Schufarecht und Inkasso- Ärger mit Fitness First - Dr. Thomas Schulte

Schufarecht und Inkasso: Ärger mit Fitness First

Hintergründe und Aufbau des Schufa‑Systems: Wenn 66 Millionen Menschen erfasst sind – wer garantiert, dass jeder Eintrag rechtmäßig und fair ist?

Die Schufa ist mehr als nur eine Datenbank – sie ist der stille Taktgeber des deutschen Wirtschaftslebens. Mit über 200 Millionen Abfragen pro Jahr entscheidet sie im Hintergrund darüber, ob jemand einen Kredit erhält, ein Auto finanziert oder überhaupt einen Mietvertrag unterschreiben darf. Doch so groß ihre Macht ist, so heikel ist die Frage nach der Rechtmäßigkeit: Wer schützt Verbraucher davor, dass fehlerhafte oder voreilige Einträge ihre gesamte wirtschaftliche Existenz blockieren?

Der Fall des Berliner Lehrers zeigt die Brisanz: Trotz Kündigung und klarer Mitteilung erhielt er weiterhin Inkassoschreiben – verbunden mit der Drohung eines negativen Schufa-Eintrags über läppischen Betrag unter 100 Euro. Juristisch aber gilt: Ein solcher Eintrag ist nur zulässig nach zwei Mahnungen mit vierwöchigem Abstand und ausschließlich bei unbestrittenen Forderungen. In der Realität jedoch geraten Verbraucher immer wieder in die Fänge unberechtigter Meldungen.

Damit steht die Schlüsselfrage im Raum: Darf eine private Auskunftei über wirtschaftliche Chancen und Risiken von Millionen Menschen bestimmen – ohne dass jeder Eintrag zuvor einer klaren, rechtlichen Kontrolle unterliegt?

Der Fall eines Berliner Lehrers gegen Inkasso: Was ist passiert?

Ärger mit dem Fitnessstudio Fitness First

Ein Berliner Lehrer war Mitglied eines Fitnessstudios. Sachverhalt vereinfacht: Im Sommer 2019 zog er nach Polen, beantragte eine Vertragsruhe („Pause“) und erhielt eine Kündigung wegen Clubschließung. In einem Schreiben vom Januar 2021 erklärte er gegenüber Fitness First, er lebe seit September 2019 in Polen, habe seine Mitgliedschaft vereinbarungsgemäß ruhen lassen und es stünden keine Beiträge aus. Der Lehrer forderte das Studio nachdrücklich auf, künftige Forderungen zu unterlassen.

Trotzdem erhielt der Lehrer von Inkassodiensten weitere Zahlungsaufforderungen. In den übermittelten Dokumenten finden sich Mahnungen über geringe Beträge und ein Hinweis auf einen angeblichen Zahlungsrückstand (z. B. 82,40 €) mit einer Bitte um Zahlung innerhalb weniger Tage. Solche Mahnungen waren problematisch, weil der Lehrer die Mitgliedschaft ruhen ließ und den Vertrag ohnehin gekündigt sah.

Der Fall erinnert an den öffentlich gewordenen Tagesspiegel-Bericht über Klaus Bosch, der seinen Fitness‑Beitrag (85 €) ordnungsgemäß gezahlt hatte, aber dennoch serienweise Mahnungen eines Münchner Inkassodienstes erhielt. Bosch erhielt keine Mahnung von Fitness First, dennoch schickte das Studio seine Daten an ein Inkassobüro. Dem Berliner wurde erst auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Mitgliedsnummer doppelt vergeben worden sei – ein „Versehen“. Weil das Studio diese Information nicht an das Inkassounternehmen weitergab, eskalierte die Sache: Der Inkassodienst schrieb immer dringlichere Briefe, und am 23. August erfuhr Bosch von einem negativen Schufa‑Eintrag; seine Kreditkarte wurde gesperrt. Durch Gebühren und Zinsen hatte sich die Forderung auf 181,68 € verdoppelt. Er wandte sich nochmals an das Studio und erstattete der Inkassofirma Kontoauszüge; dennoch drohte man ihm mit dem Gerichtsvollzieher. Jurist Marcus Köster betonte gegenüber dem Tagesspiegel, dass der Verbraucher nicht verpflichtet sei, den Inkassodienst über den Irrtum aufzuklären – allein das Fitnessstudio müsse das Inkassounternehmen zurückpfeifen. Letztlich übernahm Fitness First die Inkassokosten und ließ den Schufa‑Eintrag löschen.

Ablehnung der Kfz‑Versicherung

Der Lehrer stellte später fest, dass seine Kfz‑Versicherung abgelehnt worden war, weil es angeblich Probleme mit seiner Bonität gab. In einer E‑Mail an den Versicherer beklagte er, dass trotz regelmäßiger Beitragszahlung plötzlich von Bonitätsproblemen gesprochen werde. Der Versicherer teilte ihm lediglich mit, man habe vor Vertragsabschluss eine Bonitätsprüfung durchgeführt und könne zurzeit kein Angebot unterbreiten. Der Lehrer verlangte daraufhin eine konkrete Begründung und fragte, wann er wieder ein Angebot erhalten könne. Diese Korrespondenz deutet darauf hin, dass bereits ein negativer Schufa‑Eintrag existierte. Obwohl der Lehrer die Forderungen bestritten hatte, könnte das Fitnessstudio die Daten an die Schufa übermittelt haben – ein typischer Fehler, der im Schufa‑Recht streng reglementiert ist.

Schufa‑Eintrag ohne ausreichende Mahnungen

Die vorliegenden Mahnschreiben zeigen, dass Fitness First 2018 zwei Mahnungen innerhalb eines Monats verschickte (erste Mahnung am 6. Februar, zweite am 6. März 2018). Sie forderten den offenen Betrag und drohten mit Mahnkosten; jedoch enthalten diese Schreiben nach den vorliegenden Ausschnitten keinen Hinweis auf einen bevorstehenden Schufa‑Eintrag. Nach den gesetzlichen Voraussetzungen wäre ein solcher Eintrag nur zulässig, wenn die Forderung unbestritten bleibt, zwei Mahnungen mit vier Wochen Abstand eingehen und in mindestens einer Mahnung ausdrücklich die Übermittlung an die Schufa angekündigt wird. Der Lehrer widersprach den Forderungen und informierte das Studio über seine Abwesenheit. Eine Datenübermittlung an die Schufa wäre deshalb unzulässig. Dass die Versicherung seine Bonität negativ bewertete, deutet auf einen möglicherweise rechtswidrigen Schufa‑Eintrag hin.

Gerichtsverfahren und Vergleich

Nachdem außergerichtliche Auseinandersetzungen nicht fruchteten, landete der Streit letztlich vor dem Amtsgericht Schöneberg. Der Berliner Lehrer erklärte dort, dass er während seiner Zeit in Polen keinen Fitnessclub besucht und erst durch seine Versicherung von dem negativen Schufa‑Eintrag erfahren habe. Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Parteien am 19. August 2025 einen Vergleich: Die Beklagte verpflichtete sich, zur Abgeltung aller Ansprüche 1 350 € an den Lehrer zu zahlen. Zuvor hatte das Inkassounternehmen bereits zugesichert, den negativen Schufa‑Eintrag zu löschen und keine weiteren Meldungen gegenüber der Auskunftei vorzunehmen. Durch diese Einigung wurde der unberechtigte Eintrag entfernt, und der Lehrer erhielt einen finanziellen Ausgleich für die erlittenen Nachteile.

Rechtliche Bewertung und höchstrichterliche Urteile

Urteil des Landgerichts Mainz

Ein aufsehenerregendes Urteil des Landgerichts Mainz (Az. 3 O 12/20) vom 12. November 2021 verdeutlicht die rechtlichen Anforderungen. Ein alleinerziehender Vater hatte eine Stromrechnung von knapp 300 € nicht rechtzeitig bezahlt. Nach einer Mahnung schaltete der Energieversorger ein Inkassounternehmen ein; dieses meldete die offene Forderung am 16.07.2019, noch am Tag des Vollstreckungsbescheids, an die Schufa. Die Zustellung des Vollstreckungsbescheids erfolgte jedoch erst zwei Tage später, und der Kläger erhielt ihn sogar erst am 21. Juli. Obwohl er im Anschluss seine Schulden beglich, meldete das Inkassounternehmen erneut eine „uneinbringliche titulierte Forderung“ an die Schufa.

Das Gericht stellte fest, dass diese Datenübermittlung rechtswidrig war, und sprach dem Kläger 5 000 € Schmerzensgeld nach Art. 82 DSGVO zu. Es betonte, dass die Weitergabe von Inkassodaten an Auskunfteien eine Zweckänderung darstellt und nach Art. 6 Abs. 1 lit. f und Abs. 4 DSGVO nur zulässig ist, wenn berechtigte Interessen überwiegen. Eine Datenübermittlung darf erst erfolgen, wenn der Schuldner die Möglichkeit hatte, die Forderung zu begleichen; die bloße Existenz eines Vollstreckungstitels genügt nicht. Im konkreten Fall konnte das Inkassounternehmen nicht belegen, dass der Kläger zuvor ausreichend gemahnt und auf einen Schufa‑Eintrag hingewiesen worden war. Das Gericht sah überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen und wertete den vorzeitigen Eintrag als massive Beeinträchtigung seiner Kreditwürdigkeit. Ein immaterieller Schaden liege vor, wenn das soziale Ansehen und die finanzielle Handlungsfreiheit eines Betroffenen durch eine Schufa‑Falschmeldung beeinträchtigt werden.

Konsequenzen des Urteils

Das Mainzer Urteil zeigt, dass Inkassounternehmen bei der Übermittlung von Daten an die Schufa besondere Sorgfalt walten lassen müssen. Verstoßen sie gegen die DSGVO, drohen empfindliche Schadensersatzforderungen. Zudem wird klargestellt, dass die Schufa‑Einmeldung ein schwerwiegender Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist und nur in engen Grenzen zulässig ist. Bei mangelnder Rechtsgrundlage haben Betroffene Anspruch auf Löschung des Eintrags und auf Schadensersatz.

Was können Verbraucher tun? Handlungsempfehlungen

Rechnungen prüfen und ggf. widersprechen: Jede unberechtigte Forderung sollte schnell und schriftlich bestritten werden. Nur so verhindert man, dass eine widersprochene Forderung zur Schufa gemeldet wird.

Mahnschreiben dokumentieren: Heben Sie Mahnungen und Ihre Antworten auf. Ein negativer Eintrag erfordert zwei Mahnungen mit vierwöchigem Abstand. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist der Eintrag unzulässig.

Schufa‑Auskunft einholen: Nach Art. 15 DSGVO hat jeder Bürger Anspruch auf eine kostenlose Selbstauskunft (einmal pro Jahr). Dadurch erfahren Sie, ob ein negativer Eintrag existiert.

Löschung unberechtigter Einträge verlangen: Wenn eine Forderung bestritten wurde oder die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, können Betroffene gegenüber dem Gläubiger und der Schufa die Löschung verlangen. Halten Sie sich an die Fristen und dokumentieren Sie Ihren Widerspruch.

Inkassokosten prüfen: Inkassodienste dürfen laut Verbraucherzentrale nur Gebühren verlangen, die einem Rechtsanwalt vergleichbar sind; bei Forderungen unter 500 € liegen diese bei 27 €. Unverhältnismäßig hohe Forderungen sollten zurückgewiesen werden.

Rechtsberatung einholen: In komplizierten Fällen oder bei erheblichen finanziellen Schäden sollten Betroffene einen auf Verbraucherrecht spezialisierten Anwalt einschalten. Das Urteil aus Mainz zeigt, dass Gerichte empfindliche Schmerzensgelder zusprechen.

Nicht nur das Inkassobüro anschreiben: Juristen weisen darauf hin, dass der Vertragspartner (z. B. das Fitnessstudio) das Inkassounternehmen zurückpfeifen muss; der Schuldner ist nicht verpflichtet, das Inkassobüro über einen Irrtum zu informieren. Dennoch kann es in der Praxis sinnvoll sein, das Inkassobüro über den Widerspruch zu informieren, um weitere Maßnahmen zu vermeiden.

Reflektierende Betrachtung: Schufa‑Fälle im digitalen Zeitalter

Der Fall des Berliner Lehrers und andere Inkasso‑Geschichten zeigen, wie verletzlich Verbraucher im digitalen Zeitalter sind. Eine automatisierte Bonitätsprüfung entscheidet binnen Sekunden über die Vergabe von Versicherungen, Krediten oder Telefonverträgen. Ein fehlerhafter Eintrag – sei es durch eine doppelt vergebene Mitgliedsnummer, eine übereilte Inkasso‑Meldung oder die Missachtung formeller Fristen – kann gravierende Folgen haben: Kreditkarten werden gesperrt, Versicherungen verwehren Verträge, und das soziale Ansehen leidet.

Die Kanzlei Dr. Thomas Schulte ist Vertrauensanwalt des Netzwerks ABOWI LAW und Mitglied der ASSOCIATION OF EUROPEAN ATTORNEYS.

Seit vielen Jahren bieten wir kontinuierlich Weiterbildungen an und freuen uns, auch Anfragen von Rechtsanwaltskollegen zu erhalten.

 

Die Artikel Highlights

Empfehlung von Dr. Thomas Schulte wegen großer Erfahrung und erfolgreicher Prozessführung, z.B. Titelbeitrag im Magazin „Capital“, Ausgabe 07/2008.

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.

Ein Beitrag aus unserer Reihe "So ist das Recht - rechtswissenschaftliche Publikationen von Dr. Schulte Rechtsanwalt" registriert bei DEUTSCHE NATIONALBIBLIOTHEK: ISSN 2363-6718
23. Jahrgang - Nr. 11794 vom 19. September 2025 - Erscheinungsweise: täglich - wöchentlich