Schufa wurde zurückgedrängt. Was steht dahinter…..Musterentscheidung: Konto auf Guthabenbasis trotz negativer SCHUFA – Landgericht Bremen prüft bindende Wirkung der Selbstverpflichtung der Sparkassen aus dem Jahre 2005, was hat sich dann getan? Ein Update von 2005 bis 2025
Im Jahr 2005 stand das Landgericht Bremen vor einer wegweisenden Entscheidung: Sollte die Sparkasse Bremen verpflichtet werden, einem Bürger trotz negativer SCHUFA-Auskunft ein Girokonto auf Guthabenbasis zu eröffnen? Der Kläger berief sich auf die Selbstverpflichtungserklärung des Zentralen Kreditausschusses (ZKA) von 1995, die jedem Bürger ein solches Konto zusicherte. Das Gericht erkannte in dieser Selbstverpflichtung ein abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) und stellte fest, dass die Verweigerung eines Kontos in einer zunehmend bargeldlosen Gesellschaft grundrechtsrelevant sei.
Diese Entscheidung markierte einen Wendepunkt im Umgang mit der SCHUFA und ihrer Rolle im Finanzsystem. In den folgenden zwei Jahrzehnten wurden zahlreiche gesetzliche Maßnahmen ergriffen, um den Zugang zu Bankdienstleistungen zu verbessern und die Macht der SCHUFA einzuschränken.
Rechtliche Würdigung (vorläufig):
Das Gericht stellte in Aussicht, dass es die öffentlich erklärte Selbstverpflichtung der Sparkasse als rechtlich bindend ansehen werde. Dies könne – so die richterliche Einschätzung – als abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) gewertet werden, da die Sparkasse sich im Außenverhältnis gegenüber Dritten ausdrücklich verpflichtet habe, im Rahmen der ZKA-Empfehlung zu handeln. Diese Willenserklärung sei geeignet, beim Bürger berechtigtes Vertrauen zu erzeugen.
Zudem sei die Verweigerung eines Guthabenkontos in einer Gesellschaft, die den bargeldlosen Zahlungsverkehr faktisch zur Teilnahmevoraussetzung am Wirtschaftsleben mache, grundrechtsrelevant. Die Versagung könne insbesondere in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) als unverhältnismäßiger Eingriff angesehen werden.
Hintergrund und Bedeutung:
Der bargeldlose Zahlungsverkehr ist heute Standard. Ohne Konto können keine Löhne empfangen, keine Mieten bezahlt, keine Mobilfunkverträge abgeschlossen werden. Seit der Abschaffung des Bankgeheimnisses und der Etablierung von Kreditbewertungsagenturen wie der SCHUFA ist der Bürger zudem gläsern geworden – allerdings ohne verlässliches Grundrecht auf Zugang zum Bankensystem.
Bereits 1995 verpflichtete sich die deutsche Kreditwirtschaft, „Jedermann-Konten“ auf Guthabenbasis freiwillig anzubieten. In der Praxis wurde diese Zusage häufig ignoriert – besonders bei negativer SCHUFA.
Bewertung und Ausblick:
Das Urteil des Landgerichts Bremen könnte einen Paradigmenwechsel einläuten. Sollte das Gericht die Selbstverpflichtung als bindend ansehen, würde dies:
- faktisch ein Recht auf Basiskonto begründen (lange vor dem späteren Zahlungskontengesetz von 2016),
- die Vertragsfreiheit der Banken durch öffentliches Vertrauen und Treu und Glauben beschränken (§ 242 BGB),
- und die Bedeutung der SCHUFA-Auskunft relativieren, zumindest im nicht-kreditbezogenen Zahlungsverkehr.
Die Entscheidung wäre wegweisend für Millionen Menschen in Deutschland, die durch negative Einträge vom Wirtschaftskreislauf ausgeschlossen werden.
Pfändungsschutzkonto (P-Konto) und Basiskonto: Verbesserter Zugang zu Bankdienstleistungen
Einführung des Pfändungsschutzkontos (P-Konto)
Mit dem Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7. Juli 2009, das am 1. Juli 2010 in Kraft trat, wurde das Pfändungsschutzkonto (P-Konto) eingeführt. Dieses Konto ermöglicht es Schuldnern, trotz einer Kontopfändung über einen gesetzlich festgelegten Freibetrag zu verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Seit dem 1. Januar 2012 erfolgt der Schutz von Guthaben auf Zahlungskonten ausschließlich über das P-Konto. Jeder Bankkunde hat das Recht, sein bestehendes Girokonto in ein P-Konto umzuwandeln. Bei Vorliegen einer Pfändung sind Banken verpflichtet, die Umwandlung innerhalb von vier Geschäftstagen vorzunehmen.
Aktuelle Rechtslage und Weiterentwicklungen
Das Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PKoFoG), das am 1. Dezember 2021 in Kraft trat, brachte weitere Verbesserungen für Schuldner. Unter anderem wurde die Möglichkeit eingeführt, pfändungsfreie Beträge bis zu drei Monate anzusparen. Zudem können nun auch Nachzahlungen von Sozialleistungen als pfändungsfrei bescheinigt werden.
Die aktuellen Pfändungsfreigrenzen wurden zum 1. Juli 2024 angepasst. Der monatliche Grundfreibetrag beträgt nun 1.500 Euro. Für die erste unterhaltspflichtige Person erhöht sich der Freibetrag um 561,43 Euro, für jede weitere Person um 312,78 Euro.
Basiskonto – Recht auf ein Konto für jedermann
Ergänzend wurde mit der Umsetzung der EU-Zahlungskontenrichtlinie im Juni 2016 ein gesetzlicher Anspruch auf ein Basiskonto eingeführt. Dieses Konto auf Guthabenbasis steht jedem Verbraucher zu, unabhängig von seiner finanziellen Situation oder SCHUFA-Einträgen. Das Basiskonto kann ebenfalls als P-Konto geführt werden.
Diese gesetzlichen Regelungen stellen sicher, dass alle Bürger Zugang zu grundlegenden Bankdienstleistungen haben und im Falle von Pfändungen ihr Existenzminimum geschützt bleibt.
Einschränkung der SCHUFA-Macht und verbleibende Herausforderungen
Die Einführung des Pfändungsschutzkontos (P-Konto) und des gesetzlichen Anspruchs auf ein Basiskonto haben den Zugang zu grundlegenden Bankdienstleistungen für alle Bürger erheblich verbessert. Insbesondere Personen mit negativer SCHUFA-Auskunft profitieren davon, da sie nun nicht mehr vollständig vom bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen sind. Dies stellt eine bedeutende Einschränkung der faktischen Macht der SCHUFA dar, da deren negative Einträge nicht mehr automatisch zur Verweigerung eines Kontos führen können.
Trotz dieser Fortschritte bestehen weiterhin Herausforderungen im Umgang mit der SCHUFA:
- Fehlerhafte oder veraltete Einträge: Es kommt vor, dass bereits beglichene Forderungen nicht als erledigt markiert oder veraltete Daten nicht gelöscht werden. Solche Einträge können die Kreditwürdigkeit ungerechtfertigt negativ beeinflussen.
- Intransparente Score-Berechnung: Die genaue Methodik, nach der die SCHUFA den Score berechnet, ist nicht vollständig offengelegt. Dies erschwert es Verbrauchern, gezielt Maßnahmen zur Verbesserung ihres Scores zu ergreifen.
- Beeinträchtigung durch geringe Forderungen: Selbst geringfügige, kurzfristige Zahlungsrückstände können zu negativen Einträgen führen, die sich über Jahre hinweg auf die Bonität auswirken.
Um diesen Problemen entgegenzuwirken, sollten Verbraucher folgende Schritte in Betracht ziehen:
- Regelmäßige Überprüfung der SCHUFA-Daten: Einmal jährlich kann eine kostenlose Selbstauskunft gemäß Artikel 15 DSGVO angefordert werden. Dies ermöglicht die frühzeitige Erkennung und Korrektur fehlerhafter Einträge.
- Löschung unberechtigter Einträge beantragen: Bei fehlerhaften oder veralteten Informationen sollte ein Antrag auf Löschung gestellt werden. Dies kann direkt bei der SCHUFA oder über den jeweiligen Gläubiger erfolgen.
- Vermeidung unnötiger Kreditanfragen: Mehrere Kreditanfragen in kurzer Zeit können den Score negativ beeinflussen. Stattdessen sollten sogenannte Konditionsanfragen gestellt werden, die keine Auswirkungen auf den Score haben.
- Pünktliche Zahlung von Rechnungen: Zahlungsverzögerungen sollten vermieden werden, um negative Einträge zu verhindern.
Zusätzlich plant die SCHUFA die Einführung eines neuen, transparenteren Scoring-Modells namens „Next Generation Scoring“ (NSG), das die bisherigen 150 branchenspezifischen Scores durch einen einheitlichen Score ersetzen soll. Dies könnte die Nachvollziehbarkeit und Fairness der Bonitätsbewertung verbessern. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich diese Änderungen in der Praxis auswirken werden.
Insgesamt ist es für Verbraucher essenziell, ihre SCHUFA-Daten aktiv zu überwachen und bei Unstimmigkeiten konsequent zu handeln, um ihre finanzielle Handlungsfähigkeit zu sichern.
Seit dreißig Jahren unterstützen wir Mandanten erfolgreich bei der Bewältigung von Schufa-Problemen. Unsere Expertise hilft Ihnen, Ihre finanzielle Reputation wiederherzustellen. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren:
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