Aktuelle Entscheidung vom Bundesgerichtshof zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Schülern – Welche weiteren Konsequenzen ergeben sich in der medialen Veröffentlichung?
In der medialen Welt wirft insbesondere der Schutz von allgemeinen Persönlichkeitsrechten regelmäßig juristische Schwierigkeiten auf. So musste sich kürzlich auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 15.09.2015 – Aktenzeichen VI ZR 175/14) mit einem Rechtsstreit befassen, in dem sich eine Schülerin auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht berief und ihre Lehrerin auf Unterlassung und Geldentschädigung verklagte.
Was war geschehen?
Die Klägerin, eine als hochbegabt eingestufte Schülerin der zweiten Klasse, wurde nach dem Umzug ihrer Familie im Winter 2007 an einer neuen Grundschule angemeldet. Aufgrund dieser Einstufung sollte das Mädchen probeweise am Unterricht der dritten Klasse teilnehmen, um festzustellen, ob sie bereits reif genug sei, um die zweite Klasse zu überspringen. Die zuständige Klassenlehrerin der dritten Klasse hielt diesen Schritt jedoch für unangemessen und trat der Schülerin gegenüber entsprechend auf.
Es folgte eine Beschwerde seitens der Schülerin und ihrer Mutter bei der Senatsverwaltung für Bildung. Im November 2008 wurde schließlich sogar ein Zeitungsartikel unter voller Namensnennung veröffentlicht, in dem die Mutter des Kindes die Vorkommnisse schilderte. Darin heißt es unter anderem, dass es von Anfang an Probleme zwischen der Lehrerin und ihrer Tochter gab. Weiterhin habe die Lehrerin eigenmächtig über das strittige Überspringen der zweiten Klasse entschieden und mit ihrem Verhalten dafür gesorgt, dass das Mädchen ihre Bemühungen aus Angst vor weiteren Konfrontationen einstellte.
Im Folgenden griff die Presse den Vorfall wiederholt auf und nannte dabei auch die Namen der Mutter und der Schule sowie der Lehrerin. Der Name der Schülerin wurde dagegen nicht bekannt gegeben.
Die Lehrerin beendete ihren Schuldienst im Jahre 2011 und veröffentlichte im Herbst des Folgejahres ein Buch, in welchem sie ihre Erlebnisse als Lehrerin verarbeitete. Inhalt dieses Buches ist dabei insbesondere auch die Auseinandersetzung mit der Klägerin und ihrer Mutter. Die Lehrerin nannte diesbezüglich den vollständigen Namen des Mädchens und bezeichnete sie als „Möchtegernüberspringerin“ und „Pseudo-Hochbegabte“, die nicht über den notwendigen Intellekt und die erforderlichen Sozialkompetenzen verfüge.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Das betroffene Mädchen reichte daraufhin eine Klage auf Unterlassung und Schadensersatz gegen die Lehrerin und deren Verlag ein. Das erstinstanzliche Landgericht Köln verurteilte die Beklagten daraufhin zur Unterlassung der namentlichen Nennung und Darstellung des Mädchens in der bis dato vorgenommenen Art und Weise, das Oberlandesgericht verneinte dagegen einen Unterlassungsanspruch. Der Bundesgerichtshof sorgte nun für Klarheit: Dem Mädchen stehe ein Unterlassungsanspruch (gemäß § 823 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches[BGB] und § 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit dem Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes [GG]) zu.
Betroffen sei insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches die Entscheidungsbefugnis beinhalte, inwiefern persönliche Lebenssachverhalte preisgegeben werden sollen. Zudem wird das Recht „auf ungehinderte Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ungestörte[n] kindsgemäße[n] Entwicklung“ betroffen, da die öffentliche Diskussion von privaten Belangen von Kindern diese in gesteigertem Maße in ihrer Entwicklung stören könnte. Hier ist ein besonderer Schutz von Nöten, weil sich Kinder erst im Laufe der Zeit zu eigenverantwortlichen Mitgliedern der Gesellschaft entwickeln können. Die Klägerin war zum Erscheinungszeitpunkt des Buches 12 Jahre alt und damit in einem empfindlichen Alter. Sie musste davon ausgehen, dass die konkreten Darstellungen über ihre angeblich mangelnden Kompetenzen als Grundlage zur Beurteilung ihrer Person dienen könnten. Zudem drohten Mobbing-Attacken durch ihre Mitschüler. Außerdem war zu berücksichtigen, dass die beklagte Lehrerin nur aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit von den veröffentlichen Informationen Kenntnis erlangt hat und diesbezüglich zur Verschwiegenheit verpflichtet war.
Das Schutzinteresse der Persönlichkeit der minderjährigen Klägerin überwiegt insoweit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit (worauf?) sowie dem Recht der Lehrerin auf Meinungsfreiheit.
Lediglich einen Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts lehnte der Bundesgerichtshof ab.
Fazit: Wo ist die Grenze? – Gefahr der Persönlichkeitsrechtverletzung bei Veröffentlichung von privaten Belangen im Internet und auf Social Media Plattforen
Bei der Veröffentlichung von Beiträgen in den Medien ist also große Vorsicht geboten. Heranwachsende Kinder und Jugendliche genießen besonderen Schutz. Der Bundesgerichtshof macht deutlich, dass niemals etwas Kritisches über andere Kinder im Internet oder anderweitig geäußert werden sollte. So das Ergebnis der BGH-Entscheidung, die weitreichende Konsequenz hat. Der Bundesgerichtshof (BGH) sagt mit dieser Entscheidung ganz klar, auch eine Lehrerin darf nicht den Namen einer Schülerin nennen und sie gleichzeitig herabsetzen.
Die Dimension dieser Entscheidung betrifft weitere gesellschaftliche Lebensbereiche und Verantwortungsübernahme zum Schutz der Persönlichkeit von Schutzbefohlenen. Das bedeutet auch, man darf nicht einfach Fotos von Kinderpartys hochladen und veröffentlichen, sich negativ über Kinder oder Jugendliche bei Social Media Foren, Facebook, WhatsApp, Instagram, Google+, Twitter etc. äußern. Insbesondere die explizite namentliche Nennung fremder Personen ohne deren Zustimmung kann umfangreiche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.