ich den Angaben meines Mandanten nicht vertrauen kann, denn immerhin hat Peter S. soviel Eigenverantwortung für seinen Prozess gezeigt, dass er wusste, wann er einen Anwalt aufsuchen muss.
Schlappe vor dem Bundesgerichtshof, aber vorher vom Oberlandesgericht recht bekommen.
Die zunächst für die Instanzen zuständigen Gerichte wiesen die Klage zurück. Leider war der Bundesgerichtshof anderer Meinung und hob somit das Urteil auf (Urteil vom 14.02.2019, Az IX ZR 181/17). Für den Anwalt ist es eine Pflicht nach der Beratung, dass er erst einmal mit seinem Mandanten den Sachverhalt klärt, denn dieser entscheidet über den Verlauf eines Prozesses. Ist sich der Anwalt im Zweifel, ob der Sachverhalt vollständig oder unvollständig vom Mandanten zu Protokoll gegeben wurde, darf sich der Anwalt damit nicht im rechtlichen Sinne zufriedengeben. Der Anwalt muss sich bemühen von seinem Mandanten ein objektives Bild der Sachlage zu erfahren (BGH, Urteil vom 21. November 1960 – III ZR160/59, NJW 1961, 601, 602, vom 2. April 1998 – IX ZR 107/97, NJW1998, 2048, 2049; vom 19. Januar 2006 – IX ZR 232/01, NJW – RR 2006, 923 Rn. 22mwN). Ob die Angaben seines Mandanten der Wahrheit entsprechen, muss er hier nicht nachforschen. Es ist auch nicht seine Pflicht hier weitere Nachforschungen anzustellen. Der Anwalt muss die falschen Angaben weder kennen, noch erkennen (BGH, Urteil vom 21. April 1964 – IX ZR 150/93, NJW 1994, 2293; vom 2. April 1998, aaO). Dieser Sachverhalt gilt aber nicht für eine rechtliche Beurteilung des tatsächlichen Geschehens, sondern nur für die Information der tatsächlichen Art. Wenn es sich dabei um rechtliche Angaben vom Mandanten handelt, muss der Anwalt damit rechnen, dass sein Mandant hier nicht wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat, aufgrund fehlender Kenntnisse und Erfahrung (BGH, Urteil vom 15. Januar 1985 – VI ZR 65/83, NJW 1985, 1154, 1155). Hauptsächlich dient die Beauftragung eines Anwalts dazu, den Sachverhalt zu beurteilen und den Mandanten im rechtlichen Sinne fachkundig zu beraten. Die Ausnahme, dass sich der Anwalt immer auf die Aussage seines Mandanten verlassen und berufen kann, kommt hier nicht zum Tragen, wenn es sich um Informationen handelt, die scheinbarer Natur sind ( BGH, Urteil vom 21. November 1960, aaO; vom 15. Januar 1985, aaO).
Weiht der Mandant seinen Anwalt in den Bereich seiner Rechtsstaatssachen ein, ist es Aufgabe des Anwalts diese Angaben durch Rückfragen zu prüfen, um so die tatsächlichen Vorgänge und Umstände zu entschlüsseln. Ist hier noch weiterer Klärungsbedarf, muss der Anwalt neue Ermittlungen prüfen (BGH, Urteil vom 21. April 1994, aaO) .
Rechtsstaatsachen, was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
In dieser Kündigungsklage bedeutet es nur: die Zustellung eines Urteils (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1994, aaO; Beschluss vom 17. Juli 2002 – IX ZR 418/ 98, juris Rn.4). Im Gesetz wird der Begriff im Zugangsbereich rechtlich bestimmt. In jedem Fall setzt der Zugang unter Abwesenden eine Willenserklärung voraus, dass sie in die Nähe des Empfängers gelangt ist. Unter normalen Umständen hat der Mandant die Möglichkeit und Voraussetzungen vom Inhalt dieser Erklärung Kenntnis zu erhalten (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 – II ZB 15/!=, WM 2011, 1531 Rn. 15). Wird der Brief auf dem Postwege in den Briefkasten eingeworfen, gilt der Zugang als bewirkt, sobald nach den Umständen des Verkehrs mit einer Entnahme noch am selben Tag zu rechnen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Februar 2018 U 117/17, juris Rn. 19 ff). Kommt die Briefzustellung zu einem Zeitpunkt am Briefkasten an und der Adressat zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwartet wird, ist juristisch die Willenserklärung nicht mehr an diesen Tag zugegangen, sondern erst später.
Für klagebedingte entgangene Einnahmen durch einen verlorenen Prozess haftet der Rechtsanwalt.
Peter S. war erleichtert, da er ja den Brief erst am 23. aus dem Briefkasten holte und nicht für die Zustellung wichtigen Zeitpunkt am 22. des Monats. Der Anwalt hat es glatt übersehen und gar nicht erst berücksichtigt, den Rechtsstreit so übernommen und damit verloren. Solche Rechtstaatsachen müssen auf jeden Fall vom Rechtsanwalt überprüft werden.
Der Rechtsanwalt muss somit alle Gerichtskosten einschließlich des verlorenen Gewinns seines Mandanten begleichen.
In einer derart unglücklichen Konstellation des Verfahrens würden viele Mandanten wohl der Meinung sein, dass dem Anwalt keine Schuld trifft und schon gar nicht die Härte einer Rechtsanwaltshaftung.