BGH entscheidet ganz im Sinne der Banken
Ein Elfmeter oder ein Motorschaden wird zukünftig über Freud und Leid des Anlegers entscheiden. Der Ertrag einer Kapitalanlage darf nämlich an den sportlichen Erfolg der Fußball-Nationalmannschaft oder anderer Sportveranstaltungen gekoppelt werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner aktuellen Grundsatzentscheidung (AZ: I ZR 57/05) entschieden. Damit wird die Verknüpfung einer Kapitalanlage mit einer Wette für zulässig erklärt. Bei dem konkret verhandelten Angebot der Postbank zur Fußball-EM 2006 – wir haben darüber berichtet – handele es sich demnach nicht um ein wettbewerbswidriges Gewinnspiel. Die sechsmonatige Festgeldanlage „Postbank Bonus Volltreffer“ mit einem Mindestanlagebetrag, beinhaltete zum einen eine garantierte Basisverzinsung, die je nach Höhe der Einlage 1,3 %, 1,4 % bzw. 1,5 % pro Jahr betrug. Zum anderen bot die Bank eine Zusatzvergütung, die vom Erfolg der Fußball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal abhängig war. In der Online-Werbung war das Wort „Zinsbonus“ mit dem berühmten Sternchen versehen, das den Interessenten am Ende der Internetseite zu der Erläuterung „bezogen auf den garantierten Basiszinssatz“ führte. Würde Deutschland sogar Europameister, so erhielte der Anleger einen reizvollen Bonus von 150 Prozent. Die Gesamtverzinsung stiege damit auf 3,25 bis 3,75 Prozent. Tatsächlich schied die deutsche Mannschaft bereits in der Vorrunde aus.
Die Wettbewerbszentrale hatte die Auffassung vertreten, dass der Produktabsatz von der Teilnahme an einer Wette oder einem Gewinnspiel strikt zu trennen ist und trug eine Musterklage bis nach Karlsruhe, obwohl sie bereits im Jahr 2005 vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 9.3.2005, Az. 6 U 197/04) unterlag. Schon damals vermochten die Richter keine Irreleitung der Kapitalanleger zu erkennen und hatten einen Verstoß gegen Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verneint. Das Angebot und die genaue Berechnung des Zinsbonus seien klar darlegt worden. Auch eine unlautere Kopplung eines Glücksspiels mit einer Ware oder Dienstleistungen sahen die Richter des OLG Köln nicht. Der BGH hat nun bestätigt, dass es sich bei der Festgeldanlage nicht um ein wettbewerbswidriges Gewinnspiel handelt. Paragraph 4 Nr. 6 des UWG betreffe nur Fälle, in denen die Teilnahme an einem Gewinnspiel von einem Umsatzgeschäft abhängig gemacht werde und setze daher voraus, dass ein Gewinnspiel beworben werde, das von einem Umsatzgeschäft getrennt werden könne. Ein vom Umsatzgeschäft getrenntes Gewinnspiel sei jedoch nicht gegeben, wenn der Preis für eine bestimmte Ware oder Leistung von dem unsicheren, zufälligen Ausgang eines Sportereignisses abhängig gemacht werde. Bestimmt also das Spielelement direkt und unmittelbar die im Rahmen des Umsatzgeschäftes zu erbringende Gegenleistung, fehle es nach Ansicht des BGH an der im Gesetz vorausgesetzten Kopplung.
Auf die jetzige Entscheidung reagierte die Wettbewerbszentrale irritiert, aber gefasst: „Wir hätten uns eine andere Entscheidung des Gerichts gewünscht. Wenn schon die Kopplung eines separaten Gewinnspiels an den Warenabsatz per Gesetz unzulässig ist, dann müsste dies erst recht gelten, wenn das Wettelement bereits im Produkt selbst angelegt ist.“, sagte Rechtsanwalt Hans-Frieder Schönheit, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Wettbewerbszentrale in Bad Homburg. Da der BGH auch keine verbotene unsachliche Beeinflussung der Verbraucher im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG erkennen konnte, ist damit wettbewerbsrechtlich der Weg frei für ähnliche Produkte wie etwa die FC Bayern-Sparkarte, bei welcher der Kunde für jedes von den Münchner Bayern erzielte Tor eine bestimmte Zinserhöhung erhält. Die bankenfreundliche Entscheidung wird abgesehen davon noch andere weit reichende Auswirkungen haben, möglicherweise auch auf die in Frankfurt vom Handel ausgesetzten Sportzertifikate.
Zwar ist die Rechtsgrundlage zwischen dem BGH-Urteil und den Sportzertifikaten nicht vergleichbar, dennoch ist die Rechtsprechung damit in Bewegung geraten. Tradegate-Vorstandschef Holger Timm, dessen Unternehmen bereits umstrittene Fußballwetten in Form von Zertifikaten an die Börse brachte, träumt bereits von weiteren Angeboten. Bevor, „vielleicht im Juni“, die nächsten Zertifikate auf die Fußball-Europameisterschaft 2008 und später auf die nächste Bundesliga-Saison aufgelegt werden, müsse jedoch erst „eine gewisse Rechtssicherheit“ entstehen. Diese ist nun gegeben. Weitere Banken und Finanzdienstleister sowie Handelsunternehmen werden deshalb zukünftig eine Vielzahl von Produkten anbieten, die den Gegenwert einer Leistung vom sportlichen Erfolg eines Fußballvereins oder eines Formel-1-Fahrers abhängig machen. Ob sich diese dem Anleger stets in ihrer ganzen Komplexität erschließen, darf bezweifelt werden. Timm verteidigt die von vielen Seiten kritisierten Sportzertifikate: „Wir reden hier von einem Zockermarkt.“ Schließlich seien „alle Zertifikate Wetten auf ein bestimmtes Ereignis“. Verbraucherschutzexperten haben bei der Verbindung von Fußball und Kapitalanlagen grundsätzlich Bauchschmerzen, da Unternehmen bei dieser Kapitalanlage die Fußballbegeisterung der Menschen nutzen und hochriskante Beteiligungen an irrationale Ergebnisse knüpfen.